18. Mai 2018

Die Auseinandersetzung um die SEM, die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, im Nordosten von München, auf einem knapp 680 Hektar großen, überwiegend landwirtschaftlich genutzten Areal jenseits der S8-Trasse zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen, wo einmal nach letzten Vorgaben des Planungsreferats der Stadt 30 000 Menschen leben und weitere 12 000 arbei­ten sollen, hat jetzt via einer Petition der Initiative Heimatboden den bayerischen Landtag erreicht.

Unter dem Titel „Transparenz und Rechtsstaatlichkeit statt Damoklesschwert SEM“ übergab Heimatboden-Rechtsanwalt Benno Ziegler die Eingabe – unterstützt von Robert Brannekämper, Vize-Chef des Bogenhauser Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter – an den Land­tagsabgeordneten Harald Schwartz, Vorsitzender des Petitionsausschusses im Maximilianeum.

Die Ziele von Heimatboden: Falsche Bodenrichtwerte und die Bildung falscher Bodenrichtwertzonen durch den Gutachterausschuss der Stadt für die Zukunft ausschließen und fehlerhafte Darstellungen in den Bodenrichtwertkarten korrigieren. Verbunden damit ist die Forderung, den „Gutachterausschuss unabhängig zusammenzusetzen und Personenüberschneidungen mit Mitarbeitern zu vermeiden, die gleichzeitig für Fragen der Baulandentwicklung Münchens zuständig sind.“ Dazu soll gemäß Ziegler „Öffentlichkeit hergestellt werden.“

„Es ist unfassbar, was da alles abgelaufen ist und noch weiter abläuft. Es wird manipuliert, Gesetze sind konterkariert worden. Rechtliche Vorgaben wurden im Interesse von Grundstückskäufern kaschiert, mit den Bodenrichtwerten wird gespielt, Spekulationen wurden ermöglicht. Die Verwal­tung im Rathaus informiert den Stadtrat falsch.“ Die Vorwürfe von Ziegler in Richtung Verwaltung und SEM-Gutachterausschuss sind knallhart.

Petitionsübergabe im Maximilianeum der Initiative Heimatboden zu „Transparenz und Rechtsstaatlichkeit“ bei der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten (v. li.): Johann Oberfranz (Sprecher von Heimatboden Nordost), Rechtsanwalt Benno Ziegler, Harald Schwartz (Vorsitzender des Petitionsausschusses) und Robert Brannekämper, Vize-Chef des Bogenhauser Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter. Foto: hgb

Das Fazit des Rechtsanwalts: „Die Petition ist unser letztes Mittel. Wir haben keine andere Chance mehr als das Petitionsrecht. Die Regierung soll wieder für Ordnung sorgen.“ Dazu Schwartz: „Bodenpreismanipulation – das ist ein harter Vorwurf.“

Und weiter zur Klarstellung: „Der Petitionsausschuss ist kein Gericht, ist keine Rechtsaufsicht. Wir geben eine politische Bewertung ab. Deshalb sollte man sonstige Rechtsmittel weiter verfolgen.“

Heimatboden-Pressesprecher Josef Glasl stellte klar: „Es geht ums Miteinander. Wir wollen Wahr­heit und Klarheit erreichen. Die SEM im Nordosten (Anm. d. R.: sie wird von der Stadt seit Herbst 2011 verfolgt) ist ja nur eine von vielen Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen in Bayern.

Wenn’s überall so läuft, haben wir im Freistaat einen Flächenbrand. Die Uhr tickt, die Leute haben Angst.“

Zur Heimatboden muss man wissen: Auch in Feldmoching / Ludwigsfeld / Fasanerie Nord wird auf rund 900 Hektar von der Stadt seit Februar 2017 eine SEM geprüft. Dort taten sich im April 2017 mehr als 200 Grundstücksbesitzer, deren Anteil mehr als 40 Prozent beträgt, zusammen und gründeten die Initiative.

Bogenhauser Bodenbesitzer – Flächenanteil im Nordosten knapp die Hälfte, der Großteil ist in städtischem Besitz – nahmen Kontakt zu den Vertretern von Heimatboden auf, installierten in dem Zusammenschluss zwecks Zusammenarbeit eine eigene „Abteilung“. Folgend nahm der Widerstand gegen die städtischen Wohnbaupläne unter den mehr als 400 Grundstückseigentümern gewaltig zu.

