23. April 2018

Ein Gasheizwerk vis-à-vis einer Wohnbebauung? Kaum vorstellbar! Oder doch? Und ob: Die Stadt­werke München (SWM) prüfen die Planung einer solchen monströsen Anlage auf dem Parkplatz des Cosimawellenbads – auf einer Fläche von etwa 50 mal 60 Metern, also rund 3000 Quadratme­tern, mit zwei bis zu 40 Metern hohen Schornsteinen! Und das genau gegenüber einem Hochhaus und weiteren Wohngebäuden. Kommentar eines Lokalpolitikers dazu: „Das ist doch absurd, das ist doch einfach idiotisch!“

Die Mitglieder des Bezirksausschusses waren bei der Vorstellung der Absicht nicht nur konsterniert, sie waren schlichtweg entsetzt. Und: Schleierhaft, wie die Planer auf das Flächenmaß kommen. Denn das 120 Stellplätze umfassende Areal ist nachgemessen – und zwar ausgereizt bis auf den letzten Zentimeter Straßenrandgrün – maximal 50 mal 55 Meter groß. Würde das Projekt realisiert werden, müssten Motorsägen eingesetzt werden. Drei erst vor kurzem gepflanzte kleine Bäumchen und mindestens acht, möglicherweise bis zu 16 kräftig gewachsene Bäume müssten abgeholzt werden.

Warum braucht’s in Bogenhausen eigentlich ein Gasheizwerk? Vergangenen November hatten die Münchner in einem Bürgerentscheid dafür gestimmt, den Kohleblock II im Heizkraftwerk (HKW) Nord in Unterföhring bis Jahresende 2022 abzuschalten. Ob er wirklich abgeschaltet wird, das entscheidet letztlich die Bundesnetzagentur (BNetzA). Sollte der Kohleblock systemrelevant sein, bliebe er am Netz. Systemrelevant bedeutet: Die Agentur, die die deutschen Stromnetze observiert, muss sicherstellen, dass ausreichend Energie ins bundesweite Netz eingespeist wird.

Um die Kapazitäten vom Block II im HKW Nord in Bezug auf die Fernwärme-Erzeugung – Leistung in etwa 550 Megawatt (MW) – ersetzen zu können, untersuchen die SWM nun vorsorglich zwölf mögliche Standorte für mit Erdgas betriebene Heizwerke im Stadtgebiet. Fünf bis sieben dieser dezentralen, rund 70 Megawatt Wärme erzeugende „Monster“ – teils in Wohngebieten und in Grün­anlagen – werden wohl benötigt. „Wir suchen nach Alternativen zur sicheren Versorgung der Be­wohner mit Fernwärme“, erklärte Thomas Prein vom Büro des Technischen SWM-Geschäftsführers den Lokalpolitikern.

Auf dem Parkplatz des Cosimawellenbads, der nicht die erforderliche Größe von 3000 Quadratme-ter hat, prüfen die Stadtwerke die Planung eines Gasheizwerks mit zwei Schornsteinen bis zu 40 0eter Höhe: Und das direkt gegenüber der Wohnbebauung. Foto: hgb

Zu den Standorten meinte er: „Wir haben in einem ersten Schritt einfach nach unbebauten Flächen gesucht, die der Stadt oder den Stadtwerken gehören, die groß genug für gasbefeuerte Heizwerke sind. Kein Platz ist ein Idealstandort. Wir haben uns gefragt, wo ist die Fläche mit dem kleinsten Übel.“

Und fügte lakonisch an: „Wir brauchen freie Flächen, wir können ja keine Häuser abreißen.“ Doch nicht jede freie Fläche, sofern vorhanden, ist geeignet. Das Areal muss nämlich auch an einem Einspeisepunkt für das Fernwärmenetz, „an einem geeigneten Netzpunkt“, liegen.

