8. August 2017

Tamtam der Stadt München, ja eine Posse – ausgeführt durch das Kreisverwaltungsreferat (KVR) – um eine Plakataktion der CSU zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten, wo jenseits der Flughafen-S-Bahnlinie auf rund 600 Hektar Wohnraum für mehr als 30 000 Men­schen und mehr als 10 000 Arbeitsplätze entstehen sollen. „Kein neuer Stadtteil aus Plattenbauten! Diskutieren Sie mit beim Bürgerworkshop am Samstag, 11. 03. 2017“, hieß es auf den Postern.

Diese Werbung für das vom Planungsreferat veranstaltete Treffen missfiel, wurde angezeigt. Mit der Folge eines Bußgeldverfahrens – maximal 50 000 Euro sind möglich – gegen den auf dem Plakat als Verantwortlichen genannten Robert Bran­nekämper, CSU-Kreisvorsitzender, Landtagsabgeordneter und Vize-Chef des Bezirksausschusses Bogenhausen. Der wehrt sich vehement: „Es geht ums Prinzip, nicht ums Geld.“ Xaver Finkenzeller, Stellvertretender Vorsitzender im Kreisverband und CSU-Fraktionssprecher im Kommunalparla­ment, von Beruf Rechtsanwalt: „Wir werden gegen den Bescheid vorgehen, wenn notwendig bis zum Verwaltungsgericht.“

Die entscheidende Frage zur Sache: Handelt es sich bei dem Bürgerworkshop – gemäß dem Behörden-Flyer mit mehreren Terminen war eine Anmeldung per Mail oder telefonisch erbeten worden – nun um eine politische oder informelle Veranstaltung?

„Drei Varianten, viele Möglichkeiten. Öffentlichkeitsphase zur Stadtentwicklung im Nordosten“ heißt es vielsagend in der Überschrift des Faltblatts. Und: „Last uns reden! Endlich ist es soweit: Die ersten Ergebnisse der Planungen für den Nordosten liegen vor. Drei Raumbilder … warten auf Ihr Urteil. Jetzt geht es ums Ganze: Bevor ein sogenanntes integriertes Strukturkonzept entsteht, sind Sie eingeladen, sich an der Suche nach der besten Lösung zu beteiligen. Was ist Ihnen wichtig? Wir wollen wissen … Wir freuen uns auf Ihre Argumente, Anregungen und Ideen zur Stadt­entwicklung!“

Die eindeutige Schlussfolgerung aus diesen Angaben: Der Bürgerworkshop war keine pure, keine einseitige Informationsrunde. Beteiligung von allen Bürgern, ob sie nun (lokal-)politisch passiv oder aktiv sind, war erwünscht worden.

Robert Brannekämper (re., CSU-Kreisvorsitzender, Landtagsabgeordneter und Vize-Chef des Bezirksausschusses Bogenhausen) und Rechtsanwalt Xaver Finkenzeller (Stellvertretender Vorsitzender im Kreisverband und CSU-Fraktionssprecher im Kommunalparlament) zeigen vor dem Rathaus am Marienplatz das verkleinerte Plakat, wegen dessen Aushängung das Kreisverwaltungs¬referat ein Bußgeldverfahren gegen Brannekämper eingeleitet hat.   Foto: hgb
Robert Brannekämper (re., CSU-Kreisvorsitzender, Landtagsabgeordneter und Vize-Chef des Bezirksausschusses Bogenhausen) und Rechtsanwalt Xaver Finkenzeller (Stellvertretender Vorsitzender im Kreisverband und CSU-Fraktionssprecher im Kommunalparlament) zeigen vor dem Rathaus am Marienplatz das verkleinerte Plakat, wegen dessen Aushängung das Kreisverwaltungs¬referat ein Bußgeldverfahren gegen Brannekämper eingeleitet hat. Foto: hgb

Finkenzeller stellt klar: „Rechtlich sind die Ansätze der Landeshauptstadt nicht überzeugend. § 2 Abs. 2 der Plakatierungsverordnung erlaubt es den politischen Parteien bis zu sechs Wochen vor einer politischen Veranstaltung Plakate aufzustellen.

Dass die Stadt nun in der Veranstaltung vom März keine politische Veranstaltung sondern eine rein informatorische Veranstaltung sehen will, ist eine Farce.“

Der Anwalt weiter: „Politische Veranstaltungen sind dabei jene Veranstaltungen, die eine Einfluss­nahme und Gestaltung von Forderungen und Zielen im privaten oder öffentlichen Bereich zur Folge haben. Genau darum ging es auch im Rahmen des Bürgerworkshops. Es war Sinn und Zweck, die Ideen der Bürger aufzunehmen, diese gemeinsam zu erörtern und sodann in eine Stadtratsvorlage aufzunehmen.“

 

Zur Bekräftigung dieses Kerns heißt es in einer Pressemitteilung der Partei: „Bereits 1998 warb die CSU im Nordosten für eine Veranstaltung der Stadt. Das war juristisch nicht zu beanstanden, da es rechtlich einwandfrei ist, auch als Nichtveranstalter zu einer Veranstaltung einzuladen. Daher wird es sich die CSU nicht nehmen lassen, auch in Zukunft auf die eine oder andere Veranstaltung der Stadt auch mit Plakaten hinzuweisen.“

Der Ablauf zur Plakataktion: Mit Brief, datiert vom 28.03.17, antwortete ein KVR-Hauptabteilungs­leiter an „CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Herrn Robert Brannekämper, …“ unter „Vollzug des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG), unter anderem:

