20. April 2020

Visionen, Träume, Ideen, Konzepte, Umgestaltungen und schließendlich ein realisierbarer Plan: Am 23. April 1980 war es dann endlich so weit – der Grundstein für den Wohn- und Bürokomplex Arabellapark, dem von der Elektra- , Daphne-, Denninger- und Arabellastraße sowie dem Rosenkavalierplatz eingerahmten Viertel, wurde gelegt. 40 Jahre Arabellapark – das ist eine Erfolgsstory. Mehr als 10 000 Menschen leben heute in Münchens einzigartig attraktivem Stadtquartier, mehr als 15 000 Arbeitsplätze sind seither entstanden. Einige Eckdaten, Einblicke und Erinnerungen.
• Die Grundsteinlegung ist der offizielle Geburtstag der Stadt in der Stadt. Gleichwohl gibt es weitere Eckpunkte, die immer mal wieder zu einer zeitlichen Fixierung herangezogen werden. So beispielsweise der 1965 aufgestellte Bebauungsplan – nebenbei ein wichtiger Wegweiser für München, wurde darin doch der Grundsatz einer Verankerung von Wohnen und Arbeiten festgeschrieben. Oder 1960 mit dem Bau der 54 Meter hohen, hellbraunen, vor zehn Jahren abgerissenen Siemens-„Scheibe“ an der Arabellastraße 30, wo inzwischen der schwungvolle und zugleich super moderne Bürokomplex Arabeska steht.
• Das Arabellapark-Areal war einst, unter anderem neben Oberföhring, eine Grundlage für den Bauboom in der Landeshauptstadt bis zum Ersten Weltkrieg. Ziegeleien hatten sich breit gemacht, hatten die Backsteine für den Aufbau der heutigen Millionenmetropole geliefert. Später gab’s dann Kiesgruben und Quetschwerke, Acker- und Weideland. In den Zwanziger Jahren wurde im Denninger Anger an einer Kiesgrube sogar eine Skisprungschanze erstellt.

Der Grundstein (23. April 1980) für den Wohn- und Bürokomplex Arabellapark. Foto: hgb

• In den Folgejahrzehnten: Der „Führer“ wollte hier einen Altersruhesitz mit Park samt See erstellen lassen. In der Nachbarschaft wurde in den Fünfziger Jahren die erste Großsiedlung Münchens hochgezogen, die seinerzeit von Touristen, vor allem Asiaten, bestaunte Parkstadt Bogenhausen. Die Stadt wollte zu dieser Zeit auf dem dortigen Gelände einen großen Friedhof anlegen. Der Plan wurde aber verworfen, die letzten Ruhestätten kamen auf ein Grundstück in Perlach.
• Josef Schörghuber war es schließlich, der zwischen 1958 und 1965 nach und nach Grundstücke für 17,50 Mark pro Quadratmeter erwarb oder gegen andere Flächen tauschte, bis er knapp 40 Hektar für sein späteres Lebenswerk, eben den Arabellapark, zusammen hatte. Der Bau-Tycoon überbot damals die Neue Heimat, die die damals so bezeichnete Parkstadt II errichten wollte.
• Der 23-stöckige Arabella-Wolkenkratzer wurde 1969 eingeweiht. Der Schatten einer bundesweit einmaligen Skyline zeichnete sich ab. 153 Meter lang, 75 Meter hoch, 20 Meter breit – das Boardinghouse mit Swimmingpool über den Dächern Münchens und seinerzeit mit einem Hubschrauberlandeplatz, galt ob der Mischung aus Wohnen und Service als Schlaraffenland. Die Fassade, ein Gitterwabenelement, nannte einmal ein Anwohner spöttisch und zugleich bezeichnend „Haremsgitter“: Bezeichnend, weil einst Damen in der Anonymität des Kastens ihre Dienste angeboten hatten, zum anderen weil viele arabische Besucher in der Sommermonaten zugegen waren.

Der Lampenhügel am Rosenkavalierplatz – in etwa der Mittelpunkt des Quartiers. Foto: hgb

• An dem riesigen Betonblock nagte und nagt auch heute noch der Zahn der Zeit. Vor kurzem wurde deshalb von den Verantwortlichen der Besitzerin, der Bayerischen Hausbau, entschieden, ab Jahresanfang 2026 die „Scheibe“ abzutragen und neu zu bauen. Wie das neue Gebäude samt Umgebung einmal aussehen wird, ist bis dato noch nicht klar. Klar hingegen ist schon heute: das Projekt ist ein Milliarden-Ding – Abriss- und Neubaukosten sowie Einnahmeverluste zusammengerechnet. Experten schätzen, dass frühesten im Jahr 2032 alles fertig ist.
• Die Richard-Strauss-Straße gab es schon vor dem Arabellapark. Es war dann fast logisch für die Kommunalvertreter, sich bei den Namensgebungen für Straßen und einen Platz an dem 1864 in München geborenen Komponisten zu orientieren. Die Heldin der Oper Arabella war Patin für die Stadtviertelbezeichnung – der Name bedeutet „kleine Araberin“ oder, wie viele Bewohner fast stur erklärten, „schöne Tochter“. Das passte – Schörghubers Tochter heißt mit Vornamen Arabella. Dazu kamen Rosenkavalierplatz, Elektra- und Daphnestraße sowie Ariadne- und Salomeweg.
• Im Februar 1965 wurde vom Stadtrat der Bebauungsplan für den Arabellapark und 1976 für die Wohnsiedlung beschlossen. Dabei wurden diverse Ideen verworfen. So sollte an Stelle des heutigen kleinen Kongresszentrums am Hotel eine Konzerthalle mit Platz für bis zu 2800 Besucher entstehen – die Realisierung scheiterte am Einspruch der Münchner Philharmoniker, obwohl Schörghuber die Kosten für den Bau selbst stemmen, dafür aber ein Legungsrecht haben wollte. Später wurde die Idee am Gasteig umgesetzt.
• Eine Vereinigung, bekanntestes Mitglied war der inzwischen verstorbene Industrielle und Playboy Gunther Sachs, plante im Quartier ein „Modern Art Museum“. Weiter war ein Kaufhaus vorgesehen, und zwar auf dem Grundstück des heutigen Rewe-Markts. Auch diese beiden Vorhaben verschwanden in den Archivschubladen.

