16.12.2014

Es ist ein Teufelskreis: München braucht nichts dringender als Wohnungen. Doch wenn Wiesen mit Betonblöcken zugestellt werden, wenn Lücken zwischen Gebäuden mit Neubauten geschlossen werden, wenn auf dem Grundstück mit alten Bäumen das Häuschen der Oma abgerissen und ein Wohnkomplex hochgezogen wird – dann zahlt München Stück um Stück den Preis seiner Attraktivität, den Preis seiner Schönheit. Kein Lüftchen weht dann mehr durch die Metropole. Das künftig ohnehin heißer werdende München wird zum Backofen. Die Stadt kühlt nachts kaum mehr ab. Die Fachleute sind sich einig: Wir brauchen beim Bauen ein Umdenken – und zwar sofort!

„Erhalt des Erscheinungsbildes der Wohngebiete mit Gartenstadtcharakter“ – so lautet die Über­schrift eines CSU-Antrags im Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen, den das Vollgremium jetzt einhellig verabschiedet hat. Die Stadt wird aufgefordert, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Erhalt der Gebiete mit Gartenstadtcharakter in München nachhaltig zu sichern und lediglich eine maßvolle Nachverdichtung zuzulassen.“ Selbstredend, dass das den 13. Stadtbezirk sehr stark tangiert.

Nachverdichtung an der Ecke Vollmann-/Jacobistraße in Bogenhausen: Hier entstehen sechs exklusive Wohneinheiten mit bis zu 305 Quadratmeter Fläche.
Nachverdichtung an der Ecke Vollmann- / Jacobistraße in Bogenhausen: Hier entstehen sechs exklusive Wohneinheiten mit bis zu 305 Quadratmeter Fläche.

In der Initiative von Kommunalparlament-Vize Robert Brannekämper und Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller heißt es wörtlich: „Der BA hält es für dringend erforderlich, das Erscheinungsbild der Wohngebiete mit Gartenstadtcharakter mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bewahren und Nachverdichtungen nur in maßvoller Weise und fest geregeltem Umfang nur an den Stellen zuzu­lassen, die dafür geeignet sind.“

Als Sofortmaßnahme sollen von den Verantwortlichen der Stadt die Beurteilungsspielräume bei Baugenehmigungen restriktiver genutzt werden. Ziel ist „die fortschreitende Versiegelung zu begrenzen und den existierenden Baumbestand besser zu schützen.“

Für all das soll der Stadtrat im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz einen Grundsatzbeschluss fassen und dem Planungs­referat „angemessene Ressourcen zur Verfügung stellen, um die erforderlichen Maßnahmen und den Mehraufwand sach- und fachgerecht bearbeiten zu können.“

In der Begründung des Ansinnens heißt es: „Gartenstädte sind nicht nur aus architektonischen und denkmalpflegerischen Gesichtspunkten von besonderer Bedeutung, im Rahmen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung kommt auch dem privaten Grundflächenanteil in einer Großstadt eine wichtige ökologische Bedeutung zu. Die Münchner Gartenstadtgebiete dürfen nicht wahllos verdichtet werden, wie es über Jahre zu beobachten ist“.

Finkenzeller stellte bei der Erörterung im Stadtteilgremium klar: „Mit Nachverdichtungen werden wir die Wohnungsprobleme in München nicht lösen. Wir haben jetzt noch die Möglichkeit, gegen Nachverdichtungen einzuschreiten.“

Fakten und Prognosen sprechen für sich. Seit 2011 sind etwa 90 000 Menschen in die Landes­hauptstadt zugezogen. Bis 2030 sollen nach Schätzungen von Experten mindestens 200 000 Personen dazukommen. Etwa 120 000 bis 150 000 Wohneinheiten werden folglich bis dahin benötigt. Fachleute haben hochgerechnet, dass bis 2030 summa summarum aber lediglich 50 000 Wohnungen entstehen werden. Für die klaffende Lücke bestehende Quartiere nachverdichten, Neubauten enger aneinander und höher bauen? Das kann’s ja wohl nicht sein. Seit Jahren schon gibt’s wegen der dichten Bebauung und der Versiegelung im Kern der Stadt Wärmeinseln, werden an Hochsommertagen Temperaturen bis zu 40 Grad gemessen. Durchlüftet wird die Stadt nur dort, wo es Schneisen in der Bebauung gibt, die die kühle Luft aus den Alpen durchlassen.

München ist die beliebteste Stadt Deutschlands. Laut einer Erhebung der Immobilienbranche würde gern jeder sechste Bundesbürger hier und im Umland wohnen. Sage und schreibe sind das knapp 15 Millionen Menschen. Kurzum: München ist begehrenswert. Besser: unerträglich begehrenswert geworden. Die Lage ist prekär. Lösungen müssen politisch gesteuert und gefunden werden, und zwar von der Stadtspitze zusammen mit und a l l e n Landräten und mit a l l e n Bürgermeistern der umliegenden Landkreise. Dies nicht erst übermorgen, sondern sofort.