12. April 2019

Zwei Wolkenkratzer – 100 und 60 Meter hoch mit 26 bzw. 15 Stockwerken, verbunden durch einen 50 Meter hohen (13 Etagen) und 100 Meter langen Verbindungstrakt – statt drei noch im Sommer angedach­ter Türme: So sieht der Siegerentwurf von David Chip­per­field Archi­tects und der Land­schaftsarchitekten vom Atelier Loidl aus für den Bau der neuen Zentrale der Bayerischen Versor­gungskammer (BVK) mit rund 68 0000 Quadratmeter Bürofläche auf dem ehemaligen Siemens-Areal an der Richard-Strauss-Straße 76 durch die Strabag Real Estate. Das Büro Chipperfield hatte sich unter zwölf Teilnehmern eines Wettbewerbs durchgesetzt.

Die Grundlage für die Ausschreibung bildete der Eckdatenbeschluss der Stadt vom vergangenen Okto­ber. Mit der Kür des ersten Platzes ist der Auswahlprozess allerdings noch nicht hundertpro­zen­tig abge­schlossen. In den kommenden Wochen werden die Preisträger ihre Entwürfe nach den von der Jury vorgebrachten Anregungen hin optimieren. Gleichwohl dürfte es auf den in Details zu überarbeitenden Chipperfield-Plan hinauslaufen. „Der wird vertieft. Für den Fall des Falles haben wir aber einen Plan B“, so BVK-Vor­stands­vorsitzender Daniel Just.

Die endgültige Entscheidung, welcher Entwurf die Realisierungs­grund­lage für die neue Zentrale der BVK – sie verwaltet 77 Milliarden Euro Anlagevermögen für mehr als 2,3 Millionen Ver­siche­rte – und zu vermietende Büroräume bildet, fällt voraussichtlich im Mai. Platz zwei beim Wett­bewerb belegte das Büro Hadi Teherani (Hamburg), Platz drei Steidle Architekten aus München (siehe Fotos zum Vergleich).

Der Siegerentwurf für den Bau der neuen Zentrale der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) auf dem einstigen Siemens-Areal an der Richard-Strauss-Straße mit dem 100 Meter hohen Bürosilo und dem Verbindungsbau (das zweite Hochhaus ist dadurch verdeckt). Visualisierung: David Chipperfield Architects

„Es war ein eindeutiges Votum für einen grandiosen Entwurf“, so Strabag-Bereichsleiter Thomas Spiegels. Eine OHG aus neun Altersversorgungseinrichtungen bei der BVK hatte 2016 das ehema­lige Siemens-Areal erworben – eine Preisangabe für das mehr als 20.000 Quadrat­meter große Filet­grundstück wurde vom Unternehmen abgelehnt.

Künftig wird die BVK hier ihre Standorte Dennin­ger – und Arabellastraße für die derzeit 1300 Mitarbeiter – weitere bis zu 500 Arbeitsplätze sind möglich – zusammenziehen. Als größte öffentlich-rechtliche Versorgungs­grup­pe Deutschlands bekennt sie sich mit dem langfristigen Investment in ihre neue Zentrale zum bisherigen Standort im Arabellapark.

„Grandioser Entwurf“ – das ist allerdings ein wenig hoch gegriffen, ist Ansichtssache. Der künftige Komplex wirkt offen, leicht, locker, frei und zugleich klar. Aber auch unauf­fällig und gediegen. Das wohl bewusst. Und das ist auch gut so für die weitere Umgebung.

Zwei durch einen Riegelkomplex verbundene Türme, 100 und 60 Meter hoch, mit einer großen begrünten Freifläche hin zur Richard-Strauss-Straße – das sieht der Siegerentwurf für den Bau der neuen BVK-Zentrale vor. Visualisierung: David Chipperfield Architects / Bearbeitung: hgb

Man wollte, so Just „eine einfache Struktur“. Es sollte ganz offensichtlich kein „Abzugsbild“ des gegen­überliegenden 114 Meter hohen, silber glänzen­den HypoBank-Towers werden. Dieser vom Architektenpaar Walther und Bea Betz entworfene futuristische Wolkenkratzer wird und wurde von Fachleuten vielmals als Musterbau gepriesen.

Klar, dagegen mutet die geplante BVK-Zentrale wirklich unauf­fällig und gediegen an. Die Frage ist nur: Zu unauf­fällig und zu gediegen?

Kritiker monieren: Ein Komplex mit Klotz und Klötzchen samt dazwischen eingepferchtem Büro-Kloben. Eben praktisch und funktional. Wie so oft in München. Absolut kein Highlight.