„Am 10.03.17 erreichte uns der von Ihnen unterschriebene Antrag der CSU zum Aufstellen von Plakatständern für die Veranstaltung am 11.03.17, in der Sie als für die Aufstellung verantwortliche Person angegeben sind. Eine Erlaubnis konnte aufgrund der kurzen Zeit (Antragseingang am Tag vor der Veranstaltung) nicht erteilt werden. Am 16.03.17 erhielt das KVR den Hinweis, dass die CSU die nicht genehmigte Plakatierung vorgenommen hat. Da es sich, wie wir inzwischen festgestellt haben, bei der  Veranstaltung am 11.03.17 um eine reine Veranstaltung der Stadt, Referat für Stadtplanung, handelte, wäre der Antrag ohnehin nicht genehmigungsfähig gewesen. Veranstaltungen einzelner Referate sind keine politischen Veranstaltungen, sondern neutrale, fachbezogene Veranstaltungen. Aus Ihrem Antrag war dies nicht ersichtlich. Die Plakatierung war daher gemäß § 2 Abs. 2 der Plakatierungsverordnung nicht zulässig.“

Kurzum: Brannekämper habe „ordnungswidrig gehandelt“.

Wäre besagter Hauptabteilungsleiter am 11. März beim Workshop dabei gewesen, hätte er erfas­sen können, dass neutral und fachbezogen nicht der Fall, die Veranstaltung vielmehr eine politische war.

Gleichwohl I.: der „Fall“ war im KVR bürokratisch erfasst – und damit ging’s weiter. „Bußgeldver­fahren gegen Herrn Brannekämper, Robert – Tatvorwurf: Verstoß gegen die Plakatierungsverord­nung sowie das Bayerische Straßen- und Wegegesetz.“ So lautet der Betreff der KVR-Antwort vom 23. Juni auf eine Stellungnahme vom 18. April der von Brannekämper beauftragten Rechtsan­waltskanzlei Schönfelder und Kollegen, in der Finkenzeller tätig ist. Da heißt es: „Im Anhörungs­schreiben wird darauf hingewiesen, dass der Betroffene in jedem Fall verpflichtet ist, die Personalien anzugeben. Da dies bisher nicht erfolgt ist, wird gebeten, die vollständigen Personalien des Herrn Brannekämper mitzuteilen.“

Gleichwohl II.: Die Personalien sind dem KVR bekannt – vom Vermerk V. i. S. d. P. (Verantwortlich im Sinne der Presse) auf den Plakaten, von der Anmeldung, vom Schriftverkehr, von Brannekäm­pers vormaliger Funktion als Stadtrat. Die Behörde will aber ihr Formblatt ausgefüllt und unter­schrieben zurück, es muss zum Aktenzeichen passen. Dabei haben die Rubriken „Telefonisch tags­über zu erreichen unter Nr.“ und „Angaben zum Einkommen“ ein hoch gesetztes Sternchen. * be­deutet: „freiwillige Angaben“.

Auslöser einer Posse: Das CSU-Plakat, mit dem die Bogenhauser auf den Bürgerworkshop zur Städtebaulichen Entwicklung im Nordosten aufmerksam gemacht und eingeladen worden waren.
Auslöser einer Posse: Das CSU-Plakat, mit dem die Bogenhauser auf den Bürgerworkshop zur Städtebaulichen Entwicklung im Nordosten aufmerksam gemacht und eingeladen worden waren.

KVR-Text vom 24. Juli: „Die Rechtsanwaltskanzlei hat auf dieses Schreiben (Anm. d. Red.: vom 23. Juni) nicht reagiert. Sie sind gemäß § 111 Abs. 1 OWiG hierzu (Anm. d. Red.: persönliche Daten) verpflichtet“.

Der Brief hat drei Betreffs – „Verstoß: Sondernutzungsrechtlicher Auflagenverstoß (Wahlplakatierung); Tatzeit: 11.03.2017; Tatort: München, verschiedene Orte.“ Liest sich wie der Einstieg in einen Krimi.

Ob des Ganzen ist der Landtagsabgeordnete verärgert: „Wenn die CSU im Nordosten der Stadt zur Mobilisierung der Bevölkerung – wir müssen die Menschen doch mitnehmen! – einmal mit einer Plakataktion unter die Arme greift, ist das den Verantwortlichen bei der Stadt auch wieder nicht recht. Stattdessen wurde unsere Hilfe mit einem Bußgeldverfahren >belohnt<. Sicher, das Plakat spitzt zu, aber die Bogenhauser sind so aufmerksam geworden, sind damals zahlreich zu dem Workshop gekommen, haben aktiv Einfluss genommen. Bis dahin lief die Bürgerbeteiligung nämlich nicht gut. Also ganz klar eine politische, keine informelle Veranstaltung.“

 

Und weiter: „Ich hätte erwartet, dass das KVR die Anzeige, vermutlich kommt sie aus dem ersten Stock im Rathaus, zur Kenntnis nimmt und dann einfach ablegt. Mit der Anzeige zeigen diese Leute, dass ihnen nicht an einer Beteiligung der Bürger gelegen ist. Die schönsten Worte sind nur leere Phrasen um eine Beteiligung vorzugaukeln, die so dann doch nicht gewünscht ist.“

Brannekämpers knappes Urteil zu den Vorgängen: „Kleinkariert!“