08. Februar 2021

„Viel Holz“ im PEP: Ein mahnender Fall

 

Maßnahmen für den Bau der Wegeverbindungen und Spielanlagen im neuen Wohnquartier Prinz-Eugen-Park (PEP): Es sind dazu Fakten geschaffen worden – in diesen Ta­gen wurden 80 Bäume abgesägt. Zwar „nur“ 80, denn ursprünglich sollten 151 Bäume gefällt werden. Viele Bäume wurden also gerettet – dank dem Einsatz diverser Vereinigungen sowie dem Be­­zirksausschuss. Und der kurzfristig aktiv gewordenen Anwohnerinit­i­ative „Rettung der Alt­baum­be­­stände in der Grü­nen Mitte“. Das Bestreben der Vereinigung, noch viel mehr Bäume zu erhal­ten, kam zu spät. Auf nur mehr drei weitere Fällungen „verzichtete“ das Baureferat / Gartenbau in letzter Minute.

Zum Ablauf Initiative-Spreche­rin Simone Paffrath: „Wir haben uns erst spät zusammengefun­den, als den Anwohnern klar wurde, dass Fällungen anstehen. Auch von Bäumen, die ursprünglich im Bebauungsplan als zu erhalten festgesetzt waren. Unser Wunsch nach mehr Transparenz richtet sich an die Stadt, auch hinsichtlich künftiger Planungen. Mehr Mut, auch unangenehme Themen wie Fällungen öffentlich zu diskutieren, damit die Bürger nicht erst nachfragen, wenn es zu spät ist.“

Da blutete vielen Bewohnern des Prinz-Eugen-Parks das Herz, als vor kurzem Dutzende Bäume für das Anlegen der Wege und der Spielplätze gefällt wurden.   Foto: Privat

80 Bäume – viel Holz. Auch wenn mehr als 2200 Bäume verschiedener Art, Größe und Qualität auf dem rund 30 Hektar großen Areal der einstigen Kaserne verteilt sind (vor der Freimachung der Bau­felder sollen es knapp 3000 Bäume gewesen sein). Dennoch: ein mahnendes Beispiel für künfti­ge Bauprojekte, nicht nur in Bogenhausen. Und auch ein mahnendes Beispiel für Betroffene, sich frühzeitig zu kümmern und zu engagieren, den Behörden mit Nachdruck klar zu machen, so we­nig Eingriffe in die Natur wie nur irgend möglich zu machen.

Rückblick: 2005 (!) hatte die Stadt das Gelände erworben, 2008 dann ein städtebaulicher Wettbe­werb, 2013 „stand“ der Bebauungsplan, die Ideen zur Gestaltung der Grünflächen folgten, im Som­mer 2015 erhielten fünf Bewerber dazu den Auftrag für Skizzen. Der Vorentwurf des Siegers wur­de 2017 dem Bezirksausschuss vorgelegt. Es schlossen sich Workshops und Prä­sen­tationen an.

Aus all den Unterlagen den Baumbestand und die beabsichtigten Fällungen „herauszu­lesen“ war für Außen­ste­hende kaum möglich, wenn nicht gar unmöglich. Denn dazu hätte das Areal mit jedem ein­zelnen Baum exakt kartiert, Wohnbauten, Straßen und Wegeverbindungen als Folie darüber ge­legt werden müs­sen. Nur so wäre die genaue Zahl der im Weg stehenden Bäume erkennbar gewe­sen. Im Oktober 2019 erteilte der Stadtrat dann den Projektauftrag für das neue Stadtquartier.

Aktuell: Mehr als 80 Prozent der rund 1800 Wohnungen im PEP sind inzwischen bezogen. Wäh­rend die Zuwege notwendigerweise zu den Ge­bäuden überwiegend fertig sind, steht beim Ausbau der Straßen und Fußwege noch jede Menge Arbeit an. Viele Anwohner warten mehr oder weniger ungeduldig darauf, dass der Ausbau endlich vorangeht. Man will schließlich eine fertige Umgebung, will seine Umge­bung in der Freizeit nutzen. Die Bau vorbereitenden Maßnahmen sind nun angelau­fen, in drei Abschnitten soll die Umsetzung bis Ende 2022 erfolgen.

