24. April 2017

Entlang der Eggenfeldener Straße in Zamdorf plant die Stadt ein neues Quartier mit einem im Eckbereich stehenden, maximal 60 Meter in den Himmel ragenden Hochhaus und insgesamt rund 380 Wohnungen samt Tiefgaragen. Das knapp sechs Hektar große Areal wird durch die Töginger Straße, also die Passauer Autobahn A94, durch die Hultschiner Straße, wo der 99 Meter hohe Wolkenkratzer des Süddeutschen Verlags steht, und durch die Eggenfeldener Straße begrenzt. Im Osten befindet sich ein gewerblich genutztes Privatgrundstück.

Unter Auflagen stimmten die Mitglieder des Stadtteilgremiums dem Vorhaben zu: „.Der Bezirksaus­schuss sieht eine Beschränkung auf rund 52 000 Quadratmeter Geschossfläche für zwingend gebo­ten. Eine sich auf Grund anderer Strukturen eventuell ergebende Erhöhung lehnt der Bezirksaus­schuss ab. Des Weiteren sind dem Bezirksausschuss die nachbarschaftlichen Auswirkungen insbesondere mögliche Verschattungen der vorhandenen Wohnbebauung an der Eggenfeldener Straße darzustellen. Dies ist bereits im Wettbewerbsverfahren zu klären.“ Grundlage für das Projekt ist eine Änderung des Flächennutzungsplans.

Die laut Planungsreferat vermutlich mit Altlasten gespickte Fläche – seit Mai 2000 als Gewerbege­biet ausgewiesen, aber wehen mangelnder Nachfrage überwiegend landwirtschaftlich genutzt – gehört zum größten Teil der Firma Doblinger Projektentwicklung GmbH. Kleinere Grundstücke sind im Besitz einer Privatperson und der Stadt München. Einst war überlegt worden, auf dem Gelände ein Wohnhaus für Senioren zu erstellen.

Mit einem städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb wird geklärt, wie alles einmal ausschauen soll. Laut der Behörde werden auch „notwendige soziale Einrichtungen sowie Grün- und Freiflächen entwickelt.“ Die richtige Lösung zu finden – das ist auf jeden Fall für Planer und Architekten eine anspruchsvolle Aufgabe.

Sebastian Kuhlen, im Doblinger-Konzern Leiter Projektentwicklung, erläuterte im Untergremium Planung des Kommunalparlaments: „Wir haben vor einiger Zeit das Grundstück erworben und uns mit Verantwortlichen der Stadt über eine Wohnbebauung beraten, nachdem sich dort eine Gewer­beansiedlung als schwierig erwiesen hat. „Wir rechnen mit einer Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren. Der Baubeginn könnte also 2020 erfolgen, auf keinen Fall aber vorher. Die Lärmbelastung in den Griff zu bekommen, das ist wohl der schwierigste Punkt.“

Jetzt befindet sich auf dem Gelände im westlichen Bereich ein zweistöckiges, gewerblich genutztes Gebäude. Im Osten steht eine eingeschossige Lagerhalle samt Lagerplatz. Der Rest der Fläche ist unbebaut, wird landwirtschaftlich genutzt.

In der östlichen Umgebung ist laut städtischer Bestandsanalyse „ein überwiegend dreigeschossi­ges Hotel mit Flachdach“. Jenseits der Eggenfeldener Straße gibt’s ein Wohngebiet mit zweigeschossigen Ein- und Mehrfamilienhäusern, eine Kleingartenanlage sowie das Vereinsport­gelände „Freier Wassersport München e.V.“. Weiter östlich schließt sich der Zamilapark mit zwei- bis viergeschossigen Wohnhäusern an.

