25. November 2019

Es ist schon ein wenig bizarr, wie sich die Mitglieder von SPD, Grüne und ÖDP des Bezirksaus­schusses angesichts dringend notwendiger Antworten zu Planungsfragen der Deutschen Bahn (DB), genauer der DB-Netz AG, verhalten. Stichwort: Vertagung.

Gleichwohl Robert Brannekämper, Vize-Vorsitzender des Kommunalparlaments und CSU-Landtagsabgeordneter, zur Sache eindring­lich gemahnt hatte: „Das steckt Dramatik drin. Wenn wir nicht frühzeitig – je eher desto besser – klar darlegen, was wir wollen, dann befürchte ich, dass es zu spät ist. Im April / Mai will die Bahn ja ihre Lösungsvorschläge auf den Tisch legen.“

Der Reihe nach: Auf Grund der „kurzfristigen Anhörung“ hatte zunächst das Untergremium Planung des Bezirksauschusses eine Stellungnahme zur Beschlussvorlage des Planungsreferats für den Stadtrat (geplante Behandlung im Dezember!) zum Ausbau des Güterverkehrsknotens München vertagt – auf das Treffen am 10. Dezember. Um Schwung in die Angelegenheit zu bringen, hatte die CSU-Fraktion auf Initiative von Brannekämper und Ulrich Tetzner, dem zweiten Stellvertreter der Vorsitzenden Angelika Pilz-Strasser, kurzfristig einen fünfteiligen Antrag eingereicht.

Tenor des Vorstoßes: Truderinger und Daglfinger Kurve und viergleisiger Ausbau des Streckenab­schnitts Zamdorf bis Johanneskirchen – Daten beschaffen, aus einem Guss planen, Anwohner­schutz gewährleisten! Genau das wird seit langem von Bürgern und Politikern gefordert.

In der Erläuterung heißt es (verkürzt) dazu: Der Bezirksausschuss fordert die Stadt auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die Münchner Interessen beim viergleisigen Ausbau und bei der Planung der Daglfinger und Truderinger Kurve gegenüber dem Bund und der DB Netz AG klar zu stellen. Dabei ist davon auszugehen, dass die vom Planungsreferat formulierte Zielset­zung, „den Bahnknoten München grundsätzlich vom überregionalen Güterverkehr zu entlasten“, längst von neuen bundesgesetzlichen Vorgaben überholt ist. Brannekämper: „Diese Tatsache möge auch die Stadt doch endlich zur Kenntnis nehmen.“

So weit, so klar. Da beantragte Wolfgang Helbig (SPD) im Vollgremium Vertagung, bezichtigte Brannekämper erregt der Unglaubwürdigkeit, weil im Unterausschuss Planung das Statement zum Papier des Planungsreferats vertagt worden war. Ergebnis der folgenden Abstimmung zur Ver­schiebung: 16 (SPD, Grüne, ÖDP) gegen 16 (CSU und FDP), also Patt, Vertagung also abgelehnt.

Den Ausweg aus der Sackgasse fand dann CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller: Antrag splitten. Helbig war – obwohl seine Parteikollegin Christiane Hacker auf ausreichende Vorberei­tungszeit gepocht hatte – flugs dabei: „Punkt eins und drei gehen an die Stadt, den Rest dann zu­sammen mit der Stellungnahme zum Referatsentwurf im Dezember.“

Einstimmig (!) verabschiedet wurden sodann die besagten zwei Punkte:

  • Die Stadt möge die DB Netz AG auffordern, ihr die der Planung zugrundeliegenden Güterver­kehrsprognosen für die Planungshorizonte 2030 und 2050 für die genannten Streckenabschnitte sowie die sich durch den Brenner-Basistunnel zusätzlich ergebenden prognostizierten Verkehre vollständig zur Verfügung zu stellen.
  • Die Stadt untersucht die Auswirkungen des massiv steigenden Güterverkehrs auf den Personen­nahverkehr und -regionalverkehr. Insbesondere möge sie untersuchen, ob in allen betroffenen Ab­schnitten durch die Ausweitung des Güterverkehrs noch hinreichend Kapazitäten für einen moder­nen und pünktlichen Personenverkehr mit schnelleren Takten gerade zum Flughafen gewährleistet werden können.