Sicherlich hätte den Türmen von der Optik her beispielsweise das eine oder andere versetzte Stock­werk zwecks Auflockerung gut getan. Auch die Fassade sieht trotz der leicht versetzten, energeti­schen Fenster­elemente glatt, ja langweilig aus. Auch der beige Farbton in den Visualisierungen macht das Ensemble nicht lebendiger.

Der öffentliche, mehr als sieben Meter hohe Durchgang im Verbindungsbau der beiden Hochhäuser zueinem kleinen Park und zum Denninger Anger. Visualisierung: David Chipperfield Architects

Auszüge aus dem Urteil der Jury: „Ein klares Konzept mit nur drei Baukörpern, das das Grundstück optimal ausnutzt. Besonders gelungen ist das einladend wirkende Gebäudetor, das die hinter der Bebauung liegende Parkanlage rahmt und den Übertritt in den Park auf selbstverständliche Weise inszeniert.“

Insgesamt bewertete die Jury die „klare Adressbildung der Bebauung als positiv.“ Der Entwurf überzeuge durch ein klares unspektakuläres Konzept, seine einfachen, perfekt funktionie­ren­den Grundrissformen und die Bauweise.

Zum „Parktor“: Der öffentliche Durchgang in der Mitte des Riegels, 7,4 Meter hoch, in den Dennin­ger Anger ist eine geniale Idee. Ein Fenster ins Grüne. Warum aber nicht doppelt so hoch, wurde gefragt?

Die Antwort eines Architekten: „Das würde wie eine Schlucht wirken.“ Apropos Riegel: das 13. Obersgeschoss ist (wie das Dach des höheren Turms) begrünt, ein Café wird angelegt. Im Durch­gang wird es ein Restaurant geben. Im Gebäude wird auch eine großflächige Kindertages­stät­te mit Nebenräumen eingerichtet.

Stararchitekt David Chipperfield (66) aus London erläutert seine Pläne zum Bau der BVK-Zentrale. Foto: hgb

1300 Menschen oder mehr werden dereinst in der Zentrale arbeiten. Überwiegend sind 900 Mitar­beiter vor Ort. Von ihnen kommen nach bisherigen BVK-Erfahrungen ein Drittel mit dem Auto und ein Drittel mit der U-Bahn oder dem Bus zur Arbeit. Und etwa ein Drittel zu Fuß – weil die BVK in der Umgebung Geld in viele Wohnungen investiert hat? – oder mit dem Fahrrad. In mehreren Ebenen unter der Erde gibt’s denn auch mehr als 800 Autostell­plätze. Und eine eigens geplante Räderrampe führt in der Tiefgarage zu hunderten Radlparkplätzen.

Ende Mai / Anfang Juni soll’s losgehen, und zwar ein Jahr lang mit Entsorgungen im Innern der Siemens-Gebäude, ehe der ebenfalls etwa zwölf Monate dauernde Abriss erfolgt. 2021 / 2002 wird angefangen zu bauen, 2024 soll der Umzug erfolgen.

Was aus den drei bestehenden Gebäuden der BVK-Zentrale beziehungsweise der Grund­­stücke an der Denninger- und Arabellastraße und der Forderung des Bezirksausschusses Bogenhausen nach Wohnungen wird, das ist immer noch nicht klar, wird aber untersucht, so Just auf Nachfrage.

Dazu hatte Robert Brannekämper, Vize-Vorsitzender des Kommunalparlaments und CSU-Land­tags­­­abgeordneter, im vergangenen Juli im Kommunalparlament erklärt: „Vor­stands­vorsitzender Daniel Just hat mir in Vorgesprächen zugesagt, dass nach dem Umzug in die neue Zentrale am Denninger Anger Wohnungen entstehen. Wohnungen im Anger sind die Grundvoraussetzung für alles Weitere!“ Und Gremiumsvorsitzende Angelika Pilz-Strasser hatte betont: „Wohnungen am Denninger Anger, die auch für Normalverdiener erschwinglich sind, sind städtebaulich notwendig. Das erwarte ich von der BVK.“ Die Lokalpolitiker hatten beschlossen: Ohne juristisch wasserdichte Zusage, auf 50 Prozent des Areals im Arabellapark Mietwohnungen zu realisieren, werde das BVK-Projekt für eine neue Zentrale nicht weiter verfolgt.

Platz zwei beim Architektenwettbewerb: Der Vier-Flügel-Turm vom Büro Teherani. Foto: Hadi Teherani / BVK

 

Platz drei beim Architektenwettbewerb: Drei versetzte, sechseckige Türme. Foto: Steidle Architekten / BVK