25. Oktober 2016

Zur Siedlungsentwicklung im Münchner Nordosten (SEM) auf einem 600 Hektar großen Gelände jenseits der S-Bahnlinie zum Flughafen – eingerahmt von der S8-Trasse zwischen Daglfing, Engl­schalking und Johanneskirchen, den Grenzen von Unterföhring und Aschheim, dem Lebermoosweg und der Riemer Straße – hatte die Stadt Anfang August drei Varianten als vorbereitende Unter­suchungen präsentiert. In einer „interfraktionellen Stellungnahme zum Einleitungsbeschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung“ billigte der Bezirksausschuss jetzt die Einleitung des Verfahrens. In einem kompakten Positionspapier wurden fünf Schwerpunkte fixiert, verbunden mit Fragen und Forderungen.

Der Hintergrund der städtischen Konzepte: Einst waren vom Planungsreferat etwa 10 000 künftige Bewohner anvisiert worden. Nun könnten auf dem Areal – wohl ab dem Jahr 2035 – rund 15 000 bis 18 000 Wohnungen entstehen. Kurzum eine extrem dichte Bebauung mit weiten Grünflächen für 30 000, möglicherweise sogar rund 36 000 Menschen.

Letztere Zahl würde in etwa erreicht, wenn man die Anlagen des Münchner Reitvereins, die Galopp­bahn in Riem und auch die Trabrennbahn in Daglfing auflöst. Dagegen wehren sich die Lokalpoliti­ker schon lange vehement. Und: Vormals sollten rund 2000 Arbeitsplätze entstehen, jetzt sollen’s schier unglaubliche 12 000 werden.

Mit Details in ihrer Stellungnahme hielten sich die Vertreter des Kommunalparlaments fast voll­ständig zurück. Eindeutig dargelegt wurde in dem Papier indes, dass mit der Verfahrenseinleitung keine Festlegung auf die Zahl der Bewohner und Arbeitsplätze verbunden ist. Die Varianten sind für die Stadtteilvertreter eben ein „Arbeitsmodell“, neue Planungsvarianten „dürfen nicht ausgeschlos­sen werden.“

Des Weiteren fordert der Bezirksausschuss das Planungsreferat auf, „detailliert die Bürgerbeteili­gung darzustellen und aufzuzeigen, wie sich aus den verschiedenen Varianten das spätere Struk­turkonzept findet“.

Zum Dritten fordern die Gremiumsmitglieder, stets formell beteiligt zu werden, „wenn eine Ver­änderung und/oder Präzisierung der Varianten stattfindet.“ Der Bezirksausschuss muss also bei „Zwischenergebnissen immer und rechtzeitig angehört“ werden.

Das größte Bauvorhaben Münchens, die „Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) im Nordosten – eingerahmt von der Trasse der S8, von den Grenzen zu Unterföhring und Aschheim sowie dem Lebermoosweg und der Riemer Straße. Es ist die (Wohn)-Zukunft der Stadt frühestens ab 2035, wenn mindestens 150 000 Menschen mehr in der Metropole leben werden.   Karte: Planungsreferat
Das größte Bauvorhaben Münchens, die „Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) im Nordosten – eingerahmt von der Trasse der S8, von den Grenzen zu Unterföhring und Aschheim sowie dem Lebermoosweg und der Riemer Straße. Es ist die (Wohn)-Zukunft der Stadt frühestens ab 2035, wenn mindestens 150 000 Menschen mehr in der Metropole leben werden. Karte: Planungsreferat

Weiterhin legt das Stadtteilgremium „großen Wert darauf, dass es die Ergebnisse aus der Bürger­anhörung zuerst erfährt, bevor sie im Internet, in der Presse oder auf Flyern veröffentlicht werden.“

Anlass für dieses Statement: Vertraulich und zur Verschwiegenheit verpflichtet waren Anfang August einige Bezirksausschuss-Mitglieder von Stadtbaurätin Elisabeth Merk über die SEM-Pläne unterrichtet worden, ehe die betroffenen kommunalen Gremien offiziell informiert wurden. Indes hatte Merk vorab Tageszeitungen über den Stand eingeweiht, der auch veröffentlicht worden war. Das hatte im Bogenhauser Kommunalparlament Zoff ausgelöst, die CSU-Fraktion hatte deswegen seinerzeit einen Dringlichkeitsantrag gestellt.

