27. August 2020

Eine Untersuchung – Videoaufnahmen in sechs Stunden an zwei Tagen ­– mit Hochrechnung des Vereins „Mobil in Deutschland“ zu Rotlichtverstößen von Radfahrern in München sorgte jüngst für Aufsehen. Laut Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs, missachten in der Stadt täglich 25 000 Fahrradfahrer das Rotlicht an Ampeln. Und wie sieht’s in Bogenhausen mit der Beachtung von Verkehrsregeln durch Fahrradfahrer und auch Fußgänger aus? Unsere Bilanz vorab: erschreckend!

Die ursprünglich erwogene Stichprobe an der Kreuzung Richard-Strauss- / Denninger Straße mit sehr viel (Auto-)Verkehr und vier Übergängen haben wir verworfen. Denn: Wer hier die Fahrbahn bei Rot überquert, der ist schlicht und einfach lebensmüde.

Die „Prüfung“ erfolgte – erste Station – ein paar hundert Meter weiter: am kombinierten Fußgän­ger- und Radüber­weg an der Denninger Straße zwi­schen dem Arabellapark und dem Denninger Anger. Und zwar werktags, Feierabendzeit. Ob 15, 45 oder 75, ob mit Kinderwagen, Rollator oder Rad – viele waren unterwegs.

Binnen einer Stunde querten 40 Radfahrer den ampelgesteuerten Überweg. 22 von ihnen bei Rot – also mehr als 50 Prozent. Gerade einmal sieben Radler trugen einen Helm … Ein wartender Rad­ler brüllte einem bei Rot fahrenden Pedalritter ein langgezogenes „Heeyyy“ nach. Der „Angesproch­ene“ schaute kurz über die Schulter zurück und schrie: „Fahr’ Du halt bei Grün …“

Mann stelle sich mal im Umkehrschluss vor: Jeder zweite Autofahrer würde an dieser Stelle bei Rotlicht über die Ampel fahren …

Ampelgesteuerter Übergang an der Denninger Straße vom und zum Anger / Rosenkavalierplatz: Die Hälfte aller Radfahrer und auch Fußgänger warten das Grünlicht nicht ab. Im schlechtesten Fall zeigt die Ampel 109 Sekunden Rot. Foto: hgb

Und die Fußgänger? 42 marschierten bei Rotlicht los, obwohl die meisten von ihnen per Druck­knopf Grün angefordert hatten. Offensichtlich war ihnen die Wartezeit zu lang. Und 42 Personen hatten „Zeit“, warteten geduldig. Verhältnis also fifty-fifty.

All das bedeutet in letzter Konsequenz: Fahrradfahrer und Fußgänger bringen sich fahrlässig in Gefahr, manch ein Autofahrer steht mit einem Bein im Gefängnis.

Zweite Station: „Wer sein Radl liebt, der schiebt““ – das gilt am Isar-Wehrübergang Oberföhring. Denn: An allen Zufahrten ist das Schild „Radfahrer absteigen“ und das Verkehrszeichen 239, eine Frau mit Kind auf blauem Untergrund, also eine Strecke nur für Fußgänger, angebracht.

„Radfahrer absteigen“ – deutlich ausgeschildert sind die Zufahrten am Oberföhringer Wehr, doch fast keiner kümmert sich drum. Vor allem, wenn mal keine Fußgänger „stören“. Foto: hgb

Sonntag, Sonnenschein, leichte Brise, 13 Uhr: Schwärme von Pedalrittern (darunter auch drei schwangere Frauen, alle ohne Helm!) sind unterwegs – mit City- und Rennrädern, mit „Schubkar­ren“-Kästen, mit Mountainbikes in allen Variationen, mit Kinderwagenanhänger. Dazwischen – im­mer mal wieder fast touchiert ­­– Spaziergänger aller Altersklassen, Kleinkinder, Hunde.

Wiederum eine einstündige Beobachtung. Gezählt wurden 279 Radfahrer, 33 entsprechend rund zwölf Prozent trugen einen Sturzhelm. Und kaum zu glauben: Nur 36 Personen schoben wie vorgeschrieben ihr Zweirad, also lediglich etwa 13 Prozent. Kurzum: Die Schattenseiten des Fahrrad-Booms werden immer deutlicher.

„Radfahrer absteigen“ heißt’s am Oberföhringer Wehr. Die wenigsten Radfahrer kümmern sich darum, fahren mit Schwung auf die Brücke, gefährden oft Mütter mit Kinderwagen und Spaziergänger mit und ohne Hund. Foto: hgb