11. März 2018

Das sanierungsbedürftige, 49 Jahre alte Arabellahaus im Stadtquartier Arabellapark, eines der markantesten Gebäude Münchens – 23 Stockwerke, 75 Meter hoch, 154 Meter lang und 19 Meter breit –  wird voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2026 abgerissen und danach mit einem gleichen oder ähnlichen Äußeren neu gebaut.

Den Grund dafür erklärte Hermann Brandstetter, Geschäftsführer der Bayerischen Hausbau, die zur Schörghuber-Gruppe gehört, im Untergremium Planung des Bezirksausschusses: „Die >Stadt in der Stadt< ist einfach in die Jahre gekommen, die heute geltenden Anforderungen und Erwartungen, beispielsweise bezüglich der Statik, können nur mit einem Neubau realisiert werden, die Erfüllung aktueller Auflagen sind mit einer Sanierung nicht machbar.“

Rückblick – Dienstag, 16. November 2017: Ein lautes Raunen war durch die Reihen der Mitglieder des Kommunalparlaments gegangen, als Vize-Vorsitzender und CSU-Landtagsabgeordneter Robert Brannekämper berichtet hatte: „Es gibt Gerüchte und ich habe Hinweise, dass das ab 1966 gebaute Arabellahaus saniert oder abgerissen und neu gebaut werden soll.“ Hausbau-Pressespre­cherin Kathrin Borrmann hatte daraufhin erklärt: „Es werden verschiedene Alternativen geprüft – auch die eines Neubaus, aber nicht vor 2026.“

Nun ist also klar: Das so genannte Scheibenhaus, Deutschlands erstes und größtes Boarding-Gebäude, einst entworfen von Architekt Toby Schmidbauer, in dem sich 550 Mietwohnungen, 446 Hotelzimmer und Suiten, mehr als 100 Büros, Arztpraxen, Kliniken und Einzelhandel, Restaurants sowie ganz oben, unterm Dach, ein fast 1000 Quadratmeter großer Spa-Bereich befinden, wird in knapp acht Jahren gänzlich „entmietet“ sein, wird dann total entkernt und Stockwerk um Stockwerk abgetragen.

Zunächst steht für 2018 laut Hausbau-Zeitplan eine Machbarkeitsstudie an, 2019 die Bauvoranfra­ge, 2020/21 der architektonische Wettbewerb, 2022/23  die Genehmigungsplanung, 2024 die Baugenehmigung und ab Mitte 2025 bis spätestens Anfang 2026 die Ausführungsplanung an.

Blick vom BayWa-Tower auf die Türme der Hypo-Bank und das 75 Meter hohe Arabella-Hochhaus, das wohl ab 2026 abgerissen und neu aufgebaut werden soll. Foto: hgb

„Das ist ein Wahnsinn“ kommentierte ein Lokalpolitiker das Vorhaben. Ein Wahnsinn sind denn auch die Kosten. „Das ist nicht mit mehreren 100 Millionen Euro machbar“, so Hausbau-Chef Jürgen Büllesbach zurückhaltend auf Nachfrage.

Ein Bogenhauser Baufachmann wurde da schon konkreter: „Die Gesamtkosten werden sicherlich mehr als eine Milliarde Euro betragen, allein die Einnahmeausfälle während der etwa fünfjährigen Bauzeit schätze ich auf mehr als 200 Millionen Euro.“ Wobei übrigens die Tiefgarage nicht neu gebaut werden muss – sie befindet sich nämlich seitlich des Betonklotzes.

„Glauben Sie mir, den Abriss eines Gebäudes mit 75 000 Quadratmeter Geschossfläche – das macht man nicht ganz freiwillig. Aber die Komplexe im Arabellapark erreichen nach rund 50 Be­triebsjahren sukzessiv das Ende ihrer funktionalen Lebensdauer, einige Häuser wurden ja bereits abgerissen oder saniert“, erläuterte Büllesbach.

Fakt ist: Der Titan bröselt an vielen Stellen. An der Fassade platzen immer wieder Betonstückchen ab. Die Bodenbeläge der Balkone weisen Schäden auf, Rahmen sind verwittert, Fenster nicht mehr klar durchsichtig. Eine Verbesserung der Energieeffizienz ist laut Haubau kaum möglich, da die Konsolen der Balkone nicht vom Gebäude getrennt sind. Heizleitungen verlaufen außen an der Fassade, es kommt zu „Leckagen“, also undichten Stellen, auch an der Dämmung. Beim Dach gibt es trotz einer Sanierung bereits wieder „Undichtigkeiten, die Gehwegplatten auf dem Dach müssen derzeit per Netz gegen Windsog gesichert werden.“

Zudem sind Teile des Abwasser-Rohrleitungsnetzes marode, müssen im laufenden Betrieb erneu­ert werden; defekte Trinkwasserleitungen verursachen immer wieder Wasserschäden. Zur Lüftung: „Zimmer verfügen nur über eine Abluftanlage mit natürlicher Nachströmung“. Die Elektroinstallation „ist nach heutigen Erkenntnissen komplett unterdimensioniert, Brandschutz und Sicherheitstechnik beziehen sich auf die Sechziger Jahre.“ Kurzum : Bau- und Haustechnik behindern den laufenden Betrieb.

Brandstetter stellte grundsätzlich klar: „Es geht nicht darum, zusätzlichen Raum, mehr Wohnungen und Läden zu schaffen, wir wollen bei der >Scheibe< bleiben.“ Büllesbach ergänzte: „Die Variante Neubau bietet auch Chancen zu Verbesserungen rundum, dieser Bedeutung sind wir uns bewusst.“

Hotel-Anfahrtszone Arabellastraße und Eingang des 23 Stockwerke hohen Arabellahauses. Foto: hgb

Bezirksausschuss-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser forderte die beiden Hausbau-Verantwortli­chen auf, „auch mal quer zu denken, wie gebaut werden könnte.“ CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller monierte das „fehlende Gesamtkonzept für das Klein-Manhattan, fragte, wie man mit dem Rosenkavalierplatz umgehen wolle.“

Den Knackpunkt von all dem formulierte Brannekämper: „Es fehlt die große Linie – bleibt’s beim Bebauungsplan oder >darf’s gar ein bisschen mehr sein<?“ Büllesbachs versicherte: „Wir wollen im Rahmen des Bebauungsplans bleiben.“

Die jüngst gestellten Forderungen, das Relikt auf die Denkmalliste zu setzen – Brannekämper: „Das Hochhaus ist ein Stück Stadtteilgeschichte“ – sind mit den Hausbau-Plänen endgültig vom Tisch. Das Landesamt für Denkmalpflege um Generalkonservator Mathias Pfeil hatte das trotz der massi­ven Einwände des Landtagsabgeordneten kategorisch abgelehnt.