15. Juli 2021

Russisch-orthodoxe Kirche: Holzkapelle geplant

Seit elf Jahren plant die russisch-orthodoxe Kirche in Englschalking auf dem Grundstück Knap­pertsbuschstraße 26, parallel zur Grundschule, in Nachbarschaft zum künftigen Wilhelm-Hausen­stein-Gymnasium, auf 7000 Quadratmeter Grund ein (genehmigtes) Gotteshaus plus Gemeinde­zentrum plus Kita plus Seniorenhaus (siehe Chronologie am Ende). Nun soll zunächst eine Holz­kapelle erstellt werden. Dagegen hatte der Bezirksausschuss eigentlich keine Einwände. Aber: eine neue Gesamtplanung, mit Klärung von Verkehrsfragen samt Parkplatzaspekten, muss zuerst vorliegen. Eine Forderung an das Planungsreferat / die Lokalbaukommission (LBK).

Drei Mal hatte das Kommunalparlament den Bau des Mammutprojekts, für das der Gemeinschaft offensichtlich das Geld fehlt, in der Vergangenheit abgelehnt. Kirchenvertreter Matthias Kobro erläu­terte namens des anwesenden Erzpriesters Nikolai Zabelitch jetzt im Planungsgremium das Vorha­ben Holzkapelle, für das bei der LBK der Bauantrag bereits eingereicht worden ist: 150 Quadratme­ter Grundfläche, 15 Meter lang, 14 Meter breit, Dachkante acht Meter, Höhe mit Kuppel 20 Meter.

Der Kirchenvertreter versicherte gegenüber unser-bogenhausen.de auf Nachfrage, dass die „Finan­zierung gesichert ist“. Gemäß den Erklärungen würden „alle alten Pläne ad acta gelegt“, man habe nun einen „neuen ersten Ansatz.“ Für diesen, eben die Holzkapelle, müssten am Arealrand parallel zum Salzsenderweg 16 Bäume, die unter Schutz stehen, gefällt werden. Deswegen gab es in der Stadtteilvertretung allseits Bedenken.

So soll die Holzkapelle der russisch-orthodoxen Kirche auf dem Grundstück Knappertsbuschstraße 26 aussehen. Foto: hgb

„Das wäre tragisch“, meinte Robert Brannekämper (CSU), bezeichnete aber die Intention der Kirche grundsätzlich als „mutig und gut.“

Auf Nachfragen zu Besucherzahlen und zum zusätzlichen Verkehr gaben die Kirchenvertreter kei­ne Antworten. Besser: Konnten – wohl aus Unwissenheit – keine geben. „Vor der Genehmigung der Holzkapelle müssen grundsätzliche Fragen wie Gebäudevolumina, Verkehrsströme und der Stell­platzbedarf von der LBK geklärt werden“, stellte der Landtagsabgeordnete klar. Ein Vorschlag von Brannekämper dazu mit Rücksicht vor allem auf Anwohner, wenn nach Fertigstellung des Projekts „an Sonntagen 300, 400 oder gar 500 Besucher kommen“: Die Stadt soll prüfen, ob die Tiefgarage des neuen Gymnasiums zur Verfügung gestellt werden kann.

Grünen-Sprecherin Petra Cockrell hatte „ein Problem mit den laufenden Änderungen“, monierte, dass es „keine vernünftige Grundlage für ein Votum“ gebe, verlangte „ein verbindliche Planung, nicht alle paar Jahre wieder neue Pläne“, wollte alles „vertagen.“ Ignoriert hatte sie dabei, dass der Bauantrag für das Zentrum bereits am 11. August 2014 genehmigt worden ist. Brannekämper dazu: „Es geht jetzt um die Größe, es sollte kleiner werden.“

Warum ein Holzbau? Das wollte FDP-Vertreter Berndt Hirsch wissen. Dazu Kobro: „Das hat nichts mit dem hiesigen Trend zu tun. In Russland sind viele Kapellen aus Holz, für uns ist das ein Stück Heimat.“ Er betonte zudem: „Wir wollen uns in München einfügen.“

Grundstück der russisch-orthodoxen Kirche an der Knappertsbuschstraße: Der Maschendrahtzaun ist doppelseitig mit Matten gegen Einblicke verkleidet, drinnen befindet sich ein weißes Zelt für Gottesdienste. Fotos: hgb

Lutz Heese (CSU), beruflich als Architekt tätig, bewertete die Holzkapelle als „eine Bereiche­rung für unseren Stadtteil“. Mit Blick auf den Lageplan meinte er allerdings: „Die Positionierung erschließt sich mir mit den weiteren Gebäuden nicht.“ Er regte einen „Masterplan“ an, um darzu­legen, „was geplant werden soll, das würde langen, denn die Kirche hat nicht das Geld für einen Gesamtplan.“

Christiane Hacker (SPD) hatte angesichts einer „ziemlichen Verdichtung“ und eventuellen Ver­kehrsproblemen leichte Bedenken, stellte klar: „Ich will eine Gesamtplanung sehen. Die Bauherrin muss die Pläne den Bürgern vorstellen.“

Letztendlich beschlossen die Lokalpolitiker einstimmig Brannekämpers Vorschlag, dass die LBK die grundsätzlichen Fragen klären muss.