Auch diese Hainbuchen am Rand der „Grünen Mitte“ wurden krass dezimiert.      Foto: Privat

Die Baumfällungen für die Wegebeziehungen in der >Grünen Mitte< zwischen Jörg-Hu­be- und Ruth-Drexel-Straße sowie im Bereich des künftigen, hölzernen Kletterspiel- und des Was­ser­spiel­platzes mit dazwischen liegenden drei „Himmelsschaukeln“ (alles für Kinder bis zwölf Jah­re), hatten unlängst Kontroversen unter den Anwohnern ausgelöst.

Die Anwohnerinit­i­ative „Rettung der Alt­baum­be­­stände in der Grünen Mitte“, knapp 300 Unterstützer, wollte die besagten Fällungen stoppen und „vertretbare Ände­run­gen“ für die Wegeführungen. Die Folge wäre bei einem Stopp der Arbeiten eine zeitliche Ver­zöge­run­g beim Parkausbau ge­we­sen. Eine Ad-hoc-Online-Umfrage unter den PEP-Bewoh­nern hatte ergeben: Von 628 Personen plädier­ten mehr als zwei Drittel für die schnelle Fertig­stel­lung der geplanten Wege und Spielplätze. Die >Alt­baum­be­­stände-Gruppierung< dazu: Es ging nicht um eine Verschiebung um ein Jahr oder um eine signifikanten Kostensteigerung, sondern „vor allem um vertretbare Ände­rungen“.

Doch klar ist auch, so ein Experte vom Baureferat / Gartenbau: Ret­tet man den einen Baum, muss man einen anderen dafür fällen. Übrigens: Laut Rathaus-Umschau von Ende Januar „müssen für die neuen Wege und Spielbereiche 80 Bäume und weiteres Gehölz von den mehr als 2200 Bäumen im Bestand entfernt werden; etwa 390 Bäume werden neu gepflanzt.“ Das entspricht der Eins-zu-fünf-Vorschrift, pro gefällten Baum fünf neue zu pflanzen.

 

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Corona bedingt macht unser-bogenhausen.de keine persönlichen Treffen, Gespräche und Inter­views. Zur Sache ein Statement der Initiative von Simone Paffrath:

 

„Baurecht bricht Baumrecht. Wertvoller Baumbestand sollte aber nicht für gestalterische Elemente der Grünplanung oder einer geradlinigen, symmetrischen Wegeführung untergeordneter Parkwege geopfert werden. Das ist nicht zeitgemäß in Anbetracht von Klimawandel und Artensterben. Wie kön­nen Altbaumbestände, artenreiche Hecken- und Biotopflächen gegenüber landschaftsplane­ri­schen Eingriffen in Zukunft rechtzeitig und wirksam gestärkt werden?

Dafür wünscht sich die Initiative von der Stadt, Baum- und Klimaschutz Vorrang vor anderen Zie­len einzuräumen und  bereits in einem frühen Planungsstadium, bei Bebauungsplänen und Wett­bewerben zur Landschaftsgestaltung, rechtlich deutlich stärker zu verankern. Zudem hält die Initiative eine digitale Transparenz der Fäll- und Ausführungspläne für echte Bürgerinformation und -beteiligung für unabdingbar, und zwar ohne dass das Interesse an Umweltbelangen als >Un­ruhe stiften< abgetan wird. Dass Bürger diese Pläne selbst nicht verstünden, hält die Initiative für eine reine Schutzbehauptung.

Der ökologische Wert eines Baums steigt mit seinem Alter. Ersatzpflanzungen entfalten dieses Klimaschutzpotential erst nach Jahrzehnten. Es geht nicht darum, offensichtlich unzureichende, be­stehende Regeln einzuhalten. Es geht darum, das Richtige zu tun – nicht nur auf Podien als Zu­kunftsmusik, sondern jetzt konkret in der Umsetzung.

Der Initiative ging es um konkrete, zum jetzigen Zeitpunkt vertretbare Änderungen für mehr Baum­erhalt und zwar – entgegen der Darstellung durch Dritte – ohne eine Verzögerung der Arbeiten um ein Jahr oder signifikante Mehrkosten auszulösen. Zeit und Ausführungsplanung waren für grund­sätzliche konzeptionelle Änderungen bereits zu weit vorangeschritten. Auch wenn der Kompromiss (drei gerettete Bäume) eher eine symbolische Geste für die Öffent­lichkeit war, bedankt sich die Initiative bei Planungs- und Baureferat für die Möglichkeit, noch einmal den Spielraum für mehr Baumerhalt im Ortstermin auszuloten.“

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