14. Januar 2020

Konträrer hätten die Auffassungen im Bezirksausschuss nicht sein können: Gegen die Initiative von CSU und FDP „für mehr Verkehrssicherheit auf der Richard-Strauss-Straße zu sorgen und insbesondere eine Verbreiterung der beiden Fahrspuren und der beidseitigen Parkplatzflächen zu prüfen“ stemmten sich die Kommunalvertreter von Grünen und ÖDP vehement. Die >Lösung<: Vertagung, Ortsbesichtigung – mit der Maßgabe, die Stadt soll dann Vorschläge unterbreiten.

Dazu wurde ferner beantragt: Es sind dem Kommunalparlament Maßnahmen für eine attraktivere Oberflächengestaltung vorzuschlagen“, vor allem sollen Möglichkeiten für mehr „Kunst im öffentlichen Raum“ geprüft werden. Außerdem sollen Optionen aufgezeigt werden, die zu einer Belebung der boulevardähnlich gestalteten Fußgängerbereiche führen. Kurzum: alles soll attraktiver werden.

Ich war entsetzt, als ich den Antrag gelesen hatte. Die Richard-Strauss-Straße und den Parkstreifen verbreitern …“ radebrechte Grünen-Fraktionssprecherin Paula Sippl in ihrem Statement und blieb stecken. Initiator Manfred Krönauer, bis vor kurzem liberaler Vertreter, jetzt parteilos, erklärte ihr und allen anderen das Ansinnen: „Weder Radfahrer noch Fußgänger hätten dann weniger Platz, man muss nur von dem breiten Grünstreifen ein Stück wegnehmen.“ Denn: Immer mal wieder würden Außenspiegel von parkenden Autos beschädigt. Und: „Begegnen sich zwei Busse, muss ein Fahrer anhalten, damit der entgegenkommende Bus vorbeifahren kann.“

Alltagssituation auf der Richard-Strauss-Straße: Ein Reisebus fährt fast auf dem Mittelstreifen, der Abstand zu dem blauen Kleinwagen (!) ist sehr gering. Begegnen sich zwei Busse oder Lastwagen, müssen die Lenker haarscharf an die parkenden Autos manövrieren. Dabei werden immer wieder mal die abstehenden Rückspiegel von Bussen und abgestellten Pkws beschädigt. Foto: hgb

In der Tat: Selbst dann ist meist Zentimeterarbeit der Buslenker nötig, damit sich die Rückspiegel der Fahrzeuge nicht touchieren. Kommt gar ein Baulast- oder Umzugswagen einem Bus entgegen, sind vielfach Verkehrsstillstand und Rückstaus die Folge. Da gilt es, die Fahrzeuge haarscharf an die parkenden Autos zu manövrieren und dann ganz langsam zu passieren. Krönauer erklärte: „Es ist Zeit zu handeln. Sie (Anm. d. Red.: die Grünen) haben ja fast 500 Unfälle moniert.“

Der Hintergrund zu dieser Aussage: Mitte September hatten die Lokalpolitiker den Grünen-Antrag „Reduzierung der Geschwindigkeit in der Richard-Strauss- zwischen der Prinzregentenstraße und dem Böhmerwaldplatz auf Tempo 30“ mit den Stimmen von CSU, SPD und FDP in den Papierkorb gestampft. Dabei hatte der Grüne Andreas Baier behauptet: „Zwischen August 2016 und August 2019 haben sich in diesem Bereich 467 polizeilich bekannte Verkehrsunfälle ereignet, es hat mehrere Unfälle mit Schwerverletzten gegeben.