Der Biergarten vor dem Arabella-Hochhaus – ein kleines Idyll inmitten von viel Beton. Foto: hgb

• Realisiert wurde rechtzeitig zum Beginn der Olympischen Sommerspiele 1972 das heutige „The Westin Grand München“, nun Kategorie fünf Sterne, mit mehr als 600 Zimmern. Wie an der Schnur aufgezogen reihten sich ringsum Gebäude um Gebäude an – unter anderen das Bayerische Ministerium für Umweltfragen und Landesentwicklung, das vor kurzem kernsanierte und aufgestockte Sternhaus der BayWa, der knapp 500 Millionen Mark teure, inzwischen ebenfalls von Grund auf modernisierte HypoVereinsbank-Tower, das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium (neuerdings geplanter Umzug in drei ovale Gebäude am Salzsenderweg im Jahr 2023) und das Klinikum Bogenhausen, für das derzeit ein 350 Millionen Euro teurer Anbau entsteht. Lediglich das jetzige Wohnviertel war damals quasi weiter Schafswiese.
• Schaut man sich ein Modellfoto des Arabellaparks aus den Sechziger Jahren an, traut man kaum seinen Augen: Den 360 Millionen Euro teuren, im Sommer 2009 eröffneten Richard-Strauss-Tunnel hatten Schörghuber und seine Ingenieure damals schon – mit einer Unterführung des Effnerplatzes – geplant.
• Mit der Einweihung der U4, Endstation Arabellapark, im Oktober 1988, fast gleichzeitig mit der Fertigstellung des Wohnviertels, kam Schwung in das Zentrum. Immer mehr Arbeitsplätze und in Folge Geschäfte entstanden. Eine Infrastruktur, die bis dato ihresgleichen in München sucht, macht bis heute das Leben hier lebenswert. Menschen vieler Nationalitäten schätzten und schätzen dies. Allerdings waren damit auch jahrelang Probleme verbunden, denn für Investoren und Medizintouristen aus arabischen Ländern war Geld offensichtlich nur bedrucktes Papier und sie meinten damit, die Herren hier zu sein, diktieren, schalten und walten zu können, wie sie es in ihrer Kultur zu leben gewohnt waren. Die Bezeichnung „Araberpark“ war allgegenwärtig. Inzwischen hat sich die „Situation“ beruhigt, die „Karawane“ ist weiter gezogen.

Der Wohn- und Bürokomplex Arabellapark aus der Vogelperspektive. Foto: hgb

• Die einstigen Neubaupreise von 5000 bis 6000 Mark pro Quadratmeter Wohnraum haben sich gehalten – inzwischen natürlich in Euro. Mindestens. Tendenz: Fünfstellig.
• Ob Bank, Bäckerei und Bücherei, Bistro, Bar und Buchhandlung, Blumengeschäft, Brillenladen und Boutique, ob Klinik, Kino und Kiosk, Kunstladen, Kirche und Café, Friseur, Fotoladen und Fitness-Center, ob Parfümerie und Poststelle, Apotheke, Arzt, Akustiker und Autoverleih, Restaurant, Verlag, Schuhmacher und Metzger – es gibt wohl nichts, das man missen muss. Stimmt nicht ganz, meinte ein betagter Anwohner: „Ein Fischlokal fehlt …“
• Der Mann erinnerte sich im Gespräch auch an den vor langer Zeit umgelegten Maibaum kurz vor dem U-Bahneingang auf dem Rosenkavalierplatz, der Moderne und Tradition wunderbar verbunden hat. Es war der einzige in Bayern, der als Zunftzeichen einen Mann an einem Computerbildschirm zeigte.
• Weitere „Meilensteine“: Einweihung des Pfarr- und Sozialzentrums St. Rita an der Daphnestraße (1985) und des Kindergartens (1988) – der stets donnerstags stattfindende Wochenmarkt auf dem Rosenkavalierplatz (seit Oktober 1987) – Das erste Umweltministerium der Welt, genauer das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit Sitz am Rosenkavalierplatz (geschaffen am 8. Dezember 1970) – Start der Tram St. Emmeram (Dezember 2011) – Momentan laufender, zum Verdruss vieler Anwohner lautstarker Umbau des ehemaligen Bürokomplexes an der Arabellastraße 13 in ein Best Western Hotel.

Der geschwungene Bürokomplex Arabeska – auf dem rot eingekreisten Areal wird demnächst das erste von unten bis oben begrünte Hochhaus (16 Stockwerke) gebaut. Foto: hgb