30. Oktober 2017

Was den Hamburgern ihre Elbphilharmonie ist, das soll – wohlgemerkt soll – für die Münchner das Konzerthaus werden. Und die Bogenhauser sind ganz nah dran. Ob per Auto, per Bus, mit der S-, U- oder der Straßenbahn kann man in wenigen Minuten dorthin hinkommen. Dort, das ist das Werksviertel im Nachbarstadtbezirk Berg am Laim, wo auf dem einstigen Optimol-Gelände und Kunstpark Ost ein Wahrzeichen, eine Marke für (die Weltstadt) München – so zumindest die Vorstellungen – nach 15 Jahren dauernden Debatten entstehen wird.

Der Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs mit 31 teilnehmenden Büros steht jetzt fest. Vordergründig wird ein solches Projekt als erstes über das Äußere, die Hülle, definiert. Der erste Preisträger, das Architektenduo Cukrowicz/Nachbaur aus Bregenz, entschied sich für ein kristallartig geschliffenes, nach oben abgeflachtes Haus mit einer Art Flachdach. Orientiert haben sich die Gestalter dabei an einem Speicherbau, vormals ein Symbol für das Werksviertel.

Ein gelungener Entwurf? Eine gute Entscheidung? Ein Eye-Catcher? Eine Vision? Ansichtssache! Die Meinungen gehen jetzt schon weit auseinander. Denn der „gläserne Klangspeicher“ mit einem Saal für etwa 1800 Besucher und unter dem Dach übereinander „gestapelten“ Flächen für einen Education-Bereich für musikbegeisterte junge Menschen und Räumen für die Hochschule für Musik und Theater, ist auf dem dafür wohl zu kleinen Grundstück in Erbpacht im Herzen des Werksviertels eingepfercht zwischen verschieden hohen Neubaublöcken. Auch wenn es die Visualisierungen des Konzerthauses mit Umgebung anders vormachen wollen – es ist zu eng, es fehlt die freie Fläche, die Weite. Der Musiktempel wirkt wie eine gekappte Kathedrale.

Innen-, Bau- und Verkehrsminister Joachim Herrmann im Gespräch mit dem ersten Preisgewinner für das Konzerthaus (totes Oval im Modell), Architekt Nachbaur.   Foto hgb
Innen-, Bau- und Verkehrsminister Joachim Herrmann im Gespräch mit dem ersten Preisgewinner für das Konzerthaus (rotes Oval im Modell), Architekt Nachbaur. Foto hgb

Insofern ist es positiv zu werten, dass – so Innen-, Bau- und Verkehrsminister Joachim Hermann bei der Vorstellung des mit 24 gegen eine Stimme einer Jury gekürten Siegerentwurfs – „noch nicht entschieden ist“, ob dieser Plan realisiert wird, „auch wenn er im Vordergrund steht.

Der Zug rollt nicht jetzt schon automatisch.“ Damit bezog er sich einmal auf die „weiteren Ausarbeitungen“. Dazu gehören auch Verbesserungen durch Cukrowicz/Nachbaur.

Und zweitens meinte Herrmann die Finanzierungskosten („die müssen seriös sein, die sind noch nicht zu ermessen, es gibt keinen Blankoscheck“), die vom Landtag abgesegnet werden müssen.

Zum Geld nahm Kultusminister Ludwig Spaenle dann auf Journalistennachfrage Stellung: „Der Kostenrahmen beträgt mehrere hundert Millionen Euro.“ Die Aussage reichte nicht. Spaenle weiter: „Die Orientierungsgröße liegt bei 300 Millionen Euro.“ Das passte Jury-Chef Arno Lederer ganz und gar nicht: „So kann das nicht gesagt werden. Das ist der Fluch der ersten Zahl.“ Hamburg, die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie, war offensichtlich gegenwärtig.

Bereits einen Tag nach dem Entscheid des Preisgerichts bezweifelten Bauexperten, ob 300 Millio­nen Euro ausreichen werden. Einer kalkuliert eher mit „400 bis 500 Millionen Euro.“

Plan des Werksviertels im Berg am Laim. Rot markiert die Fläche für das Konzerthaus.   Foto: hgb
Plan des Werksviertels im Berg am Laim. Rot markiert die Fläche für das Konzerthaus. Foto: hgb

Laut Herrmann „zeigt die Vielfalt der vorgelegten Lösungen einmal mehr, wie wertvoll das Instru­ment des Wettbewerbs für den Erhalt unserer Baukultur in Bayern ist“. Er machte klar, dass „an die Akustik und die räumliche Organisation höchste Ansprüche gestellt werden.

Selbstverständlich wird eine architektonische Lösung mit hohem Wiedererkennungswert erwartet“. Es bestehe darüber hinaus „die besondere Aufgabe, einen Neubau in ein Stadtviertel zu integrieren, das selbst erst am Anfang seiner städtebaulichen Veränderung steht.“

Zur weiteren Entwicklung gehört gemäß dem Minister „jetzt eine Ausarbeitung hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Akustik und Baurecht. Auch die Fassaden müssen präzisiert werden. Und ganz besonders liegt mir am Herzen, dass bei der Ausarbeitung die Ansprüche des Symphonieorches­ters berücksichtigt werden.“ Es gelte aus „den Visionen möglichst schnell ein Bauwerk“ zu machen.

Lederer wertete den Siegerentwurf prägend für das Werksviertel. Er erklärte: „In diesem heteroge­nen Umfeld ist das Gebäude ein nobler Ruhepunkt. Sehr zurückhaltend und ausdrucksstark zugleich, in dieser Form an keinem anderen Ort zu finden. Einfach Weltspitze.“

Einer von den 34 noch zur Auswahl gestandenen Entwürfen: Platz 4 von 3XN / A/S aus Kopenhagen  Foto: Hans-Joachim Wuthenow
Einer von den 34 noch zur Auswahl gestandenen Entwürfen: Platz 4 von 3XN / A/S aus Kopenhagen Foto: Hans-Joachim Wuthenow

Und Hans Robert Röthel, stellvertretender Vorsitzender der Stiftung „Neues Konzerthaus München“ umriss mit drei Schlagworten die Ziele:

>Excellence< – ein Konzerthaus für alle Sinne, nicht nur zum Hören.

>Access< für ein Konzerthaus , das alle anspricht mit der Sprache der Musik.

Und >Education< für ein Konzerthaus der Zukunft. Er beschwor die Zukunft des Hauses: „Auf das wir eines Tages alle stolz sei werden.“

Wer sich selbst ein Bild machen will: Alle Wettbewerbsarbeiten samt Modellen und Plänen der Architekten werden im Werksviertel, in der Atelierstraße 18, in der „White Box“, ausge­stellt. Und zwar von Montag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr bis zum Sonntag, 26. November.