6. Februar 2018

„Bäume verpflanzen statt fällen“ – das hatten die Mitglieder des Bezirksausschusses einstimmig bei der Erweiterung und Sanierung des Klinikums Bogenhausen gefordert. Jetzt haben die Maßnahme vorbereitende Arbeiten begonnen. Am ersten Tag wurden bereits fast 100 Bäume abgesägt. Aber: Auf die Initiative von ÖDP-Lokalpolitikerin Nicola Holtmann hat Pressesprecherin Maike Zander von der Städtischen Klinikum GmbH zugesagt, dass „in Abstimmung mit dem Baureferat/Gartenbau und der Unteren Naturschutzbehörde zehn Großbäume für eine Versetzung ausgesucht worden sind.“ Immerhin – wenn’s auch „ein Tropfen auf den heißen Stein“ ist.

Ab Mitte 2019 starten mit einem Aufwand von 395 Millionen Euro (!) die eigentlichen Bau- und Sanierungsarbeiten – eines der größten Gesundheitsprojekte in Deutschland. Den Antrag des Bogenhauser Kommunalparlaments hatte vor kurzem das Planungsreferat beantwortet. Demnach gehe es aus Kosten- und technischen Gründen nicht, „von den erforderlichen etwa 100 Baumfällun­gen möglichst viele Bäume zu verpflanzen“.

100 Bäume? – erstaunlich: Dem Unterausschuss Stadtgestaltung / Öffentlicher Raum / Ökologie war am 12. Juli 2016 die Zahl 85 als zu fällende Bäume gemeldet worden.

100 Bäume? 85 Bäume – erstaunlich: Sieht man sich vor Ort am Hang entlang des Hubschrauber­landeplatzes östlich des Krankenhauses um, wo im Anschluss der Anbau errichtet wird, müssen wohl weit mehr als 200 stämmige Bäume abgeholzt werden – wohlgemerkt Bäume, keine dürren Bäumchen, keine Sträucher und kein Gestrüpp. Fotos belegen das!

Die Motorsägen heulen auf und kreischen, das Knacken von Holz erschüttert Patienten und Besucher. Der Lärm ist selbst im Arabellapark – Luftlinie etwa 400 Meter entfernt – zu vernehmen.

Die Rodungsarbeiten für den Erweiterungsbau des Klinikums Bogenhausen laufen. Mit schwerem Gerät werden die abgesägten Stämme zum Abtransport an den Wegrand geschafft. Fotos: hgb

Zur „Baufeldfreimachung“ erklärte Zander: „Die Rodungsmaßnahmen gewährleisten, dass Rettungshubschrauber während der Bauzeit uneingeschränkt für die Notfallversorgung verfügbar ist.

Um den Eingriff so gering wie möglich zu gestalten, wurden bereits während der Planung die notwendigen Eingriffe in den umliegenden Baumbestand reduziert. Im Anschluss zur Baumaßnah­me wird das Klinikgelände neu bepflanzt.“ Zum besseren Verständnis: Wahrscheinlich im Sommer 2023 kann der Betrieb im Anbau starten.

In dem Vorstoß von Holtmann hatte es geheißen: „Die Stadt wird gebeten, möglichst viele der größeren Bäume, die im Umgriff der Baustelle zur Fällung beantragt sind, zu verpflanzen und somit zu erhalten. Als neuer Standort bietet sich das entstehende Quartier Prinz-Eugen-Park an, aber auch das Aufwerten anderer Grün- und Freiflächen in Bogenhausen wäre wünschenswert.“

Denn: „Die zugesagten Nachpflanzungen von jungen Bäumen brauchen Jahrzehnte, bis sie dieselbe Stadtklimawirkung haben wie große Bäume. Die Stadt sollte daher mit gutem Beispiel vorangehen und Erfahrungen mit dem Versetzen von Bäumen sammeln.“

Zur Problematik hatte das Planungsreferat dem Stadtteilgremium erklärt: „Das Verpflanzen von Altbäumen ist im Hinblick auf einen nachhaltigen Pflanzerfolg als >Ultima Ratio< anzusehen. Es verbleiben immer Defizite bei derartigen Bäumen. Es gilt das alte Sprichwort >Einen alten Baum verpflanzt man nicht<. Großbaumverpflanzungen sind immer mit einem mehrjährigen Vorlauf und einer mehrjährigen Nachsorge zu versehen, so dass sie in der Regel für zeitkritische Bauvorhaben schon aus diesen Gründen nicht in Frage kommen.“

Mehrjähriger Vorlauf? Als ob das Bauprojekt nicht schon seit vielen Jahren erörtert wird. Siehe Unterrichtung des Bezirksauschusses zu Baumfällungen vom 12. Juli 2016.

So könnte der Anbau im Osten zwischen Hubschrauberlandeplatz und Bestandsgebäude des Klinikums Bogenhausen aussehen, wobei Änderungen in der Fassadengestaltung noch möglich sind. Entwurf: Ludes Architekten

Weiter wird angeführt: „Es bleiben – selbst beim Wiederergrünen verpflanzter Bäume – über viele Jahrzehnte andauernde Schäden und Defizite im Wurzel- und Kronenaufbau. Das Kronenvolumen bildet zu seinem Wurzelvolumen in etwa ein mengenmäßiges Gleichgewicht – >jedes Blättchen hat sein Würzelchen<.

Das bedeutet: Alleine um einen Altbaum auf einen Tieflader zu versetzen, um ihn über die maximalen Breiten und Höhen des öffentlichen Straßensystems an einen anderen Ort zu verfrachten, sind erhebliche Wurzelrückschnitte erforderlich, die in gleich großen Rückschritten in der Krone ausbalanciert werden müssen.

Der Baum wird am neuen Standort zwar wahrscheinlich wieder grün werden, aber er hat ein derart großes Kronenvolumen verloren, dass er niemals wieder zu einem arttypisch gewachsenen Baum heranwachsen wird. Überdies müssen der alte und der neue Baumstandort für schweres Gerät erreichbar sein.“

Zu berücksichtigen gelte es auch die „erheblichen Kosten. So entstanden beispielsweise für die Versetzung von nur wenigen Metern für die beiden großen Platanen am Platz der Opfer des Natio­nalsozialismus Kosten über einen sechsstelligen Betrag. Ihre vorgebrachte Forderung ist zwar für einzelne Bäume denkbar, für eine größere Anzahl von Bäumen wird sie sicher nicht umsetzbar sein. Bislang (Anm. d. Red: das Schreiben datiert vom 18. Januar 2018) liegt keine Untersuchung vor, welche für eine Verpflanzung von Großbäumen gegebenenfalls in Betracht gezogen werden kann.“

Gut zwei Wochen später, am 5. Februar 2018, sind gemäß Zander besagte zehn Bäume, die für eine Verpflanzung in Frage kommen, „festgestellt“ worden – und zwar von der Unteren Naturschutz­behörde, einer Abteilung im Referat für Stadtplanung und Bauordnung. Einmal mehr bestätigt das, was die Mitglieder im Bezirksausschuss immer wieder monieren: es hapert gewaltig in der Abstimmung zwischen den Referaten und sogar zwischen den Abteilungen einer Behörde.

Etwa 100 Bäume wurden am ersten Tag der Rodungsarbeiten abgesägt, darunter viele dicke Bäume, die in den vergangenen 40 Jahren seit Bestehen des Klinikums gewachsen sind.