Auf dem Areal zwischen Eggenfeldener-, Hultschiner- und Töginger Straße, der Passauer Autobahn, plant die Stadt mit einem Wettbewerb ein Quartier mit 380 Wohnungen.     Karte: Stadt München/Kartendaten: OpenStreetMap
Auf dem Areal zwischen Eggenfeldener-, Hultschiner- und Töginger Straße, der Passauer Autobahn, plant die Stadt mit einem Wettbewerb ein Quartier mit 380 Wohnungen. Karte: Stadt München/Kartendaten: OpenStreetMap

Der Bereich westlich der Hultschiner Straße „ist nur locker bebaut mit Gewerbe- und Wohnnutzung sowie einer landwirtschaftlichen Hofstelle. An der Ecke der Eggenfeldener-/Friedrich-Eckart-Straße befindet sich eine Brachfläche, die ehemals gewerblich genutzt wurde.

Westlich besteht ein zwei­geschossiger Reifenhandel. Südlich der A94 liegt das Gewerbegebiet Zamdorfer-/Truderinger Stra­ße mit Lagerhallen und Bürogebäuden. Das Hochhaus des Süddeutschen Verlags mit 28 Etagen markiert hier die östliche Stadteinfahrt. Circa 700 Meter nördlich verläuft der Denninger Anger.

Verkehrlich ist das Planungsgebiet laut Referat „sehr gut in das überregionale Straßennetz einge­bunden“ durch die Autobahnausfahrten Zamdorf (rund 350 Meter entfernt) und Steinhausen (rund 750 Meter entfernt). Die Eggenfeldener Straße – über sie erfolgt „vorrangig die Erschließung“ – weist derzeit laut Untersuchungen „eine Verkehrsbelastung von etwa 10 000 Kfz/24 h auf, die Hultschiner Straße von circa 16 000 Kfz/24 h. Der Schwerverkehrsanteil beträgt 5,5 Prozent beziehungsweise 3,8 bis fünf Prozent.

Zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) heißt es: Der S-Bahn-Haltepunkt Berg am Laim ist 750 Meter entfernt, zur Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 25, die das Gebiet über den Max-Weber-Platz mit der Stadtmitte verbindet, sind es rund 650 Meter. „

Zu Radwege- und Fußwegeverbindungen wird angeführt: Die vorhandene Radinfrastruktur weist derzeit noch Mängel auf. So endet der Radweg auf der Nordseite der Eggenfeldener Straße bereits deutlich vor dem Knotenpunkt mit der Hultschiner Straße. Auf der Südseite fehlt im relevanten Abschnitt ein Fuß und Radweg vollständig.“

Erster Knackpunkt der beabsichtigten Bebauung ist die Lärmbelastung. Das Quartier entsteht entlang der Autobahn mit einem Mindestabstand von 40 Metern. Südlich grenzt das Gewerbegebiet Zamdorf an. Laut Referatsvorlage ist „im gesamten Plangebiet von einer erheblichen Überschrei­tung der städtebaulichen Orientierungswerte für allgemeine Wohngebiete auszugehen. Der Verkehrslärm erreicht gesundheitsgefährdende Belastungen.“ Hinzu kommen „Geräusche“ aus dem Gewerbegebiet. Zum Schutz ist entlang der Töginger Straße ein „zehn Meter hoher angebüschter Wall mit Wänden“, so Kuhlen vorgesehen.

Der zweite Knackpunkt sind die so genannten Altlasten. Gemäß Planungsreferat wurden die Grundstücke nach dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich landwirtschaftlich bzw. gartenbaulich ge­nutzt. Zudem hatte Kiesabbau stattgefunden. Die ausgebeuteten Gruben wurden mit „Auffüllungen unbekannter Herkunft und Beschaffenheit verfüllt, ein Schottplatz/Autoverwertungsbetrieb und eine Tankstelle mit Werkstatt“ erstellt. „An einigen Stellen im Ostteil muss damit gerechnet werden, dass auch außerhalb der Baugrube Bodenaustauschmaßnahmen erfolgen müssen.“ Es seinen „keine beherrschbaren Altlasten zu erwarten, eine Wohnbebauung sei möglich und technischen realisier­bar.“

Ob Blindgänger im Erdreich stecken – im Krieg wurden der Rangierbahnhof Berg am Laim wie auch die Eisenbahnstrecke nach Rosenheim bombardiert – muss und wird sich zeigen. Einen zweiten Fall Freimann wird es wohl nicht geben, da eben noch keine Gebäude stehen.

