26. Dezember 2016

Existenzängste und Aufregung unter Geschäftsleuten und Anliegern an der Freischützstraße: Im Komplex an der Ecke Johanneskirchner Straße hat ein Investor im Zentrum Freischützgarten dem Vernehmen nach in sechs Gebäuden im Erdgeschoß, ersten und zweiten Stock 20 Gewerbeeinhei­ten erworben und inzwischen fast allen Mietern zum 31. März 2017 gekündigt. Der Käufer will „die Anlagen komplett sanieren und in Wohnräume umwandeln“, so steht’s in einer Initiative der CSU-Fraktion im Kommunalparlament. Dagegen wehren sich die Lokalpolitiker in einem einstimmig gefassten Beschluss und fordern eine Veränderungssperre von der Stadt.

In einem von CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller, Robert Brannekämper, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter, sowie Susanne Lambers gezeichneten Antrag, wird die Stadt aufgefordert, „im Bebauungsplan 43d für die Freischützstraße sicherzustellen, dass weiterhin kleinteilige Gewerbeeinheiten und Speise- und Schankwirtschaften im Erdgeschoss der Häuserreihen verwirklicht werden. Gegebenenfalls ist eine entsprechende Veränderungssperre zu erlassen“.

In der Begründung dazu wird angeführt: In der Freischützstraße sind bis heute gerade im Erdge­schoss eine Vielzahl von kleinteiligen Gewerbeeinrichtungen vorhanden. Dies sind die Hausarztpra­xis Dr. Kahmann und die Trattoria Isabella (Haus 75), die Bäckerei Wimmer, Vinzenz Murr, ein italienisches Restaurant, das vor kurzem renoviert wurde, Maroder dance academy und Fränkel Damenmode (Haus 77), eine Haut- und Venenpraxis, das Fotoparadies Czech / Ringfoto, die Ände­rungsschneiderei Kossi Mensah und der Zahnarzt Dr. Pergani ((Haus 79), das Restaurant Knossos und Prisma Optiker (Haus 81), ein Sonnenstudio (Haus 83) sowie in der Johanneskirchner Straße 100 die Ballettschule Schiller, die Budokan Kampfkunstschule, die Stichprobe Tattoo, das Noblesse Spa Kosmetikstudio, die Physiotherapiepraxis Hering sowie die Sparkasse.

Das Geschäftszentrum Freischützgarten wurde an einen Investor verkauft, der Gewerbeeinheiten in Wohnungen umwandeln will. Anlieger fürchten um die Infrastruktur ihres Viertels.     Foto: hgb
Das Geschäftszentrum Freischützgarten wurde an einen Investor verkauft, der Gewerbeeinheiten in Wohnungen umwandeln will. Anlieger fürchten um die Infrastruktur ihres Viertels. Foto: hgb

In dem CSU-Vorstoß heißt es: „Diese für das Geviert nützlichen und kleinteiligen Gewerbebetrieben droht nun das Aus: Ein Investor möchte die Anlagen komplett sanieren und sämtliche Räumlichkeiten in Wohnräume umwandeln – auch die Gewerbeeinheiten im Erdgeschoß. Dies gilt es zu verhindern.

Für qualitatives, wertvolles Wohnen ist es unabdingbar eine kleinteilige Versorgung vor Ort sicherzustellen, die dezentral die Anwohner bedient. Dies war bisher der Fall. Gerade im Rahmen der Neubaukomplexe und der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten ist die dezentrale Versorgung elementar. Die Stadt muss daher diese Umwandlung dringend verhindern.“

Die Kommentare der Lokalpolitiker bei der Tagung des Bezirksausschusses waren eindeutig. „Das ist eine extrem traurige Geschichte“, urteilte Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne). Ihr Parteikollege Andreas Baier wetterte: „Einer Sauerei“. Finkenzeller nannte es „eine soziale Unverschämtheit“. Und: „Wir können zwar dagegen nichts machen, wir müssen aber politisch gegen die Veränderung vorgehen“. Wolfgang Helbig (SPD) pflichtete bei: „Wir müssen um den Erhalt kämpfen.“

Eine Geschäftsfrau, die seit 25 Jahren vor Ort tätig ist, zu den Vorgängen: „Uns allen wurde gekündigt und erklärt, wer dagegen Widerspruch einlegt, hat keine Chance für einen neuen Vertrag. Ohne Widerspruch könnten wir in vier Monaten wieder einziehen – für eine doppelt so hohe, ja fast dreifache so hohe Miete.“

Die Idee von Andreas Nagel (DaCG), Pilz-Strasser solle beim neuen Eigentümer und der Stadt persönlich intervenieren, fand keine Zustimmung im Plenum. „Den Auftrag würde ich nicht annehmen. Ich habe keine Lust, als Bittstellerin aufzutreten, wir können nämlich inhaltlich nichts ändern, lediglich Stellung beziehen“, erklärte die Vorsitzende.

Auch ein Vorstoß der SPD im Stadtteilgremium wurde „en bloc“ mit dem CSU-Antrag gebilligt: „Rettung der Karateschule Budokan für etwa 160 Kinder und Jugendliche.“ Die Stadt wird gebeten, Ausweichräume zu Verfügung zu stellen – „wenigstens für eine Übergangszeit spätestens ab 01.04.2017 in einer Schulsport­halle.“

Ein Bürger in einer Mail an die Stadtteilvertreter: „Bitte lassen Sie nicht zu, das unsere komplette Infrastruktur durch Spekulanten zerstört wird, bitte verhindern Sie die Zerstörung unserer Wohngegend“.