20. April 2018

„Vorstellung Kattowitzer Straße: Wohnanlage für anerkannte Flüchtlinge und sonstige Bedürftige durch Vertreter der Regierung von Oberbayern“ – der Beratungspunkt im Untergremium Planung des Kommunalparlaments klang harmlos, doch er hatte es in sich. Und wie!

Denn geplant sind in Daglfing – nur wenige Meter entfernt von der Flüchtlingsunterkunft am Schim­melweg und der Kindertagesstätte – auf 7700 Quadratmeter 61 Appartements für 285 Personen in sechs Gebäuden mit 3650 Quadratmeter Wohnfläche sowie 18 Auto- und 86 Fahrradstellplätze. Die Lokalpolitiker waren schlichtweg entsetzt, einige gar konsterniert. Der Bezirksausschuss erachtet „das Projekt für nicht tragbar“.

Der Hintergrund • Auf Grundlage des im Oktober 2015 beschlossenen „Wohnungspakts Bayern“ plant und baut der Staat wegen des großen Bedarfs an Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge und einheimische Bedürftige, also auch Obdachlose. In Bayern sind zwischenzeitlich 22 Projekte reali­siert worden, 23 weitere Vorhaben stehen an. Eines davon ist nun die Anlage Kattowitzer Straße. Das dortige Grundstück ist im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die es zum Kauf angeboten hat. Derzeit laufen dazu die Verhand­lungen mit der Stadt, die es danach dem Freistaat per Erbpacht auf zehn Jahre überlässt. Quasi dafür hat München für 30 Prozent der Wohnfläche ein Belegungsrecht.

Das Projekt • Die geplante Anlage besteht aus drei zweigeschossigen und drei dreigeschossigen Gebäuden. Dazu die Beschreibung der Regierung von Oberbayern: „Die östlich gelegenen zwei­geschossigen Zweispänner harmonisieren durch ihre Satteldächer mit der östlich angrenzenden Wohnbebauung. Die westlich zur Bahnlinie angeordneten dreigeschossigen Gebäude werden mit Laubengängen erschlossen. Die Gebäude werden durch einen Grüngürtel verbunden – eine gemeinsame Grün- und Freizeitfläche, die als zentraler Treffpunkt für die Bewohner angeordnet ist.“

Der Grundriss der geplanten Wohnanlage für 285 Personen an der Kattowitzer Straße. Plan: Staatliches Bauamt München / Foto: hgb

Die Wohnungstypen • Erstens 35 Appartements mit je 45 Quadratmeter Fläche für jeweils vier Personen und zusätzlich fünf Rollstuhl gerechte, gleich große Einheiten für jeweils eine Person; zweitens elf Appartements mit je 66 Quadratmeter Fläche für jeweils sechs Personen und zusätz­lich einer Rollstuhl gerechten, gleich großen Einheit für zwei Personen; drittens neun Appartements mit je 95 Quadratmeter Fläche für jeweils acht Personen. Macht summa summarum 285 Bewohner.

Der Zeitplan • Bereits im Oktober soll mit der so genannten Baufeldfreimachung begonnen werden. Projektleiterin Julia Bauer vom Staatlichen Bauamt erklärte ergänzend, „dass die Bauausführung bis Ende 2020 abgeschlossen werden soll“. Als Bezugstermin nannte sie „Frühjahr 2021“.

Die StatementsRobert Brannekämper, Vize-Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter, kritisierte das Verfahren scharf: „Das alles muss rechtlich geprüft werden. Ohne Bebauungsplan geht hier gar nichts. Mit Bebauungsplan ist eine richtige Bebauung möglich. Die Stadt muss sich an die Richtlinien halten, Recht und Gesetz muss für alle gleich gelten.“ Er klärte die sechs gekommenen Regierungs-Leute auf: „Das Grundstück ist doch ein Ladenhüter der BImA.“ Und: „Ich bin strikt gegen eine temporäre Nutzung von zehn Jahren. Wir kennen’s doch von der Einrichtung an der Max-Proebstl-Straße, die gibt’s seit 1991. Dann kommt die Aussage >brauchen wir noch< und die Laufzeit wird einfach verlängert.“

Bauliche Massierung: Flüchtlingsunterkunft am Schimmel, Haus für Kinder und die projektierten 61 Wohneinheiten. Karte: GoogleMaps / Bearbeitung: hgb

Xaver Finkenzeller, CSU-Fraktionssprecher, erklärte: „Ich sehe in dem Vorhaben erhebliche Be­denken. Flüchtlingsunterkunft und Kindergarten sind nur 20 Meter entfernt, das gibt hundertprozen­tig Probleme mit den Bürgern. Und die Wohnanlage liegt auf dem Gebiet der SEM (Anm. d. Red.: Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme jenseits der Flughafen-S-Bahn auf 600 Hektar Fläche).

Es ist doch absurd, der Flächennutzungsplan sieht keine Wohnbebauung vor. Das ist ein Außenbe­reich. Nach zehn Jahren hat die Stadt als Käuferin dann eine große Baufläche. Das Verfahren geht so gar nicht. Da muss ein geordnetes Bauleitverfahren her.“

Der Jung-Jurist fragte und vermutete empört: „Ein Schmu mit der LBK?!“ (Anm. d. Red.: Lokalbaumkommission im städtischen Planungs­referat). Dazu ein Regierungs-Mann: „Alles wurde baurechtlich geprüft, das ist alles in Ordnung, man kann das per Zustimmungsverfahren machen.“

Christiane Hacker (SPD), die schon in den Neunziger Jahren bei den Jugoslawien-Kriegen in der Flüchtlingsbetreuung aktiv war: „Was die Regierung von Oberbayern vorhat, das ist seelische Überforderung der ehrenamtlichen Betreuer und der Nachbarn. Die Anwohner sind ja nicht doof, die wenden sich an uns. Diese Einrichtungsmassierung geht nicht, in dem Bereich würde eine Art Flüchtlings-Cluster entstehen. Die Planung ist mit heißer Nadel gestrickt, das ist für mich Pfusch.“ Hacker monierte überdies die Zahl 18 an Parkplätzen angesichts des notwendigen Personals in allen Bereichen. Die lakonische Antwort eines Regierungs-Vertreters darauf: „Anerkannte Flücht­linge und Bedürftige haben kein Geld für Autos.“

Ansicht Nord / Ost eines der drei dreigeschossigen Gebäude mit Laubengang. Entwurf: Staatliches Bauamt München / Foto: hgb