9. Februar 2018

Die ersten der 145 Mietwohnungen im neuen Wohnquartier an der Ecke Barlow-/Brodersenstraße sind bereits bezogen, die Einheiten im letzten Haus sollen ab April folgen. Zwar hat die Anlage nach wie den Charakter einer Baustelle, die Gebäude wirken indes modern-gefällig mit den orange, grau und grün gestrichenen Wandelementen. Wenn da nicht – noch – der knapp 200 Meter lange, kahle Beton-Lärmschutzwall zum direkt angrenzenden S-Bahnhof Englschalking wäre. Wohlgemerkt noch und kahl!

Die Innenseite „der gewaltigen Mauer“, so Bauherr und Eigentümer Sebastian Höcherl, wird mit einem Rankgerüst versehen und mit teils blühenden Pflanzen begrünt, es entsteht also ein „grüner Innenhof“. Das versicherte uns Höcherl, Geschäftsführer der Baufirma H’ Group, auf Nachfrage. Klar, es wird noch einige Zeit dauern, bis das Grün die Oberkante des etwa 40 Zentimeter dicken und zwölf Meter hohen Blocks mit einigen schmalen Aussparungen für Scheiben erreicht. Aber weitaus besser als Stahlbeton-Charme. Bis Ende Juni ist geplant, die öffentlichen Grünflächen fertig zu gestalten, Anfang Juli dürfte die Baumaßnahme voraussichtlich abgeschlossen sein.

Die kahle, zwölf Meter hohe Lärmschutzmauer entlang den Gebäuden des Wohnquartiers Barlow-/Brodersenstraße werden laut dem Eigentümer begrünt. Foto: hgb

Und die Wandaußenseite zum Bahnhof? Dort wird derzeit eine Dämmung aufgetragen. Danach werden Paneelen – in den Fassadenfarben grau, grün und orange – montiert.

„Diese hoch Schall absorbierenden Aluminiumelemente in Bahnen sind alle zwei Meter schräg gestellt, so dass der (Zug-)Lärm direkt nach oben abweicht und nicht auf die Seite hinter den Bahngleisen reflektiert wird“, erklärt Höcherl.

So sollen die Bewohner entlang des Seidleinwegs und der Plankenhofstraße vom Schall geschützt werden. In der zweiten März-Woche sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein.

Zugesichert wurde einst entlang des Viertels eine (allseits vehement geforderte) Lärmschutzwand aus transparentem Material. Das wurde im Entwurf des Bebauungsplans festgeschrieben. Doch die endgültige Fassung der Vorgaben wurde neu gefasst, nachdem zum 1. Januar 2016 eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes beschlossen wurde, die einen Wegfall des so genannten Schienenbonus beinhaltet. Züge müssen demnach die gleichen Lärmgrenzwerte einhalten wie Autos.

Die Folge der Änderung: Der Schutz musste „hoch absorbierend“ errichtet werden, um Schallreflex­ionen auf gegenüberliegende Gebiete zu vermeiden. Dazu erläuterte das Planungsreferat: „Wegen Rechtssicherheit musste die Festsetzung zur Lärmschutzwand modifiziert werden (Satzungsbe­schluss vom 11. November 2015).

Wohnquartier Barlow-/Brodersenstraße: In den vier L-förmigen Gebäuden mit drei und vier Stock-werken zusätzlich zurückversetzten Terrassenetagen befinden sich 145 Mieteinheiten. Rechts die S-Bahntrasse mit dem Bahnhof Englschalking. Visualisierung: ZH GmbH/H’Group

Es konnte zwar rechnerisch nachgewiesen werden, dass mit schräg gestellten transparenten Lärmschutzwänden die Einhaltung der Grenzwerte erreicht werden können, aber faktisch liegen keine Erfahrungswerte vor.“

Ergo war eine transparente Ausführung der Lärmschutzwand optional möglich.“ Wohlgemerkt möglich, nicht vorgeschrieben. Aus dem >Muss< wurde also ein >Möglich<. Aber schräg gestellt!

Dazu Höcherl, der nach eigenem Bekunden eine senkrechte transparente „Wand“ installieren woll­te: „Für eine Schrägstellung fehlte einfach der nötige Platz. Damit war die Glaswand vom Tisch.“

Nun steht die Chinesische Mauer, wie ein Lokalpolitiker die Lärmschutzwand bezeichnet hat. Und zwar 20 Jahre, geschätzt, mindestens, bis die S-Bahn zum Flughafen in einen Tunnel verlegt sein wird. Bis dahin sind die vier L-förmigen Gebäude mit drei und vier Stockwerken zusätzlich zurück­versetzten Terrassenetagen abgeschirmt vom donnernden Lärm der Güterzüge und der S-Bahnen. Ob aber die Mauer nach dem Tunnelbau zerlegt wird, das steht in den Sternen.

– Titelbild: hgb –