5. April 2018

Kult-Kneipe Fraunhofer (als Co-Wirt), Theaterfabrik in einem Backsteinbau nahe der S-Bahnstation Unterföhring (anno 1983), Nachtwerk unweit der Donnersberger Brücke (heute BMW), Alabama-Halle (BR-Jugendsendung „Live aus dem Alabama), Kunstpark Ost (KPO, später Kultfabrik), Opti­molwerke in Berg am Laim, Zenith-Hallen, Kesselhaus, Postpalast, bis zu 50 000 Partygäste in zehn Hallen am einstigen Flughafen Riem und andere Areale mehr. Und nun Johanneskirchen!

Münchens Party-König Wolfgang Nöth, inzwischen bald 75, ist wieder da, ist wieder „in“, hat an der Musenbergstraße 40, nur wenige Meter entfernt von der Gemeindegrenze zu Unterföhring, sein neuestes Projekt gestartet. Eine Event- und Partylocation! Nöth hat die „Neue Theaterfabrik“ in ei­ner riesigen Halle einer einstigen Holzhandlung für Konzerte und sonstige Veranstaltungen eröffnet.

Das alles zum Ärger fast aller Mitglieder des Bezirksausschusses. Und zum Ärger von vielen Anwohnern, vor allem von Bewohnern entlang des Wegs von der S-Bahnstation zur „Fabrik“. Die beschwerten sich nämlich bereits nach dem ersten Konzert „über laute Partygäste bis spät in die Nacht hinein, die auch in der Gegend umherziehen und lärmen“ – so steht’s in einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CSU und Grünen im Kommunalparlament.

Erst durch „eine Vielzahl“ von Bürgerklagen und durch Berichte in lokalen Medien haben die Lokal­politiker laut Initiative „völlig überraschend von der Neueröffnung erfahren“. Ebenso wie die Polizei­inspektion 22 Bogenhausen, so Bezirksausschuss-Vorsitzenden Angelika Pilz-Strasser. Ein Bauan­trag wurde dem Stadtteilgremium indes bis dato nicht präsentiert. Der Antragsinhalt:

Musenbergstraße 40 in 81929 Johanneskirchen: Sieben von acht Briefkästen mit Dutzenden Namensangaben. Das Areal hinter dem Zaun ist voller Fahrräder. Foto: hgb

„Der Bezirksausschuss kennt die neue Nutzung des Areals nicht und war bereits vor knapp einem Jahr einer damals vorgestellten >Partynutzung< sehr kritisch gegenüber eingestellt.“ Die Stadt soll zum einen „eine Nutzungsuntersagung erlassen, sofern keine gültige Baugenehmigung für die derzeitig stattfindende Nutzung besteht.

Die Stadt soll zum anderen „dafür Sorge tragen, soweit das Vorgehen vom Baurecht gedeckt ist, dass die entsprechenden Lärmrichtwerte eingehalten werden und dies mittels geeigneter Auflagen durchsetzen“.

Und weiter: „Ferner sind dem Bezirksausschuss folgende Fragen zu beantworten: Welche derzeiti­ge Nutzung ist auf dem Gelände genehmigt? Wenn eine Baugenehmigung in den vergangenen zwölf Monaten erteilt wurde, wieso wurde der Bezirksausschuss nicht beteiligt?“

„Der Antrag ist spießig. Nöth hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einen guten Namen ge­macht. Er bringt junge Leute zusammen. Im verschnarchten Johanneskirchen fehlt so etwas“, donnerte Holger Machatschek von den Grünen, der ein paar Jahre älter ist als der Hallenmogul.

Seine Parteikollegin Pilz-Strasser erklärte befremdet: „Das Konzept sieht Konzerte mit bis zu 1400 Besuchern vor. Die Leute beamen sich ja nicht dorthin. Das hat nichts mit spießig zu tun. Der Bezirksausschuss muss damit befasst sein. Bewohner klagen in Mails, dass >an Schlaf nicht zudenken ist, weil Scheinwerfer alles bis zwei Uhr nachts hell erleuchten.< Es gibt sogar Gerüchte, dass Nöth dort Disco machen will mit Veranstaltungen bis fünf Uhr morgens.“

Zum Verfahren wetterte Pilz-Strasser in Richtung Rathaus: „Bei jeder Gaube wird der Bezirksaus­schuss gefragt, bei Konzerten mit 1000 und mehr Leuten aber nicht.“

