Kiosk

16. August 2021

Er ist eine Institution – seit mehr als drei Jahrzehnten. Er ist ein Stück Leben – eine liebgewordene Einrichtung. Er ist ein Teil von Bogenhausen – für viele hunderte im Umkreis lebende Bürger: der Obst- und Gemüsestand und „Griechische Feinkost“ an der Ecke Cosima- /Englschalkinger Straße. Nachdem die Lokalbaukommission (LBK) im vergangenen Jahr angeordnet hatte, die benachbarte Dönerbude zu beseitigen, soll nun das grün lackierte Obsthäusl weichen, abgerissen werden. Und zwar bis Mitte Oktober! Unter Androhung einer Geldstrafe von 10 000 Euro.

Gegen die amtlich als „Beseitigungsverfügung“ bezeichnete und erlassene Maßnahme formierte sich inzwischen massiver Widerstand seitens der Besitzer, einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) an der Cosimastraße, von Nachbarn, Kunden, Lokal- und Stadtpolitikern.

Der Hintergrund des „Verfahrens“: Der Kiosk ist offensichtlich ein Schwarzbau. Kaum zu glauben: Eine Person, die wohl entweder ob der Kenntnis des Bebauungsplans aus dem Jahr 1968 im Rentenalter sein oder intensiv in alten Unterlagen nachgeschaut haben muss, hatte die Stadtverwaltung „unterrichtet“. Exakter: Die Besitzer wurden, warum auch immer, angezeigt. Gemeinhin nennt man das angeschwärzt.

LBK-Vertreter hatten die Grundlagen, den Bebauungsplan, gecheckt und festgestellt, dass auf dem Seitenstreifen kein Gebäude vorgesehen ist, dass das Standl vor 35 Jahren ohne die notwendige Baugenehmigung errichtet worden. Und eine nachträgliche Genehmigung des Kiosks sei seitens der LBK nicht möglich, da es dem gültigen (wenn auch 53 Jahre alten) Bebauungsplan widerspricht, der Grundstücksstreifen begrünt sein muss.

Kiosk
Der Obst- und Gemüsestand an der Ecke Cosima- / Englschalkinger Straße: Nachdem die Dönerbude beseitigt werden musste (vorn), soll nun das grüne Obsthäusl abgerissen werden, weil es vor 35 Jahren ohne die notwendige Baugenehmigung errichtet worden ist. Aktuell ist der Obstladen geschlossen, weil sich Betreiberin Filitsa Papazissis (57) den Fuß gebrochen hat. Fotos: hgb

Für die Mieterin Filitsa Papazissis – sie betreibt den Obststand seit drei Jahren, war zuvor lange Jahre in Haidhausen als Gemüsefrau tätig – ist das Ganze eine Katastrophe, eine Frage der Existenz. Die gebürtige Griechin – sie startet morgens um 4 Uhr in die Großmarkthalle, kauft die frischen Waren ein und öffnet gegen 8 Uhr ihren Laden gegenüber dem Cosimawellenbad – hat ihr ganzes Leben lang gekämpft. Ihr Mann ist nämlich früh verstorben, sie musste für ihre drei Kinder sorgen.

Aktuell ist der Obstladen geschlossen – laut Aushang an der Ladentür bis 13. September. Als ob ein Unglück nicht ausreicht: Bei Aufräumarbeiten im Freien ist die 57-Jährige ausgerutscht, umgeknickt und hat sich dabei den Fuß gebrochen. Mindestens sechs Wochen muss sie einen Spezialschuh tragen. Deshalb ist es fraglich, ob sie bis Mitte September wieder fit ist.

Im Rathaus nahmen sich die beiden CSU-Stadträte Jens Luther (Bogenhausen) und Fabian Ewald (Berg am Laim) per Dringlichkeitsantrag im Feriensenat des Stadtrats dem drohenden Aus für den Obststand an. Doch ihre Initiative wurde nicht behandelt. Grüne und SPD lehnten die Dringlichkeit ab! Kommentar überflüssig!

In dem Antrag heißt es: „Die Stadt ergreift alle erdenklichen bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Mittel, damit der Obst- und Gemüsestand erhalten bleiben kann. Dabei ist insbesondere auch das Mittel der Befreiung nach §31 Baugesetzbuch zu prüfen. Die ausgefertigte Beseitigungsverfügung wird bis zur Klärung der Angelegenheit widerrufen. Über die Ergebnisse der Prüfung wird dem Stadtrat baldmöglichst berichtet.

Denn: „Der Obst- und Gemüsestand besteht seit vielen Jahrzehnten und gehört mittlerweile zum Stadtbild. Er versorgt die Anwohner täglich mit frischen Lebensmitteln und darf daher nicht aufgegeben werden. Deshalb ist in jedem Fall ein Erhalt der baulichen Anlage wichtig und sinnvoll. Mag der jetzige Verkaufsstand so nicht zulässig sein, soll die LBK alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Fortbestand des Verkaufsstands zu ermöglichen. Das Bauplanungsrecht gibt hierfür eine Vielzahl an Instrumenten zur Hand.“