25. Februar 2021

Absolute Halteverbote: „Rückgängig machen!“

In der Amberger-, Niedermayer- und Gebelestraße hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) unlängst in Abstimmung mit dem Bezirksausschuss wegen Beschwerden und auf einen Antrag hin absolute Halterverbote erlassen, um Parken auf den Gehwegen zu verhindern. Was einige Anwohner begrüßten, brachte andere auf die Palme. Bei einer Videokonferenz – moderiert von Florian Ring (CSU), Vorsitzender des Kommunalparlaments, und Florian Braun (Grüne), Vorsitzender des Untergremiums Verkehr und Mobilität – lehnte eine überwältigende Mehrheit die erlassenen Maßnahmen ab.

Zum Hintergrund: In der Gebelestraße sowie in zwei Nebenstraßen wurden Halteverbotsschilder installiert. In der Amberger Straße ist Parken nur noch auf einer Seite möglich. In der Niedermayerstraße darf zwar auf beiden Fahrbahnseiten geparkt werden, aber nur noch im Wechsel, ebenso in der Gebelestraße. Laut Angaben von Anwohnern – im Gebiet gibt’s etwa 700 Wohneinheiten mit und 1400 Bewohnern – ist in etwa die Hälfte, etwa 120, der Parkplätze entfallen. Dazu berichtete bereits unser-bogenhausen.de: Areal Amberger Str.: Streit um Halteverbote

Per Antrag mit mehr mittlerweile 279 Unterschriften protestieren die Halteverbots-Gegner, bezeichnen das laut ihrem Vertreter Patrik Bothe als „unzumutbaren Zustand“, fordern „die sofortige Aussetzung der Verfolgung und Verwarnung insbesondere während des Lockdowns an den neu entstandenen Halteverbotszonen und eine Rücknahme der völlig überzogenen Neuregelung und eine schnellstmögliche Rückführung in den alten, seit Jahren bewährten Zustand.“ Sie reichten eine Beschwerde bei der Stadt ein.

Aufnahme an einem Sonntag: Anwohner der Ambergerstraße nutzen die Möglichkeit in der Umgebung ihres Wohnhauses ihre Autos zu parken. Foto: hgb

Ring machte bei der ein wenig holprig gestarteten, gleichwohl harmonisch verlaufenden Videokonferenz – eine Neuheit und Umstellung (auch) für Lokalpolitiker – klar, „dass wir heute den gordischen Knoten nicht zerschlagen werden können“, es vielmehr darauf ankomme, „alles zu analysieren und Sachargumente zu sammeln.“

Das Fazit: Die Bürger sind enttäuscht und verärgert über die mangelnde Kommunikation der Stadt mit ihnen, dass die Halteverbotsschilder quasi von heute auf morgen über Nacht installiert wurden. Sie sind sich fast unisono einig, dass sich für alle die Situation, ja die Lebensqualität verschlechtert hat, weil a) Stellplätze fehlen, b) trotz Tempolimit 30 nunmehr durch das Wohngebiet gerast wird und c) Radfahrer deswegen viel stärker als zuvor gefährdet werden.

Den Antrag der CSU-Fraktion im Bezirksausschuss, auf den Gehwegen Abmarkierungen (siehe dazu hier) für parkende Autos anzubringen (wie in der Scheinerstraße) und die Halteverbote aufzuheben, erachten die Anwohner als eine Lösung. Eine andere wäre ihrer Ansicht nach eine Parklizenzzone. Doch klar ist: dafür reichen die Kriterien nicht aus. Das machte Peter Reinhardt, CSU-Ratsmitglied im Bezirksausschuss klar, dessen Aussage zu Folge das Parkproblem vor Ort schon seit 2009 Thema in der Stadtteilvertretung ist.

Ein wenig mehr Platz für Fußgänger hätte dieser Gehwegparker in der Gebelestraße schon lassen können. So kam es letztendlich zu den neuen Halteverboten. Foto: hgb

Klar ist auch, dass die „Angelegenheit“ die Anwohner wie auch Lokal- und Stadtpolitiker noch länger beschäftigen wird. „Das wahre Ausmaß werden wir vielleicht im Sommer erleben, wenn die Pandemie hoffentlich vorbei ist, wenn die Leute aus dem Home Office an ihre Arbeitsplätze zurückkehren und somit die „Fremdparker“ ,beispielsweise die Mitarbeiter der HypoVereinsbank, wieder ins Viertel kommen“, so ein Bürger.

Gerade mal zwei der Gesprächsteilnehmer begrüßten die neuen absoluten Halteverbote. Für einen Hausmeister ist es einfacher, mit der Maschine statt mit der Schaufel Schnee zu räumen. Seiner Aussage sind in der naheliegenden zweistöckigen Tiefgarage, die gerade renoviert wird und in etwa drei Wochen wieder genutzt werden kann, „von 69 nur etwa 50 Plätze vermietet.“ Ein Duplex-Platz koste dort 50 bis 60 Euro. Freilich: nur Kleinwagen passen da rein.

Ein anderer Mann monierte, dass man bislang zwischen Gehparkern und seitlichem Stromkasten mit einem Rollator oder Kinderwagen nicht vorbei kommen konnte, ohne ein Auto zu touchieren. „Deshalb ist es gut, dass das illegale Parken auf dem Bürgersteig verboten worden ist.“ Und einige wären zu bequem, ihr Auto auf ihrem Tiefgaragenplatz zu fahren und würden stattdessen am Straßenrand parken.

