15.04.2015

Es war vor 50 Jahren der erste Tower im heutigen Arabellapark, es war das erste (und bis dato ein­zige) Hochhaus, das vor fünf Jahren abgerissen wurde: Das 54 Meter hohe hellbraune Siemens-Scheibenhaus an der Arabellastraße 30, wo jetzt der Bürokomplex Arabeska steht. Der 1965 aufgestellte Bebauungsplan war ein wichtiger Wegweiser für München: Der Grundsatz einer Verankerung von Wohnen und Arbeiten war darin fixiert.

Visionen, Träume, Ideen, Konzepte, Umgestaltungen und endlich ein realisierbarer Plan: Am 23. April 1980 war es soweit – der Grundstein für den Wohn- und Bürokomplex Arabellapark wurde gelegt, die Stadt in der Stadt entstand. 35 Jahre Arabellapark – das ist eine Erfolgsstory mit Hindernissen. Mehr als 10 000 Menschen leben heute in dem einzigartig attraktiven Stadtquartier, etwa 15 000 Arbeitsplätze sind entstanden.

Das Gelände war einst eine Grundlage für den Bauboom in der Landeshauptstadt bis zum Ersten Weltkrieg – Ziegeleien machten sich breit, lieferten die Steine für den Aufbau der heutigen Millio­nenmetropole. Später gab’s dann Kiesgruben und Quetschwerke, Acker- und Weideland. In den Zwanziger Jahren wurde im Denninger Anger an einer Kiesgrube eine Skisprungschanze erstellt, in der Nachbarschaft wurde in den Fünfziger Jahren die erste Großsiedlung Münchens hochge­zogen, die seinerzeit von Touristen, vor allem Asiaten, bewunderte Parkstadt Bogenhausen. Die Stadt wollte zu dieser Zeit auf dem heutigen Arabellapark-Areal einen großen Friedhof anlegen. Der Plan wurde aber verworfen, die letzten Ruhestätten kamen auf ein Gelände in Perlach.

Josef Schörghuber war es schließlich, der zwischen 1958 und 1965 nach und nach Grundstücke für 17,50 Mark pro Quadratmeter erwarb oder gegen andere Flächen tauschte, bis er knapp 40 Hektar für sein späteres Lebenswerk zusammen hatte. Der Bau-Tycoon überbot damals die Neue Heimat, die die damals so genannte Parkstadt II errichten wollte.

Das erste Hochhaus im heutigen Arabellapark: Der 1965 erstellte und 2010 abgerissene, 54 Meter hohe Siemens-Tower an der Arabellastraße 30.
Das erste Hochhaus im heutigen Arabellapark: Der 1965 erstellte und 2010 abgerissene, 54 Meter hohe Siemens-Tower an der Arabellastraße 30.

Der 23-stöckige Arabella-Wolkenkratzer wurde 1969 eingeweiht. Der Schatten einer bundesweit einmaligen Skyline zeichnete sich ab. 153 Meter lang, 75 Meter hoch, 20 Meter breit – das Boardinghouse mit Swimmingpool über den Dächern Münchens und seinerzeit mit einem Hubschrauberlandeplatz, galt ob der Mischung aus Wohnen und Service als Schlaraffenland.

Die Fassade, ein Gitterwabenelement, nannte einmal ein Nachbar spöttisch und zugleich bezeichnend „Haremsgitter“: Bezeichnend, weil einst Damen in der Anonymität des Kastens ihre Dienste ange­boten hatten, zum anderen weil viele arabische Besucher in der Sommermonaten zugegen waren.

Die Richard-Strauss-Straße gab es schon. Es war dann fast logisch für die Kommunalvertreter, sich bei den Namensgebungen an dem 1864 in München geborenen Komponisten zu orientieren. Die Heldin der Oper Arabella war Patin für die Stadtviertelbezeichnung – der Name bedeutet „kleine Araberin“ oder, wie viele Bewohner fast stur erklären, „schöne Tochter“. Dazu kamen Rosenkava­lierplatz, Elektra- und Daphnestraße sowie Ariadne- und Salomeweg.

