4. August 2017

„Uns ist unbegreiflich, warum die Politik ihre Planungshoheit so leichtfertig aus den Händen gibt. Das Gewerbegebiet Am Hüllgraben wurde ausgewiesen zur Ansiedlung von Handwerksbetrieben und für Unternehmen des Mittelstands. Diese Zielvorgabe wurde konterkariert.“ Wegen des Ama­zon-Logistikzentrum-Neubaus hat Sebastian Riesch, Vorsitzender der „Bürgerinitiative lebenswer­tes Daglfing“, einen geharnischten Protestbrief an SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter geschrie­ben.

Die Hintergründe zum Komplex Am Hüllgraben: Das Areal ist mehr als 15 Hektar groß; etwa ein Drittel wurde von der Stadt als Gewerbegebiet ausgewiesen. Gegen den Bebauungsplan hatte der Bezirksausschuss Bogenhausen vor fünf Jahren vehement protestiert – vergeblich. Auf dem Gelände sollten Firmen aus Pasing Platz finden, die dort für Wohnungsbauten weichen mussten. Also Handwerksbetriebe und Mittelständler. Doch das Konzept ging nicht auf. In Folge genehmigte das Planungsreferat die Logistikhalle an der Grasbrunner Straße – zweistöckig, etwa 15 000 Quadratmeter Nutzfläche, elf Laderampen, Verkehrsaufkommen laut der Behörde „1850 Fahrzeu­ge pro 24 Stunden“.

Die „Art der baulichen Nutzung“ ist denn auch das Hauptargument von Riesch. Darin heißt es: „Die Baugebiete werden dem klassisch produzierenden bzw. verarbeitenden Gewerbe für gewerbliche und industrielle Nutzung vorgehalten … Die Zielgruppen sind verarbeitende Betriebe, Handwerks­betriebe, Bauhaupt- bzw. Baunebengewerbe.“

Das Amazon-Logistikzentrum mit den kennzeichnenden gelben Streifen an den Hallendachrändern an der Grasbrunner Straße im Gewerbegebiet Am Hüllgraben in Daglfing. Im Hintergrund die Eisbach-Filmstudios.        Foto: hgb
Das Amazon-Logistikzentrum mit den kennzeichnenden gelben Streifen an den Hallendachrändern an der Grasbrunner Straße im Gewerbegebiet Am Hüllgraben in Daglfing. Im Hintergrund die Eisbach-Filmstudios. Foto: hgb

In dem Schreiben wird angeführt: „Diese Zielvorgabe wurde durch den beschlossenen Bebauungs­plan konterkariert. Zur Sicherung der Planungsziele hätte man eine kleinteilige Begrenzung der Bauflächen vornehmen müssen.

Und nicht wie erfolgt, die Festsetzung der Baugrenze über das gesamte Gebiet.

Übergroße Gebäude, wie die Logistikhalle für Amazon, die sich über die Fläche von drei im Bebauungsplan vorgeschlagenen Baukörper erstrecken, wären dann nicht genehmi­gungsfähig gewesen.“

Riesch ist enttäuscht und sauer: „Diese Chance hat man vertan. So wurde im Genehmigungsver­fahren genau das Gegenteil dessen erreicht, was beabsichtigt war. Und zwar mit der Folge, dass unerwünschten Entwicklungen Tür und Tor geöffnet wird. Der Online-Supermarkt des Großkon­zerns Amazon gefährdet das Potenzial der seit über 100 Jahren existierenden kleinteiligen Versor­gungsstruktur des Lebensmittelhandels.“