Im östlichen und mittleren Teil des Planungsgebiets soll Allgemeines Wohnen (WA), im westlichen Teil ein Kerngebiet (MK) entwickelt werden. Es sollen innerhalb der Wohnbereiche unterschiedliche Wohnformen sowie Wohnraum in vielfältiger Form – zum Beispiel für Studierende, Auszubildende und Personal in Mangelberufen mit besonderem Wohnbedarf – geschaffen werden.

Nach Voruntersuchungen könnte eine Geschossfläche von rund 52 000 Quadratmeter „städtebau­lich qualitätsvoll und verträglich realisiert werden.“ Angedacht ist eine „kompakte und effiziente Struktur mit einer vier- bis fünfgeschossigen hofbildender Bebauung.“ Im Allgemeinen Wohngebiet könnten demnach etwa 315 Einheiten mit rund 32 000 Quadratmeter Fläche entstehen. Dazu kommen ein Haus mit drei Krippen- und drei Kindergartengruppen. Die „als gegenwärtig gesichert beurteilte Grundschulversorgung“ soll über die Sprengelschule Fritz-Lutz-Straße erfolgen. Und „mittel- bis längerfristig wird der Sprengel durch geplante Grundschulneubauten im Baugebiet Nordosten entlastet. Das ist insoweit verwunderlich, weil es dafür überhaupt noch keine Pläne gibt.

Im Kerngebiet sind 20 000 Quadratmeter Geschossfläche vorgesehen, davon etwa 2000 Quadrat­meter für Einzelhandel, 12 000 Quadratmeter  für Büros und Dienstleistungen sowie „mindestens 6000 Quadratmeter für Wohnflächen“, was etwa 65 Wohneinheiten entspricht.

Nach Angaben von Kuhlen wird „nicht im Luxussegment gebaut, es wird keine Eigentums- sondern ausschließlich Mietwohnungen geben. Das Hochhaus, das bislang lediglich eine >Untersuchung,< ist, ist wegen des nach oben abweichenden Lärms nicht für Wohnungen geeignet. Da kämen dann Büros rein.“ Auf Nachfrage von CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller versicherte der Doblin­ger-Manager: „Es werden auf jeden Fall Schallschutzfenster eingebaut.“ Und: „Das Hochhaus fügt sich harmonisch in die gegenüberliegende Bebauung ein.“

„Im Konzept der Stadt steckt ein Satz, der harmlos klingt, aber Anlass für Nervosität ist. Ich habe nämlich in 30 Jahren politischer Arbeit vieles erlebt“, erklärte bei der Beratung Robert Brannekäm­per, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter. Unter Art und Maß der baulichen Nutzung heißt es nämlich: „Im Rahmen des Wettbewerbsverfahrens sind auch andere Strukturen vorstellbar, und damit kann  sich auch die Geschossfläche ändern.“ Die Bedenken sowie die Auswirkungen auf Nachbarn – Frage einer Anwohnerin: „Haben wir dann keine Sonne mehr?“ – wurden in dem einstimmig gefassten Beschluss berücksichtigt. Inzwischen läuft unter Anliegern eine Unterschriftenaktion gegen das geplante Hochhaus.

Brannekämper hatte zuvor bei der Erörterung im Kommunalparlament erklärt: „Ich sehe das Projekt nicht ganz unkritisch. 52 000 Quadratmeter Geschossfläche sind schon eine Hausnummer. Es ist eh schon rundum alles zu dicht, es wird immer wieder eins draufgepackt. Das geht nicht!“