 

Die Chronologie zum Hintergrund

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Juni 2010, erste Anfrage: Bau eines Gotteshaus „im Stil des vorigen Jahrhunderts“, so ein Lokalpolitiker, samt Zen­trum für 300 Personen, Unterrichtsräumen, Kita sowie 22 Parkplätzen. Der Kirchturm sollte (ohne Kreuz!) 32 Meter hoch werden – zehn Meter höher als die neungeschossigen Gebäude in der Nachbarschaft. Im Bebauungsplan aus dem Jahr 1966 ist die Art der Nutzung des Geländes mit „katholische Kirche“ festgesetzt. Die russisch-orthodoxe hatte der katholi­schen Kirche das Areal abgekauft. Den Kaufpreis wollte Zabelitch nicht nennen, die Baukosten für das Zentrum schätz­te er auf „etwa zehn Millionen Euro“ – wohlgemerkt vor elf Jahren.

 

September 2012, zweite Version: Der Eingangsbereich des Komplexes wurde auf Geländeniveau abgesenkt, wo­durch die Kirche rund 6,5 Meter niedriger wird – sie wäre nun etwa so hoch wie die angrenzenden Wohntürme. Gleich­wohl wurde von der Stadt wie auch dem Kommunalparlament moniert, dass „der historisch monumentale Baukörper mit der opulenten Optik wie ein Fremdkörper in der Umgebung wirkt“.

 

August 2014: „Die Baugenehmigung wurde mit Bescheid vom 11. August 2014 erteilt, sie gilt vier Jahre, sie läuft somit am 11. August 2018 ab, kann auf Antrag um zwei Jahre verlängert werden“, so Pressesprecher Thorsten Vogel vom Planungsreferat. Die Verlängerungen wurden fristgemäß beantragt, die Genehmigung läuft nun bis August 2022.

 

September 2016: Kobro zur Frage, ob das Vorhaben noch aktuell ist: „Die Pläne zum Bau einer Kirche werden weiter­hin verfolgt. Um mit dem Bau beginnen zu können, wird die Aufnahme eines Bankdarlehens geprüft. Dazu wird Eigen­kapital benötigt, das durch Spenden zustande kommen soll.“ Laut der Kirchen-Internet-Seite www.voskresenie.de ruft man zu Spenden auf, um dieses Bankdarlehen erhalten zu können. Via 500 „Wandblöcke“ zu je 1800 Euro sollen zu diesem Zweck 900 000 Euro zusammenkommen.

 

September 2017: Das eingezäunte, an den Rändern dicht von Büschen gesäumte Areal, liegt brach, verwildert, ver­moost, dient als eine Art Baumschule. Unter „Aktueller Spendenstand“ heißt es auf der Netz-Seite der Kirche: Zum 31.12.2016 konnten wir in den letzten zwei Jahren Spender für 130 Wandblöcke (zu je 1800 Euro) gewinnen. Summe 234 000 Euro. Etwa die Hälfte davon, rund 117 000 Euro, ist vorhanden; die zweite Hälfte wird unter >Zugesichert< registriert.

 

Oktober 2019: Laut CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller ist die LBK gegen die Pläne: „Die Mitarbeiter haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als sie das gesehen haben.“ Und auch der Bezirksausschuss hatte einstimmig – zum dritten (!) Mal – gegen das Mammutprojekt votiert. Die Stiftung plant nämlich nun den „Neubau einer Kirche mit Gemeindezentrum, Kindertagesstätte, Seniorenpflegeheim (inkl. Tagespflege) sowie Mitarbeiterwohnungen und Tiefgarage“. Der L-förmige Komplex mit dem Gotteshaus im Eck sieht auf der einen Seite (zum Bruno-Walter-Ring) einen Riegel mit sechs und auf der anderen Seite einen Trakt mit vier Stockwerken vor. Finkenzeller seinerzeit süffisant „in St. Peterburg wäre so was wohl denkbar“.

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Wie erwähnt: Alles ab acta gelegt. Schaut man sich heute das Gelände an – einst zwei mit einem Maschendrahtzaun eingefasste Tennisplätze, später eine „wilde“ Baumschule –, fällt auf: Der Drahtzaum ist doppelseitig mit grünen Matten gegen Einblicke verkleidet, drinnen befindet sich ein weißes Zelt mit einem Holzaltar für Gottesdienste. An der Eingangstür hängt ein Zettel „Verhaltens­regeln für Gottesdienstbesucher mit dem Hinweis „Maximal 100 Besucher“. Nun heißt es warten auf die LBK-Entscheidung.