24. Juli 2016

Der Asiatische Laubholzbockkäfer, kurz ALB, einer der gefährlichsten Holzschädlinge weltweit, rückt – ausgehend von Feldkirchen über die Haarer Ortsteile Ottendichl und Salmdorf – weiter vor. Mehr als 1000 Bäume mussten dort in der Umgebung bereits gefällt werden, um die Ausbreitung zu stoppen. Jetzt wurde er in der Messestadt Riem gefunden. Bereits zuvor veranlasste die Plage die CSU-Fraktion im Bezirksausschuss zu einer Anfrage an die Stadt. Die Lokalpolitiker stimmten der Initiative einhellig zu.

Auf zwei Fragenkomplexe fordert das Kommunalparlament konkrete Antworten: Welche Vorsorge­maßnahmen trifft die Stadt, damit der ALB den Stadtbezirk Bogenhausen nicht befällt? Und welche Alternativen gibt es zur kompletten Fällung im 100-Meter Radius? Hat die Stadt insofern entspre­chende Nachforschungen angestellt?

Ferner werden die Behörden laut dem Ansinnen aufgefordert, „im Rahmen ihrer Pflanzungsmaß­nahmen darauf zu achten, dass solche Baumsorten gewählt werden, die meist nicht vom ALB befallen werden.“

In der Begründung zum dem Vorstoß wird angeführt: „Der Laubholzbockkäfer verbreitet sich immer mehr in ganz Bayern. Nun steht er unmittelbar vor dem Stadtbezirk Bogenhausen. Die Folgen des Käferfundes sind fatal: Im Umkreis von 100 Metern müssen sämtliche Bäume aus Vorsichtsmaß­nahmen gefällt werden. Dabei gibt es wissenschaftlich Alternativen, die derzeit aber nur oberfläch­lich geprüft werden. Es ist daher zwingend notwendig, entsprechende alternative Maßnahmen zu untersuchen und anzuwenden.“

Baumkletterer in einem Garten: Ehe diese etwa 50 Jahre alten Birken gefällt werden konnten, mussten per Motorsäge die Äste entfernt werden.  Foto: hgb
Baumkletterer in einem Garten: Ehe diese etwa 50 Jahre alten Birken gefällt werden konnten, mussten per Motorsäge die Äste entfernt werden. Foto: hgb

Und weiter: „Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Stadt beispielsweise den kompletten Englischen Garten abholzen lassen wird, wenn dort der Käfer gefunden wird. Auch präventiv ist es daher drin­gend notwenig, bei der Neupflanzung von Bäumen darauf zu achten, dass diese dem Laubholz­bockkäfer eher nicht >schmecken<.“

Dazu muss man wissen: Pappeln, Weiden, Birken, Ahorn- und Rosskastanienbäume sind die bevorzugten Wirtsbäume des Käfers.

Wie groß, ja bereits immens die Bedrohung eines ALB-Befalls für Bogenhausen ist, macht klar: Mit­te Juli wurden Spuren des Schädlings in Riem entdeckt.

Laut Angaben aus dem Rathaus werden 156 gerade einigermaßen angewachsene Bäume am De-Gaspari-, am Sigmund-Riefler-Bogen und in der Otto-Perutz-Straße sowie fast 100 weitere Bäume auf privaten Grund abschnittsweise bis Freitag, 5. August, gefällt, zerkleinert und entsorgt, also gehäckselt und verbrannt. Für die Arbeit müsse zeitweise Fahrbahnen verengt werden.

Unmittelbar nach auf Auffinden hatte der Stadtrat beschlossen, private Grundstückseigentümer, die in den durch den ALB befallenen Zonen Waldperlach und Riem Laubgehölze nachpflanzen, finan­ziell mit bis zu 80 Prozent der Kosten zu unterstützen. Diese freiwillige Leistung der Stadt – das Konzept ist einsehbar unter www.muenchen.de/lbk – gilt auch für etwaige künftige Befallszonen in München.

Der Ausgangspunkt der grassierenden Seuche liegt in Feldkirchen. Am 8. Oktober 2012 hatte ein Mann in seinem Garten am Fasanweg den Käfer gefunden. Untersuchungen des bis zu vier Zenti­meter großen Krabblers bestätigten, dass es sich um den gefräßigen Exoten handelt. Seine Spuren hatte der „unsichtbare Feind“ 2004 erstmals in Europa hinterlassen, in Braunau am Inn. In den Mün­chner Osten war er vermutlich mit Verpackungsholz in Containern voller Kisten aus Asien – Fach­leute meinen aus China oder Korea – zum Feldkirchener Güterumschlagsbahnhof eingeschleppt worden.

Gerodetes  privates Grundstück in Haar: Kaum ein Baum ist mehr übrig geblieben.   Foto: hgb
Gerodetes privates Grundstück in Haar: Kaum ein Baum ist mehr übrig geblieben. Foto: hgb

Zwei wesentliche Merkmale des ALB: Rindenverletzungen mit eventuellem Saftfluss, grobe Bohr­späne am Stammfuß oder in den Astgabeln, große ovale Larvengänge im Holz sowie runde Aus­bohrlöcher mit rund zehn Millimeter Durchmesser.

Es kann aber auch sein, dass man von außen rein gar nichts erkennt, der Stamm von den Maden aber bereits gänzlich ausgehöhlt ist. Und: Ein „erwachsener“ Käfer ist 2,5 bis vier Zentimeter groß, hat lange, schwarz-weiß gestreifte Fühler, die schwarzen Flügeldecken weisen unregelmäßige weiße Flecken auf.

Haars Umweltreferent Michael von Ferrari hatte seinerzeit, unmittelbar nach der ersten Entdeckung, als erster mehrfach gemahnt: „Der Käfer ist gefährlich, er befällt nicht nur geschwächte, sondern auch gesunde Bäume“. Und ein Förster hatte zudem vor den Dimensionen des Befalls gewarnt, vor Gefahren nicht nur für den Landkreis und die Stadt, sondern für ganz Bayern.

Angeblich ist der Schädling immun gegen jegliche chemische Keule. Aber die Art, wie die Seuche bekämpft wird, stößt manchem auf. Zum Beispiel Hans Stießberger (CSU). Der ehemalige dritte Bürgermeister von Haar hatte schon vor Jahren erklärt: „Hier schießt man mit Kanonen auf Spat­zen“. Er sei sich sicher, dass es einen natürlichen Feind des Käfers geben muss. Denn: „„Sonst gäbe es doch in ganz China keinen Laubbaum mehr. Was wir in Wochen kaputt machen, hat der Käfer in Jahren nicht geschafft. Und was wir machen, wird man auch in Jahren noch sehen. Das ist Raubbau an der Natur“.

Fakt ist heute: Der träge Käfer, der nur wenige hundert Meter weit fliegen kann, der sich per Käfer­flug oder „per Anhalter“ an und auf Traktoren, Last- und Personenwagen verbreitet, hat unermüdlich Bock auf Bäume, er ist auf dem Vor-, ja auf dem Durchmarsch. Er hat sich in die Stadt hineingefres­sen. Die Zeitbombe tickt.