03. Dezember 2016

Vertraulich und zur Verschwiegenheit verpflichtet waren einige Mitglieder des Bezirksausschusses Anfang August von Stadtbaurätin Elisabeth Merk über die Pläne zur Siedlungsentwicklung (SEM) im Nordosten jenseits der S-Bahnlinie unterrichtet worden, ehe die betroffenen kommunalen Gremien offiziell informiert wurden. Vorab war aber in Tageszeitungen über die Modelle berichtet worden. Das hatte im Bogenhauser Kommunalparlament Zoff ausgelöst, die Lokalpolitiker waren sauer, ja richtig verärgert. Die CSU-Fraktion hatte Aufklärung verlangt. Merk bezog jetzt Stellung.

CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller hatte seinerzeit wegen der bekannt gewordenen Pla­nungen erklärt: „Ohne den Bezirksausschuss zu unterrichten – das ist eine Frechheit. Das geht so nicht. So lassen wir nicht mit uns umgehen. Das ist auch kein Umgang mit den betroffenen Grund­stückseigentümern.“ Und: „Merk informiert – sie informiert unvollständig!“

Per Antrag hatte der Bezirksausschuss „die Stadt und insbesondere die Stadtbaurätin Prof. Dr. Merk“ auf gefordert,

  • umgehend darzulegen, aus welchen Gründen bereits vor der ordentlichen Beteiligung der kommu­nalen Gremien und der Eigentümer diese Unterlagen an die Öffentlichkeit geraten sind, und
  • darzustellen, wie die Eigentümer zukünftig beteiligt werden sollen. Den betroffenen Eigentümern sollen zuerst die Planungen vorgelegt werden und danach der Öffentlichkeit.

Und: die Aussage der Stadtbaurätin, „Reihenhäuser wird es im Rahmen der städtebaulichen Ent­wicklung nicht geben, ist inakzeptabel. Eine offene, sachgerechte Abwägung schneidet die Stadt­baurätin damit von Anfang an ab.“ Merk wurde aufgefordert, umgehend diese Aussage zurück­zunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass auch die zukünftigen Planungen unter anderen den Reihenhäusern eine Möglichkeit als Entwicklungsziel geben.“

In einem Brief an das Kommunalparlament erklärte sich nun Merk. „Bei der Entwicklung des Mün­chner Nordostens hat die Zusammenarbeit mit den Bezirksauschüssen für das Referat immer oberste Priorität.“ Dieser Satz ließ die Lokalpolitiker aufhorchen.

Das größte Bauvorhaben Münchens, die „Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) im Nordosten – eingerahmt von der Trasse der S8, von den Grenzen zu Unterföhring und Aschheim sowie dem Lebermoosweg (ehemalige Gütergleis-Trasse) und der Riemer Straße. Es ist die (Wohn)-Zukunft der Stadt frühestens ab 2030, wenn etwa 150 000 Menschen mehr in der Metropole leben werden.   Karte: Planungsreferat
Das größte Bauvorhaben Münchens, die „Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) im Nordosten – eingerahmt von der Trasse der S8, von den Grenzen zu Unterföhring und Aschheim sowie dem Lebermoosweg (ehemalige Gütergleis-Trasse) und der Riemer Straße. Es ist die (Wohn)-Zukunft der Stadt frühestens ab 2030, wenn etwa 150 000 Menschen mehr in der Metropole leben werden. Karte: Planungsreferat

Weiter führte die Stadtbaurätin aus: „Wir haben im Nordosten die besondere Situation, dass die eigentliche Öffentlichkeitsarbeit zwar erst nach Anhörung des Bezirksausschusses und des Stadt­ratbeschlusses erfolgen kann, eine vorherige Presseberichterstattung aber meines Erachtens nicht zu verhindern ist.

Da eine unvollständige oder gar fehlerhafte Berichterstattung für das weitere Verfahren kontraproduktiv wäre, sollte die Presse im Rahmen eines Pressehintergrundgesprächs mit den für eine ausgewogene Berichterstattung notwendigen Informationen versorgt werden.“

Und: „In keinster Weise war damit aber eine Bevorzugung der Presse vor den Bezirksausschüssen beabsichtigt. Insbesondere hat das Referat keinerlei Unterlagen an die Presse weitergegeben. Woher oder von wem die in einem Presseartikel dargestellten Graphiken stammen, entzieht sich meiner Kenntnis.“

Zu den Reihenhäusern meint Merk: „Ihre Kritik an meiner in der Presse aufgegriffenen Aussage, Reihenhäuser werde es nicht geben können, muss ich zurückweisen. Wir werden auch weiterhin für die Realisierung eines breiten bezahlbaren Wohnungsangebots und einer nachhaltigen Flächen­inanspruchnahme sorgen. Dies wird uns eine aufgelockerte Bebauung mit geringer Dichte kaum erlauben. Dies schließt aber eine Bebauung mit gemäßigter Dichte, insbesondere in den Über­gangsbereichen zwischen Bestand und Neubauflächen, selbstverständlich nicht aus.“

Offensichtlich hat sich Frau Merk verstrickt. Für die Planungen des neuen Stadtteils ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung zuständig und verantwortlich. Wenn die Darstellungen weder von ihr noch von der Behörde stammen – von wem dann? Kaum anzunehmen, dass eine Tageszeitung unter den drei Varianten aus Jux und Tollerei angibt „Quelle: Planungsreferat“.

Und die Angabe „Bebauung mit gemäßigter Dichte“ lässt sich nicht konkret erfassen, ist dehnbar wie ein Kaugummi. Das beweist nämlich die vergangene Entwicklung.

Vor Jahren waren von der Stadt 10 000 künftige Bewohner genannt worden, nunmehr könnten auf dem knapp 600 Hektar großen Areal – eingerahmt von der Trasse der S8 zwischen Daglfing und Johanneskirchen, von den Grenzen zu den Gemeinden Unterföhring und Aschheim sowie dem Lebermoosweg (ehemalige Gütergleis-Trasse) und der Riemer Straße – frühestens ab dem Jahr 2030, wahrscheinlicher ist das Jahr 2035, etwa 15 000 bis zu maximal 18 000 Wohnungen gebaut werden.

Felder, Wiesen Wege – quasi Landschaft pur – prägen das Gebiet entlang zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen.    Foto: Planungsreferat
Felder, Wiesen Wege – quasi Landschaft pur – prägen das Gebiet entlang zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen. Foto: Planungsreferat

Das bedeutet nichts weniger als eine sehr dichte Bebauung für mindestens 30 000, möglicherweise sogar rund 36 000 Menschen. Letztere Zahl würde in etwa erreicht, wenn man die Galopprennbahn in Riem wie auch die Trabrennbahn Daglfing auflöst, wogegen sich die Lokalpolitiker schon lange vehement wehren. Zudem kursiert die unglaubliche Zahl 12 000 Arbeitsplätzen. Einst waren 2000 Arbeitsplätze im Gespräch.

„31 500 Einwohner sind laut Gutachten zur Langfristigen Siedlungsentwicklung (LaSie) vorgese­hen.“ So äußerte sich im Juli 2014 bei einer Informationsrunde eine Bürgerin. Merk hatte seinerzeit der Frau geantwortet:

„Die Zahl zeigt theoretisch mögliche Szenarien auf.“ Es liegt also auf der Hand: Die Theorie nimmt Form an.