Und letztlich müssen laut Positionspapier Termine für Workshops und öffentliche Veranstaltungen mit dem Bezirksausschuss „mindestens acht Wochen vor deren Durchführung abgestimmt werden.“

Verankert wurde in der Stellungnahme, dass die „vorgelegten Varianten über viele Aspekte nicht ausreichend Auskunft geben“. Man will bezüglich Einwohner und Arbeitsplätze wissen, worauf die „vorgelegten Zahlen basieren, wieso von den ursprünglichen Zahlen abgewichen wurde.“

Denn in den bisherigen Workshops war eine „Bebauung mit verträglicher Dichte und sensiblen Übergang zur bestehenden Bebauung“ gefordert worden, wobei keine Bauformen ausgeschlossen wurden. Die in den Varianten angeführten Zahlen zu Bewohnern und Arbeitsplätzen wurden weder „mit dem Bezirksausschuss noch mit der Bevölkerung abgestimmt, sie müssen in den Beteiligungs­verfahren neu diskutiert werden.

Wörtlich wird dazu angeführt: „Zur ehrlichen Betrachtung müssen Wohnungen und Arbeitsplätze zu­sammengerechnet werden. Das bedeutet, dass den bisherigen, im Flächennutzungsplan beschrie­benen 12 000 jetzt in etwa 45 000 wohnende und arbeitende Menschen gegenübergestellt werden.“

Weiter wird verlangt, dass „traditionelle Nutzungen wie Pferdesport und Gut Riem, die zu Recht als Identität stiftend gesehen werden, eine langfristige Perspektive erhalten. Deswegen lehnt der Bezirksausschuss alle >Plus-Varianten< eindeutig ab.“ Und schließlich: „Wann wird mit den Eigen­tümern über die mögliche Bebauung/Nachverdichtung gesprochen, um deren Flächen eventuell in die Planungen einzubeziehen?“

Landschaft pur prägt heute das Gebiet entlang zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen.    Foto: Stadt München
Landschaft pur prägt heute das Gebiet entlang zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen. Foto: Stadt München

Zum Aspekt „Mobilität/Verkehr“ verlangen die Lokalpolitiker, dass sowohl ihnen wie auch den Bür­gern „das Verkehrsgutachten ausführlich erklärt wird – vorzugsweise vor den Beteiligungsverfahren, noch in diesem Jahr.“

Auskunft wird gefordert zu den Kosten der einzelnen U-Bahn-Stationen, welche Einwohnerdichte für die Stationen notwendig ist und über die Zeitschiene der vom Stadtrat beschlossenen unterirdischen Verlegung der S-Bahn.

Zudem besteht man auf Auskunft, welchen überörtlichen Durchgangsverkehr eine durchgängige Verbindung zwischen der Autobahn A94 und der Kreisstraße M3 in die nordöstlichen Siedlungs­gebiete bringen würde und „inwieweit und ob die Planungen eine Stadt-Umland-Bahn (S-Bahn-Nordring) einbeziehen.“

Der letzte, ein sehr wichtiger Aspekt: „Inwieweit ist gesichert, dass die Bebauung erst erfolgen wird, wenn die entsprechenden infrastrukturellen Maßnahmen vorhanden und die ÖPNV-Anbindungen angelegt sind?“

Auf Anregung von Robert Brannekämper, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter, beschloss das Plenum das Positionspapier um eine Frage zu ergänzen: „Grundvoraussetzung ist die Verlegung der S-Bahn in einen Tunnel. Wie gedenkt man das in welchen Bauabschnitten zu entwickeln und umzusetzen?“

Damit war auch der Kernpunkt, der seidene Faden, an dem bekanntlich alles hängt, zur Siedlungs­entwicklung im Münchner Nordosten fixiert!