Unter anderem zum Sinn und Zweck einer SEM hatte die CSU-Fraktion im Kommunalparlament vergangenen August einen Antrag eingebracht und die Stadt gefragt: Ist es zutreffend, dass auf Grund gesetzlicher Bestimmungen des Baugesetzbuchs die Bodenpreise für landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht eingefroren werden?

bleiben.“ Und zwar „Gerne ohne Perlenkette und Küstenlinie“ – unter diesen Namen firmieren zwei der drei Bebauungsvarianten für das Gebiet zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen. Foto: hgb

Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller hatte dazu erläutert: „Stets wurde von der Stadt argumentiert, dass die SEM sei auch deshalb notwendig, weil durch das Einfrieren der Bodenpreise den Spekulationen entgegen gewirkt werden kann.

Allerdings besteht insofern eine klare gesetzliche Formulierung: Für landwirtschaftlich genutzte Flächen ist nach wie vor der Wert im gewöhnlichen Geschäftsverkehr auf dem allgemeinen Grundstücksmarkt maßgebend. Nachdem im Nordosten knapp 90 Prozent der betroffenen privaten Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, fände inso­fern ein Einfrieren des Bodenpreises nicht statt.“

Damit wäre, so Finkenzeller, eines der Hauptargu­mente der Stadt in der Vergangenheit unzutreffend dargestellt. Einer Antwort aus dem Rathaus zu der Initiative steht übrigens bis dato aus …

Die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind in der Tat nicht eingefroren. Jurist Ziegler liefert dazu Beispiele. 2012 betrug der Bodenrichtwert für landwirtschaftliche Areale zehn Euro pro Quadratmeter; für Freizeitflächen waren es rund 35 Euro.

Zum Stichtag des Bodenrichtwerts am 31. 12. 2014 (Anm. d. Red: die Bodenrichtwerte werden alle zwei Jahre zum Ende des Monats Dezember – was in 2018 der Fall ist – vom Gutachterausschuss festgelegt) wurde von einer Erbengemeinschaft ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ver­kauft – für 150 Euro/Quadratmeter! Die Nutzungsart wurde von den Gutachtern als „FZ“ deklariert, als Freizeit- und Wochenendfläche. „Prima kaschiert“, kommentierte Ziegler.

Feld, Wald, Wiesen, Blumen – kaum vorstellbar, dass die Flächen rund um Johanneskirchen einmal zubetoniert und asphaltiert sind. Foto: hgb

Zum Stichtag des Bodenrichtwerts am 31. 12. 2016 produzierte der Gutachterausschuss ein kleines Wunder: Der Quadratmeter des selben Grundstücks war jetzt nämlich sage und schreibe 330 Euro wert.

Laut Ziegler wird die der Redaktion bekannte Flurnummer bis dato weiter landwirtschaftlich genutzt … Ziegler zur Folge: „Die Grundstückswerte in der Umgebung schnellten nach oben“.

In dem Landtagsgesuch heißt es dazu unter anderem: Die Verwaltung muss „endlich“ der Öffent­lichkeit, dem Oberbürgermeister, und dem Stadtrat unterrichten, dass

  • „auf Grund der Entwicklungsdauer von Jahrzehnten für die Fertigstellung neuer Stadtteile wie im Raum Daglfing und im Raum Feldmoching das Instrument einer förmlichen SEM aus Rechtsgrün­den ausscheidet;
  • dass ein „Einfrieren“ von Bodenpreisen für landewirtschaftliche Grundstücksflächen rechtlich nicht möglich ist
  • und dass wesentliches Instrument der SEM die Enteignung der Eigentümer ist, wenn diese nicht freiwillig ihr Eigentum aufgeben.

Spannend, wie all das politisch bewertet wird. Existenzen hängen daran!

Eindeutige Botschaft von Grundbesitzern gegen die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten von Bogenhausen: „Stoppt SEM Wahnsinn.“ Foto: hgb