Christiane Hacker (SPD), Vorsitzendes des Fördervereins Klinikum Bogenhausen, forderte „Gleich­behandlung. Wenn ich im Klinikum einen Benefizmarkt mache, muss ich 16 Antragsseiten ausfül­len, muss ich zehn Seiten feuerpolizeiliche Auflagen und viele weitere Bedingungen beachten, muss versichern, dass maximal 200 Besucher pro Stunde kommen. Auch ein Herr Nöth, der ja damit Geld verdient, muss solche Auflagen erfüllen, darf nicht so einfach davonkommen.“

CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller attestierte: „Nöth ist nicht der Gott der Jugend, der machen kann, was er will. Wir wollen genau wissen, was hier los ist. Der Verkehr ist ein Problem!“ In der Tat: Kommt auch nur die Hälfte der Konzertbesucher mit dem Auto, ist denn auch jedes gar mit zwei Leuten besetzt, fahren mindestens 300 Personenwagen die teils schmale Musenberg­straße nächtens auf und ab. Ein Unfall – das Chaos wäre perfekt. Das Durchkommen eines Rettungswagens wäre zumindest stark behindert.

Eingangsbereich zur großen Halle für die „Neue Theaterfabrik“ und den „Spiegelsalon“ am Ende der Musenbergstraße in Johanneskirchen. Foto: hgb

Ein Stadtviertelvertreter hat inzwischen die Rahmenbedingungen für die Musenbergstraße 40 gecheckt. Demzufolge seien die Konzerte in der großen Halle – eine Baugenehmigung sei dafür noch nicht erteilt worden – von Referaten der Stadt bis Ende Mai als Einzelveranstaltungen bewilligt worden.

Bereits im Herbst 2016 seien Veranstaltungen in der rund 1000 Quadratmeter großen Halle „Spiegelsalon“ für rund 600 Besucher genehmigt worden. Welche Behörde was zugesagt hat – unklar!

Die nächsten Konzertermine: Dienstag, 10. April – an diesem Tag treffen sich auch ab 19.30 Uhr die Mitglieder des Bezirksausschusses im Saal des Gehörlosenzentrums an der Lohengrinstraße zu ihrer monatlichen Tagung – mit der Gruppe „The Wombats“, und Freitag, 18. Mai, gastiert „Kamasi Washington“. Beginn der Live-Auftritte ist jeweils um 20.30 Uhr. Wann die Musiker ihre Auftritte beenden, ist in der Werbung nicht vermerkt.

Ein abendlicher Gang zur Theaterfabrik ist bedrückend, der Weg dorthin mutet dunkel-düster an, was die Nachtschwärmer gewiss nicht abschreckt. Ebenso wenig wie wohl der Eingang zum Gelände: Acht Briefkästen mit Dutzenden Angaben sind auf Brettern am Zaun angenagelt oder am Draht befestigt. Hinter der Absperrung vergammeln Dutzende Fahrräder und das mehrfache davon an Felgen und sonstigem Zubehör. Ein Plakat an der angrenzenden morschen Hallenwand gibt die Öffnungszeiten vom „Flohmarkt Johanneskirchen“ an, ein Schild wirbt für die „Vermietung von Lagercontainern“. Diese stapeln sich zu Dutzenden auf einer Seite des Wegs zur großen Halle, auf der gegenüberliegenden Seite reiht sich eine Holzhütte an die nächste. Kurzum: ein Verhau.

Das Vorfeld der großen Halle, Theaterfabrik und Spiegelsalons befinden sich nebeneinander, ist hingegen neu gepflastert, restaurierte Bauwagen links und rechts vom teils mit Spiegeln eingefassten Eingang sowie sechs historische, weiß lackierte Straßenlampen vermitteln einen nostalgischen Eindruck, der sich im Innern der Halle bestätigt. Das ist also die Eventlocation der „La Ma Wo GbR Nöth, Nöth, Schwenold“. Wobei „La“ und „Ma“ die Anfangsbuchstaben von Nöths Töchtern Laila und Magelina sind sowie „Wo“ für Wolfgang (Nöth) selbst steht.

* * * * *

„Es tut mir leid für die Baubehörden, dass ich mit meinen Ideen schneller war als sie mit ihren Genehmigungen.“
– W. Nöth (Zitat nach Wikipedia)