Protest gegen das neue Halteverbot in der Niedermayerstraße und Aufforderung an die Anwohner sich dagegen zu wehren. Foto: hgb

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Dagegen:

„Ich habe keinen einzigen Fürsprecher zu den Verboten bei der Unterschriftenaktion getroffen, kein einziger, der (mit Corona-Abstand) angesprochen worden ist, hat nicht unterschrieben, auch Nachbarn ohne Auto haben unterschrieben. Ein oder zwei Beschwerden wurden von der Stadt das größte Gehör geschenkt. Ich bin früher mit dem Kinderwagen ohne Probleme immer durchgekommen. Jetzt laden die Straßen zum Durchrasen ein, es wird durchgebrettert, vor allem die Fahrer von SUVs. Radler trauen sich nicht mehr auf der Straße zu fahren.“

 

Ein Plädoyer für Senioren:

„Viele versorgen sich per Auto, können keine längeren Fußwege mehr machen, gehören zur Corona-Risikogruppe, fühlen sich im Auto sicherer als im Bus oder der Tram.“ Oder: „Das Argument >Schneeräumen< ist doch unverständlich bei den paar Tagen, an denen wir Schnee haben. In der Gebelestraße sind die Gehsteige breit, an keiner Stelle ist’s eng.“

 

Eine Frau:

„Ich kann mir 70 Euro für einen Tiefgaragenplatz nicht leisten, um dann eventuell sogar noch weit nach Hause laufen zu müssen. Ich bin, nicht nur abends, schon mehrmals 30 Minuten auf Parkplatzsuche unterwegs gewesen.“ Apropos Mietpreis für einen Tiefgaragenplatz: „100 Euro sind üblich, manche kosten sogar 150 Euro.“ Und zur Parkplatzsuche passt die >Messung< eines Anwohners: „In einer Woche zwölf Kilometer durchs Wohngebiet für einen Stellplatz gefahren.“

 

Verärgert:

„Wir wurden abgehängt. Diese Diskussion hätte vor der Maßnahme geführt werden müssen. Wie’s jetzt ist, kann es nicht bleiben. Ziel sollte doch sein, die Lage zu verbessern.“ Und: „Das rigorose Beschneiden behindert alle. Also rückgängig machen!“

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Verzweifelung pur, schwarz auf weiß: Wo soll ich denn jetzt mein Auto parken. Foto: Ewald                                                 

Der Entfall von Parkplätzen durch neue Halteverbote in reinen Anwohnerstraßen grassiert in ganz München. Der Fall Gebele- / Niedermayer- / Amberger Straße veranlasste die beiden Stadträte Fabian Ewald (Berg am Laim) und Jens Luther (Bogenhausen) zur einer siebenteiligen Anfrage an Oberbürgermeister Dieter Reiter.

Darin heißt es:

[alert-success]Derzeit ordnet die Verwaltung verstärkt in Anwohnerstraßen bestehender Wohnquartiere ein- oder beidseitige Halteverbote an, in denen das teilweise Gehwegparken seit Jahrzehnten tolerierte Praxis war. Mag dieses Vorgehen im Einzelfall geeignet sein, um besondere Engstellen zu entschärfen, so wird es mittlerweile vermehrt auch in Straßen vollzogen, in denen in den vergangenen Jahren keinerlei Probleme bekannt waren. Termine mit Anwohnern oder Bezirksausschüssen werden dabei teilweise verwaltungsseitig abgelehnt, was äußerst kontraproduktiv ist, wenn es darum geht, vor Ort Verständnis für das überraschende Vorgehen zu schaffen.

 

Im Karree Amberger Straße entfällt durch die Unterbindung des bisher geduldeten Parkverhaltens mehr als die Hälfte der vorher faktisch nutzbaren Stellplätze. Dies führt nicht nur zu erheblicher Parkplatzknappheit inklusive Parksuchverkehr, auch die Durchfahrtsgeschwindigkeit in den Anwohnerstraßen droht sich im Vergleich zur Situation vorher deutlich zu erhöhen. Ewald zur Sache: „Mit einer vernünftigen Verkehrspolitik hat das nichts zu tun. Wir fordern Aufklärung über das Ausmaß und die Gründe für dieses Vorgehen!“

 

Die Fragen an den Oberbürgermeister:

1.In welchen Straßen wurden 2020 neue ein- oder beidseitige Halteverbote angeordnet und wie ist dies im Einzelfall begründet?

 

2.Wie viele Stellplätze, auf denen das Parken auch in Form von teilweisem Gehwegparken bisher toleriert wurde, sind in den einzelnen Stadtbezirken und stadtweit 2020 dadurch entfallen?

 

3.Wie viele zusätzliche Verkehrsschilder wurden in diesem Zusammenhang im vergangenen Jahr neu errichtet?

 

4.Wie viele Bürgerbeschwerden haben die Stadtverwaltung (Referate, Bezirksausschüsse) zu diesen Maßnahmen in demselben Zeitraum erreicht?

 

5.Werden mögliche Auswirkungen auf die Durchfahrtsgeschwindigkeit erhoben und sind hier Veränderungen festzustellen?

 

6.Inwiefern wurden Vorschläge für die Schaffung von Ersatzstellplätzen im Umfeld der betreffenden Straßen berücksichtigt?

 

7.Hat sich die diesbezügliche Rechtslage 2020 entscheidend geändert oder warum wird aktuell vermehrt von der jahrzehntelangen Praxis abgerückt, das teilweise Gehwegparken zu dulden?

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