Im Februar 1965 wurde vom Stadtrat der Bebauungsplan für den Arabellapark und 1976 für die Wohnsiedlung beschlossen. Dabei wurden diverse Ideen verworfen. So sollte an Stelle des heutigen kleinen Kongresszentrums eine Konzerthalle mit Platz für bis zu 2800 Besucher entstehen – die Realisierung scheiterte am Einspruch der Münchner Philharmoniker. Später wurde die Idee am Gasteig umgesetzt.

Ein Verein, bekanntestes Mitglied war der Industrielle und Playboy Gunther Sachs, plante ein „Modern Art Museum“. Weiter war ein Kaufhaus vorgesehen, und zwar auf dem Grundstück des heutigen Rewe-Markts. Auch diese beiden Vorhaben wanderten ins Archiv.

Realisiert wurde rechtzeitig zum Beginn der Olympischen Sommerspiele 1972 das Sheraton-Hotel, heute „The Westin Grand München“, Kategorie fünf Sterne, mit mehr als 600 Zimmern. Wie an der Schnur aufgezogen reihten sich ringsum Gebäude um Gebäude an – unter anderen das Bayerische Ministerium für Umweltfragen und Landesentwicklung, das Sternhaus BayWoBau, der knapp 500 Millionen Mark teure HypoVereinsbank-Tower, das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium und ein paar hundert Meter weiter das Krankenhaus Bogenhausen. Lediglich das jetzige Wohnviertel war quasi weiter Schafswiese.

Panorama des Arabellaparks heute mit dem geschwungenen Bürokomplex Arabeska
Panorama des Arabellaparks heute mit dem geschwungenen Bürokomplex Arabeska

Schaut man sich heute ein Modellfoto des Arabellaparks aus den Sechziger Jahren an, traut man kaum seinen Augen: Den 360 Millionen Euro teuren, im Sommer 2009 eröffneten Richard-Strauss-Tunnel hatten Schörghuber und seine Ingenieure damals schon mit einer Unterführung des Effner­platzes geplant.

Mit der Einweihung der U4, Endstation Arabellapark, im Oktober 1988, fast gleichzeitig mit der Fertigstellung des Wohnviertels, kam Schwung in das Zentrum. Immer mehr Arbeitsplätze und in Folge Geschäfte entstanden. Eine Infrastruktur, die bis dato ihresgleichen in München sucht, macht bis heute das Leben hier lebenswert.

Menschen vieler Nationalitäten – in jüngster Zeit vor allem Investoren und Medizintouristen aus arabischen Ländern – schätzen dies. Mit diesen sind aber immer wieder diverse Probleme verbunden.

Die einstigen Neubaupreise von 5000 bis 6000 Mark pro Quadratmeter haben sich gehalten – inzwischen natürlich in Euro. Mindestens, denn für einige der besagten Investoren ist Geld eben lediglich bedrucktes Papier, die Quadratmeterpreise tendieren Richtung fünfstellig.

Ob Bank, Bäckerei oder Bücherei, Bistro, Bar oder Buchhandlung, Blumengeschäft, Brillenladen oder Boutiquen, ob Klinik, Kino oder Kiosk, Kunstladen, Kirche oder Café, Friseur, Fotoladen oder Fitness-Center, ob Parfümerie oder Poststelle, Apotheke oder Autoverleih, Optiker oder Orthopädiezentrum, Verlag oder Feinkost, Schuster, Metzgerei und Hörgeräte – es gibt fast nichts, das man missen muss.

Oder doch: Vielleicht den vor langer Zeit umgelegten Maibaum auf dem Rosenkavalierplatz, der Moderne und Tradition so wunderbar verbunden hat. Wohl der einzige in Bayern, der als Zunft­zeichen einen Mann an einem Computerbildschirm zeigte.