7. März 2019

„Sieht jemand eine Möglichkeit, den Gebäudekomplex Freischützgarten an der Ecke Johannes­kirch­ner Straße 98-100 / Freischützstraße 75-81 und seine Umgebung vor weiterer Verwahrlosung zu schützen, denn nahezu alle Wohnungen und Geschäfte stehen nun schon über zwei Jahre leer?“

Das will Anliegerin Andreja Ruppert von den Mitgliedern des Bezirksausschusses wissen. Ihre An­frage steht bei der Tagung des Kommunalparlaments am Dienstag, 19. März, 19.30 Uhr, Saal des Gehörlosenzentrums an der Lohengrinstraße, zur Beratung. In der Tat: Der mehr als 30 Jahre alte Komplex wirkt und ist vergammelt. Und Leerstand gibt’s in Bogenhausen – siehe eine Auswahl am Ende des Berichts.

Bereits am Donnerstag, 14. März, 19.30 Uhr, Saal der Schützenlisl, Englschalkinger Straße, bera­ten die Lokalpolitiker im Untergremium Planung erneut über das Neuprojekt der „6B47 Germany GmbH“ für den Freischützgarten.

Im Mai vergangenen Jahres hat die „6B47“ mit Sitz in Düsseldorf – Geschäftsführer ist Kai-Uwe Ludwig, vormals bis Ende 2014 zehn Jahre lang bei der Bayerischen Hausbau tätig und somit Kenner von Bogenhausen – die Anlage auf rund 10 000 Quadratmeter Fläche in Johanneskirchen von der Munich Residential GmbH (MR) erworben, die ihrerseits den Trakt im April 2016 erworben hatte. Das Unternehmen will nach ersten Plänen die Bestandsgebäude sanieren und aufstocken, will voraussichtlich 15 Gewerbeeinheiten schaffen und zusätzlich rund 175 Wohnungen bauen, ein Eckgebäude samt Innenhof an der Kreuzung errichten. Im vierten Quartal 2019 soll’s losgehen.

Im Oktober hatte der Bezirksausschuss „die städtebauliche Situation kritisch“ beurteilt, hatte die prä­sen­tierte Eckbebauung abgelehnt, hatte sich klar gegen eine Befreiung vom beste­henden Bebauungs­plan ausgesprochen, hatte ein „Bauleitplanverfahren für die beabsichtigten Maßnahmen als unabdingbar“ erachtet.

Visualisierung der Front entlang der Freischützstraße im ersten Entwurf für das geplante Eckgebäude. Visualisierung: 6B47 Germany GmbH

Robert Brannekämper, Vize-Vorsitzender des Bezirksausschusses, Chef des Planungs­gremiums und CSU-Landtagsabgeordneter, hatte seinerzeit im Kommunalparlament erklärt: „Mit einer Befrei­ung funktioniert das hier nicht. Ein viergeschossiger Ausbau ist nicht machbar. Wir müs­sen abwar­ten, ob das Unternehmen ein Bebauungsplanverfahren anstrebt. Aus städtischer Sicht sehe ich dazu keine Chance, weil sehr viele derartige Anträge in München anstehen und zuerst Projekte mit mindestens 400 Einheiten bearbeitet werden.“

Gleichwohl hatte die Lokalbaukommission (LBK) im Planungsreferat bereits einen Vorbescheid – Aufstockung vierte Etage und Dachge­schoss, Nut­zungs­änderung von Büro in Wohnen für das erste und zweite Stockwerk – erlassen.

Die Antwort auf unsere Nachfrage bei André Schubert, Technischer Projektleiter bei„6B47“, zum  März-Termin: „Nach vielen Gesprächen haben wir Bedenken und Anregungen zum Entwurf des Bezirksausschusses aufgenommen und diese in einem angepassten Entwurf gelöst.