Bei der Dezember-Tagung geht’s dann (auch) um die drei weitere Forderungen:

  • Die Stadt gewährleistet gemeinsam mit der DB eine frühzeitige, transparente und umfassende Bürgerinformation und etabliert eine zentrale, städtische Koordinierungsstelle für die verschiedenen Bauprojekte im Rahmen des „Bahnknoten München“, die sowohl als Interessenvertretung der Stadt gegenüber Bahn und Bund, als auch als Informationsstelle für die Bürger dient.
  • Die neuen Gleistrassen im Bereich der Truderinger und der Daglfinger Kurve sind niveaugleich fortzuführen, sodass die Troglage in der Höhe gehalten und in ein künftiges Tunnelbauwerk im Bereich des Streckenabschnitts Zamdorf-Johanneskirchen überführt werden kann. Die Stadt wirkt als Planungsvertragspartner der DB Netz AG darauf hin, dass beide Projektabschnitte nicht singulär betrachtet werden, sondern endlich eine gesamtplanerische Lösung erarbeitet und realisiert wird.
  • Nachdem das Planungsreferat es nicht zeitnah geschafft hat, für das Thema „Bahnknoten Mün­chen“ zufriedenstellende Lösungen und Schritte herbeizuführen, möge der Oberbürgermeister das für die Stadtwerke München zuständige Referat für Arbeit und Wirtschaft beauftragen, das bei Bahnthemen ebenfalls über große Erfahrung verfügt.
Der pure Horror für Anwohner: Schon heute donnern mehr als 80 Güterzüge über die Strecke Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen. 2030 werden es laut Bahnangaben bereits rund 230 Züge sein, nach dem Vollausbau bis 2050 mehr als 600 Züge. Foto: hgb

Brannekämper und Tetzner hatten es – offensichtlich im Gegensatz zu anderen Lokalpolitikern – geschafft, die 41-seitige Vorlage des Planungsreferats vom 7. November 2019 zu studieren. Denn in der Begründung des CSU-Antrags steht:

Beim genauen Lesen fällt auf, dass die abstrakten Planungsgrundlagen der DB so gut wie nicht be­handelt werden. Auch die Tatsache, dass der Bund im neuen Bundesverkehrswegeplan die Umfah­rung Münchens zurückstuft und die Abwicklung des Güterverkehrs durch den Brenner-Basistunnel über München sogar als vordringlich bewertet, nimmt im Referat offenbar niemand zur Kenntnis. Es beschäftigt sich lieber mit kleinteiligen Themen, wie oberirdischen Fuß- und Radwegebeziehungen sowie Straßenanbindungen, die als absolut nachrangig angesehen werden müssen.

Fakt ist aber, dass die Ertüchtigung des Bahnknotens München, inklusive der beiden Bogenhausen betreffenden Projekte Truderinger und Daglfinger Kurve und viergleisiger Ausbau, eine massive Steigerung beim Güterverkehr erwarten lässt. Das Referat verweist im Hinblick auf die Truderinger und Daglfinger Kurve immer wieder darauf, dass die Einflussmöglichkeiten der Stadt bei Projekten der DB begrenzt seien. Um Anwohner vor den Folgen der Zunahme des Bahnverkehrs (Lärm, Erschütterungen) zu schützen, muss die Stadt endlich wirksam die Bürgerinteressen vertreten.

Insbesondere müssen die Vorhaben endlich gemeinsam betrachtet werden, um sinnvolle Lösungen gerade auch für den Bereich der Schnittstellen zwischen den Bauvorhaben zu finden und die Zeit­abläufe aufeinander abzustimmen. Dabei ist weiterhin von der Beschlusslage des Stadtrats auszu­gehen, im Streckenabschnitt Zamdorf bis Johanneskirchen im Rahmen des viergleisigen Ausbaus eine Tunnellösung zu realisieren. Auch sind unbedingt die Auswirkungen des steigenden Güterver­kehrs auf die Kapazitäten im Personenverkehr darzustellen, um städtische Planungen für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs darauf abzustimmen. Dies ist aber nicht ohne eine valide Grundlage auf Basis der aktuell den Planungen zugrundeliegenden Zahlen der DB Netz AG zu bewerkstelligen.