Technische Aspekte zeigte Werner Rühle, Leiter der SWM-Konzeption, auf: „Wir machen keinen Strom, wir machen nur Wärme.“

Zur Größe der fachlich als Modulheizwerk bezeichneten Anlage mit zwei Kesseln erläuterte er: „32 Meter lang, etwa 17 Meter breit, zehn Meter hoch.“ Dazu kommen „auf den Nebenflächen“ der rundliche Wärmespeicher mit acht Metern Durchmesser und 25 Meter Höhe, zwei Schornsteine mit 35 bis 40 Metern Höhe, Zu- und Umfahrt (auch für die Feuerwehr im Notfall), Montagefläche für die per Schwertransporter angelieferten und mit einem großen Kran eingesetzten Kessel. Kurzum: mindestens 60 mal 50 Meter, macht in auf jeden Fall 3000 Quadrat­meter Fläche.

„Nur Wärme“ war denn Ansatz für eine Nachfrage von Berndt Hirsch (FDP) bezüglich der Tempera­tur des ausströmenden Dampfes der Schornsteine. Rühle redete um den heißen Brei, in einem Nebensatz fiel dann die Angabe „knapp über 100 Grad.“ Manch ein Anwohner bräuchte dann wohl keine Heizung mehr …

Den SWM-intern aufgestellten Zeitplan für die Vorhaben – „Gasheizwerke haben die einfachste Technik, haben den höchsten Wirkungsgrad, sind nicht allzu teuer“ – bezeichnete Prein als „sehr eng gestrickt“. Demnach sollen noch in diesem Jahr die Standortentscheidungen fallen, die Pla­nungen sind für 2018 / 19 angesetzt, die Genehmigungsverfahren für 2019. Die Bauten soll zwischen 20202 und 2022 durchgezogen werden, so dass der Betrieb spätestens 2023 starten könnte.

Das mit Gas betriebene Heizwerk beim BMW-Werk in Dingolfing – solch ein monströser Klotz könnte nach Vorstellungen der Stadtwerke auch beim Cosimawellenbad gebaut werden. Vorlage: SWM / Foto: hgb

All das hörte sich recht ambitioniert an, manch einer der Stadtteilvertreter stutzte deswegen. Denn für jedes einzelne Kraftwerk ist eine Baugenehmigung vom Planungsreferat / Lokalbaukommission (LBK) sowie eine Betriebserlaubnis von der Regierung von Oberbayern notwendig.

Und: Auch der Stadtrat müsste sich wohl mit jedem Standort befassen und ihn gut heißen. CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller kommentierte ironisch die fehlenden baulichen Voraussetzungen: „Man hätte ja auch den Marienplatz als Standort wählen können.“

Indes haben die SWM auch noch einen Plan B, einen vermeintlichen Plan B: Zeitgleich mit der Prüfung besagter zwölf möglicher Standorte wird auch das Gelände beim HKW auf Unterföhringer Flur gecheckt – wohlgemerkt gecheckt. „Wir sind mit der Gemeinde in Verhandlungen, wir können nicht abwarten, deshalb läuft alles parallel“, so Prein.

Warum nicht gleich in Unterföhring gebaut werde, fragte Martin Tscheu (SPD). Das Kohlekraftwerk müsse noch in Betrieb sein, während das neue Werk gebaut wird – in Unterföhring müsste aber erst Baurecht geschaffen werden, so die um ihren Job nicht gerade zu beneidenden SWM-Vertreter. Die Chancen für ein Daurecht sind nicht gerade groß wie Prein einräumte:  „Unterföhring setzt auf Geothermie, will sich von uns abkoppeln.“

Hätte, sollte, könnte – bleibt’s beim Planen in Bogenhausen, wie geht’s weiter? Am Donnerstag, 3. Mai, 19.30 Uhr, Saal der Schützenlisl II an der Englschalkinger Straße 208, Tagung des Unter­gremiums Planung, stellen sich die SWM-Experten den Detailfragen der Kommunalpolitiker. Das wird mit Sicherheit hitzig.