Zurück zur Anwohner-Anfrage: „Seit Jahresanfang ist die Verkehrssicherheit auf den öffent­lichen Wegen – Parkplatz und Zuwege – nicht mehr gewährleistet, da die Wege nicht mehr beleuchtet werden. Ein ortsfremder Besucher ist dort gestürzt, da im Dun­keln keine Treppenabsätze und andere gefährliche Stellen im Boden mehr zu sehen sind“, führt Ruppert schriftlich an. Beim im Block befindlichen Geldinstitut seien auch schon Beschwerden von Leuten eingegangen, die es nicht wagen, nach Sonnenuntergang Geld abzuheben. Denn wenn man aus der Schalterhalle herauskomme, „sieht man draußen im Stockdunkeln absolut nichts mehr.“ Moniert werden von ihr zudem „unschöne Dinge“ wie Beschädigungen und ein Wasserschaden.

Ruppert hatte sich wegen der Umstände unter anderem an das Baureferat gewandt. Die Antwort: „Für den Unterhalt der Wegebeleuchtung ist nicht das Referat verantwortlich, sondern der Eigen­tümer bzw. Betreiber des Areals. Der Hinweis, dass es sich um öffentliche Wege handelt, bedeutet lediglich, dass diese für die Öffentlichkeit nutzbar sind, gegebenenfalls Auflage sein müssen.“

Leerstand und damit meist zusammenhängende, beabsichtigte Bebauungen sind in Bogenhausen mehr als augenfällig. Eine Auswahl:

  • Zum Beispiel der Siemens-Komplex an der Richard-Strauss-Straße 76. Die Bayerische Versor­gungs­­kammer (BVK) plant dort, auf mehr als 20 000 Quadratmeter Fläche, drei Bürotürme – 40, 60 und 115 Meter hoch, mit elf, 16 und 30 Geschossen. Gekauft hatte die BVK das Areal vor fast drei Jahren – im April 2016. Im Herbst soll ein Architekten- und Städtebauwettbewerb ausgelobt werden, Baubeginn soll 2021 sein, 2023 will die BVK ihre neue Zentrale beziehen.
  • Zum Beispiel alte Verwaltungszentrale der Bayeri­schen Hausbau an der Ecke Denninger Straße / Vollmannstraße. Im Sommer 2012 hatte das Unternehmen „Wohnen am Denninger Anger – 100 neue Wohnungen für Bogenhausen“ auf 8000 Quadratmeter angekündigt. Nun wird geprüft, ob mit dem für 2026 geplanten Abriss des 23 Stockwerke hohen Arabella-Hochhauses, in dem es mehr als 500 Mietwohnungen gibt, der Bauplan realisiert wird und Bewohnern des Towers Ersatzwohnungen angeboten werden können. Inzwischen wird ein Teil des alten Verwaltungstrakts wieder genutzt.
  • Zum Beispiel Schreiber Klinik an der Scheinerstraße 3. Die Gesellschaft Legat Living, Unter­föh­ring, hat den Komplex erworben, will ihn in eine „Seniorenresidenz mit Neben­einrichtun­gen“ um­wan­deln. Im Spätsommer hatten die Mitglieder des Bezirksausschus­ses dem zugestimmt. Damals hatte Legat-Living-Prokurist Johannes Thoma uns erklärt: „Wir befinden uns im Planungsprozess für eine sinnvolle Nachnutzung des Gebäudes. Details zum Planungs­stand können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen.“
  • Zum Beispiel Stuntzstraße 16 in der Parkstadt: Seit knapp zwei Jahren plant die IMBW Capital & Consulting dort ein begrüntes Gebäude, zuerst siebenstöckig für 59 Wohnungen, dann drei Stock­wer­ke plus zurückversetztem Dachaufbau für Büroflächen. Dazu hatte Andreas Eule von der Mün­chner Geschäftsführung des Bauherrn, auf Nachfrage im Juni 2018 ge­sagt: „Wir machen Bü­ros. Wohnungen sind ohne eine Bebauungsplanänderung nicht durchsetzbar. Das dauert uns zu lange.“

• Zum Beispiel das 36 Meter lange Gebäude an der Effnerstraße, stadteinwärts nach der Odinstra­ße, laut Tagesordnung des Bezirksausschusses ein „Wohnheim für Arbeit­nehmer, Stu­die­ren­de, Pflegepersonal mit Tiefgarage“, 46 Einheiten. Seit Monaten fertig, aber (noch) nicht bezogen.

Das Zentrum Freischützgarten an der Ecke Freischütz- / Johanneskirchner Straße aus der Vogelperspektive. Foto: 6B47 Germany GmbH