Dazu hatte der Verkehrsexperte der Polizeiinspektion 22 Bogenhausen klar gemacht, dass die Unfallzahl nicht stimmen kann, hatte auf Nachfrage ein Tempolimit 30 abgelehnt. Der Beamte hatte überdies erklärt, dass man auf der Richard-Strauss-Straße nur selten die erlaubten 50 km/h fahren kann. Und: Bei fast allen Kollisionen handelt es sich um „Kleinstunfälle“ – also mit Schrammen und Dellen. Bei zwei Unfällen gab es Verletzte, darunter ein Bub, der sich von der Hand der Mutter losgerissen hatte, zwischen im Stau stehenden Fahrzeugen durchgelaufen und auf der Gegenseite erfasst worden war. Seinerzeit SPD-Verkehrssprecher Martin Tscheu: „Dieser Unfall wäre auch mit Tempo 30 nicht verhindert worden. Tempo 30 ist schön und gut, aber da wo’s hingehört. Und nicht ein Fleckerlteppich mal mit Tempo 30, mal mit 50.“

Und Baier vor Monaten? „Die Richard-Strauss-Straße ist eine der gefährlichsten Straßen in Bogenhausen. Im angeführten Zeitraum hat es 14 Unfälle mit Fußgängern und 20 mit Radfahrern gegeben.“ Da muss man sich fragen: Sind sich Fußgänger und Radfahrer in die Quere gekommen, haben Radfahrer Fußgänger gerammt? Angesichts breiter, getrennter (!) Geh- und Radwege können diese Unfälle jedenfalls nicht im Zusammenhang mit Autos stehen. Es sei denn, Radfahrer waren mal wieder verbotswidrig auf der Fahrbahn unterwegs, und sie oder Fußgänger haben die ampelgesteuerten Übergänge nicht benutzt oder bei Rotlicht die Straße überquert.

Zurück zur Verbreiterung der Fahrbahnen: ÖDP-Frau Nicola Holtmann: „Auf breiteren Straßen fahren die Autos schneller. Das ist wissenschaftlich erwiesen.“ Mag sein oder auch nicht. Gleichwohl: Auf der Richard-Strauss-Straße ist das angesichts des Verkehrsaufkommens kaum möglich, wie eben schon die Polizei bestätigt hat. Dazu muss man wissen: Die Richard-Strauss-Straße war einmal vierspurig, wurde 2009 mit der Freigabe des Tunnels zweispurig angelegt. Just an diesem Punkt setzte CSU-Mann Peter Reinhardt an: „Wir wissen doch alle, sind uns doch einig, dass die Straße suboptimal gebaut worden ist und Verbesserungen angebracht sind.“

Merkmale der Richard-Strauss-Straße: Überdimensioniert breite Gehwege, weiträumige Grünstreifen, Fahrradwege mit abmarkierten Sicherheitszone, um Unfälle mit unvorsichtig aussteigenden Beifahrern zu vermeiden, zu schmale Parkstreifen und zu enge Fahrbahnen. Foto: hgbrzeug

CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller: „Ich verstehe die Grünen nicht. Wir reden hier nicht von Metern an Verbreiterung, sondern von Zentimetern. Das ist doch eine sinnvolle, sichere Lösung. Die Polizei sieht das auch so!“ Und Baier: „Breiter gleich mehr Sicherheit, da sträuben sich mir die Haare.“ Schallendes Gelächter im Plenum angesichts des lichten Haupts von Baier.

Bezirksausschuss-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne): „Ich find’s lustig. Tempo 30 abgelehnt. Und nun Verbreiterung. Wir haben unterschiedliche Lösungsansätze. Ist es auf der Richard-Strauss-Straße gefährlich oder nicht? Eine Verbreiterung ist auf jedenfalls keine billige Sache.“ Letzteres ist sicherlich der Fall. Und gefährlich? Dazu Finkenzeller: „Im Antrag steht nicht das Wort gefährlich.“

Was notwendig ist, das erfasste Reinhardt mit einem Begriff: „Verbesserungen!“ Und zwar für ein „vernünftiges und sicheres Miteinander von Fußgängern, Rad- und Autofahrern.“ Bleibt abzuwarten, was sich díe Lokalpolitiker und was sich die Stadt an Verbesserungen einfallen lässt.