Kaum einer kennt sie, die wenigsten wissen, wo sie steht – und wer sie entdeckt, ist ob ihres Um­felds und ihres Zustands entsetzt: die Odin-Statue, das Standbild des Göttervaters Wotan, des Odin, im „Wäldchen“ an der Rückseite des Klinikums Bogenhausen. Eine Bürgerin beklagte jetzt in einer Mail an den Bezirksausschuss, dass „die Statue total eingewachsen und kaum mehr zu er­kennen ist, dass sich der Schlösslgarten in einem erbärmlichen Zustand befindet.“ Die Lokalpolitiker leiteten die Beschwerde an die Stadt weiter.

Zum Umfeld des Schlösslgartens schrieb die Frau: „Es wurde ein absoluter Kahlschlag betrieben obwohl das ein ausgewiesenes Biotop ist. Im Garten des Schlössls, das vom Sozialamt verwaltet wird, sind die Bauten total zerfallen, sie werden aber nicht entfernt. Der Gartenzaun ist durch umge­fallene Bäume eingedrückt, er wird aber nicht repariert. Schade, dass man ein wirklich schönes Bio­top mit Teich hat austrocknen lassen.“

Das Höchl-Schlössel, heute Odinstraße 29, hieß einstmals „Villa am Priel“. Priel ist ein kleiner Orts­teil von Bogenhausen oberhalb der Herzogparks. Anno 1852 hatte der Maler und Kunstmäzen An­ton Höchl, ein wohlhabender Ziegeleibesitzer, das Anwesen seines Vaters, des Stadtbaumeisters Joseph Höchl, zu einer Villa – Postadresse damals Am Priel 4 – ausbauen lassen. Das Haus wird seitdem Höchl-Schlössel genannt. Es war einst Treffpunkt von Künstlern und Adeligen, darunter Herzog Max von Bayern, Vater der Kaiserin Sissi von Österreich. Höchls Erben hatten 1926 das Gebäude samt 45 Hektar Grund an die Stadt München verkauft. 1957 wurde das Haus in sechs Wohnungen unterteilt.

Nur wenige Meter von dem jetzt ockerfarben getünchten Gebäude entfernt befindet sich ein „Wäldchen“ – der Odins- oder Wotanshain, letzter Rest des ehemaligen Priel-Walds. Blickt man durch das Gestrüpp und die Bäume, kann man die auf einem Steinsockel, der von vermoosten Felsbrocken umrandet ist, stehende Odin-Statue erahnen. Das Denkmal hatte anno 1874 der Bildhauer Heinrich Natter im Auftrag Höchls aus Kelheimer Marmor erschaffen. Der Zahn der Zeit hat zwischenzeitlich kräftig an dem finster dreinschauenden germanischen Gott des Kriegs (und der Toten, der Dichtung, der Magie und der Ekstase) genagt. Unter anderem fehlt sein rechter Arm samt Speer.