6. November 2017

Der Kohle-Kampf vor der Haustür von Bogenhausen ist – zumindest aus Bürgersicht – klar ent­schieden: Die Mehrheit der Münchner stimmte am Sonntag dafür, dass der Block 2 (Steinkohle­) des Heizkraftwerks Nord bis spätestens 31.12.2022 stillgelegt wird. Punkt 19.20 Uhr waren 369 der 392 Gebiete ausgezählt. Mit 111 079 Ja-Stimmen war zu diesem Zeitpunkt das Quorum – zehn Prozent der Wahlberechtigten – erreicht worden. Das Endergebnis: 118 513 Ja-Stimmen (60,2 Prozent) für den schnellen Ausstieg, 78 218 Nein-Stimmen (39,8 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei rund 18 Prozent.

Die Ergebnisse aus Bogenhausen (die Ergebnisse der anderen Stadtbezirke finden Sie unter wahlamt-muenchen.de): 8188 Ja-Stimmen (60,8 Prozent), 5285 Nein-Stimmen (39,2 Prozent); 14 Stimmen waren ungültig. Bemerkenswert: Die Steinkohle-Gegner haben sich in allen 25 Stadtbezir­ken durchgesetzt. Im „Achter“, der Schwanthaler Höhe, votierten mit 70,9 Prozent die meisten Bürger mit Ja.

Die Münchner haben ein klares Zeichen gesetzt, das positive Votum setzt die Politik unter Druck, bald zu handeln. Gleichwohl wird sich vermutlich nun die Bundesnetzagentur einschalten. Es wird in München mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Versorgungsnotstand kom­men; aber Aufgabe der Behörde ist es, dass bundesweit die Versorgung gewährleistet ist. Ein Veto gegen die vorzeitige Stilllegung des HKW Nord ist daher möglich

Das Heizkraftwerk (HKW) Nord, das am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Unter­föhringer Flur (Landkreis München) liegt, besteht aus drei Blöcken, die von den Stadtwerken München (SWM) in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden. Dabei wird neben Elektrizität auch Fernwärme zur Versorgung von etwa 150 000 Haushalten produziert. In den Böcken I und III wird seit 1992 bzw. seit 1983 Restmüll verbrannt – jährlich mehr als 700 000 Tonnen.

Der Block II, der seit 1991 am Netz hängt, wird pro Jahr mit rund 800 000 Tonnen Steinkohle – über wiegend in den USA, Tschechien und Russland gefördert, täglich von zwei bis drei Güterzügen geliefert – befeuert. Diese irre Menge Brennstoff umgerechnet anders dargestellt: 2400 Tonnen Kohle am Tag oder 100 Tonnen Kohle pro Stunde werden benötigt.

Standpunkt Effnerstraße: Das Heizkraftwerk (HKW) Nord, am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring gelegen, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens. Foto: hgb
Standpunkt Effnerstraße: Das Heizkraftwerk (HKW) Nord, am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring gelegen, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens. Foto: hgb

Wie vermeintlich modern und aufwändig die Reinigung, das Filtern der Abgase aus den drei, 130 Meter hohen Schornsteinen im Kraftwerk auch ist oder sein mag: Das HKW Nord ist, wie es ein Bogenhauser Lokalpolitiker unlängst drastisch formuliert hat, „Münchens größte Dreckschleu­der“.

Tatsächlich verschmutzt das HKW die Luft mehr als der gesamte Münchner Straßenverkehr – die CO2-Emissionen betragen jeweils mindestens 1,7 Millionen Tonnen. Pro Jahr, wohlgemerkt! Dazu kommen >nebenbei< noch jährliche hochgiftige Quecksilber-Emissionen von rund 70 Kilogramm.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens führen an, dass die SWM das „HKW noch bis 2035 mit Stein­kohle betreiben wollen“. Ein Kohleausstieg sei laut SWM-Gutachten aus dem Jahr 2016 „technisch umsetzbar, der Ausstieg 2022 ist also möglich und notwendig“. Die Versorgungssicherheit sei sogar bei einem Ausstieg ab 2020 sichergestellt. Und die Schäden, die die Emissionen des Kraftwerks anrichten, „sind nach Zahlen des Umweltbundesamts achtmal höher als die Investitionen in den schnellstmöglichen Ausstieg“.

Der Stadtrat „lehnt die kurzfristige Stilllegung des Blocks II im HKW ab“, es sei eines der moderns­ten und emissionsärmsten Kohlekraftwerke Deutschlands, viele Gründe sprächen „gegen eine Abschaltung schon im Jahr 2022.“ Favorisiert wird von der schwarz-roten Rathauskoalition ein Kohlausstieg zwischen 2027 und 2029.

Laut Text einer SWM-Anzeigenkampagne in Tageszeitungen „kostet eine vorzeitige Abschaltung zwischen 140 und 320 Millionen Euro. Geld, das letztlich München fehlt, um etwa den Nahverkehr, Kinderkrippen, Schulen und Altenheime zu finanzieren.“