23. Januar 2018

1800 Wohnungen für mehr als 4000 Menschen entstehen im neuen Bogenhauser Wohnquartier Prinz-Eugen-Park an der Cosimastraße. Die ersten Familien können wohl frühestens ab Juni einziehen. „Etwa 370 Wohnungen werden in diesem Jahr fertig, bis Ende 2019 sind’s circa 1000“, erklärte jetzt CSU-Rätin Petra Cockrell im Bezirksausschuss. Bei den fertigen Wohngebäuden handelt es sich aber ausschließlich um Häuser von Baugenossenschaften und privaten Trägern. Die Gebäude der städtischen Gesellschaften Gewofag und GWG, in denen die Kindertagesstätten mit rund 600 Plätzen integriert sind, dürften wohl erst Anfang oder Mitte 2020 bezugsfertig sein.

Also ein Kita-Notfall – ein Problem für viele Eltern, von denen fünf Dutzend zur Sitzung des Kommu­nalparlaments gekommen waren. Die Stadt will Container zur Überbrückung aufstellen – wohl für mindestens zwei Jahre. Doch die Uhr tickt, denn für Planung und Installation einer Pavillonanlage sind in der Regel sechs Monate notwendig.

„Es reicht, es reicht jetzt endgültig“, empörte sich ein Lokalpolitiker bei Gesprächen nach der Tagung. Sein Unmut machte sich an den Referaten fest, „von denen keines weiß, was das andere macht, nichts ist koordiniert. Alles läuft bei denen unter dem Motto >www< – wir wursteln weiter.“ Cockrell meinte: „Die Koordination zwischen den Referaten ist eine Bankrotterklärung. Fragen werden wie heiße Kartoffeln hin- und hergeschoben.“

Die Bezirksausschuss-Mitglieder haben, so der Mann, „die Faxen der Referate dicke, das Bau- und Kita-Chaos muss sofort bereinigt werden“. Dazu fordert das Stadtteilgremium auf Initiative der CSU-Fraktion die Referate für Bildung und Sport (RBS) und Planung auf, „in einer öffentlichen Sonder­sitzung bis Mitte März konkrete Informationen zur Schul- und Kinderbetreuungssituation“ zu geben.

Der Haupteingang der neuen Grundschule an der Ruth-Drexel-Straße. Foto: hgb

Konkret will man Antworten haben zur – seit September von Klassen der zu sanierenden Grund­schule Knappertsbuschstraße teilweise belegten – dreizügigen Grundschule an der Ruth-Drexel-Straße im Schuljahr 2018/19 betreffend Sprengeleinteilung, Einschreibungsverfahren, Gastschul­anträge, Schulleitung und Klassengrößen.

Weitere Angaben sind verlangt zur Einschulprognose 2019/20, zum erwarteten Gesamtbedarf bis 2022 und zu den Umsprengelungen der umliegenden Grundschulen.

Zur Verfügbarkeit von Kindergarten- und Krippenplätze fordern die Lokalpolitiker Auskünfte zum „Platzangebot versus Bedarf 2018 und 2019“, zum Einschreibungsverfahren 2018, zu den Trägern und der Personalverfügbarkeit inklusiv alternativer Standorte. Dazu sollen der „erwartete Gesamt­betreuungsbedarf bis 2022“ und „die geplanten Fertigstellungstermine“ genannt werden. Überdies will man „Stand: heute“ die prognostizierte Gesamteinwohnerzahl erfahren sowie alles über die geplante Sozialbetreuung, in erster Linie über die Personalplanung.

In der Begründung der CSU-Initiative, gezeichnet von Cockrell, Brigitte Stengel und Fraktionsspre­cher Xaver Finkenzeller, heißt es: „Der Bezirksausschuss wie auch die in den Prinz-Eugen-Park ziehenden Familien haben Anspruch auf Klarheit zu den angeführten Punkten. Es ist nicht nachvoll­ziehbar, warum die notwendigen Informationen bislang nicht vorliegen und man eine langwierige Odyssee durch verschiedene Referate und Abteilungen auf sich nehmen muss, um wenigstens bruchstückhafte Details zu erfahren. Aus den einzelnen Bauvorhaben lagen schon vor neun Mona­ten konkrete Werte zu Anzahl und Altersstruktur der zuziehenden Kinder vor.“

Denn: „Der Anteil junger Familien mit Kindern im Kita- bzw. Grundschulalter ist überproportional hoch. Die Eltern brauchen rechtzeitig konkrete Informationen rund um Kinderbetreuung und Schul­standort, da die Betreuungslogistik den Familienalltag und die Berufstätigkeit maßgeblich beein­flusst. Kurzfristig sind auf Grund der angespannten Betreuungssituation in München schwerlich freie Plätze an bestehenden Einrichtungen zu finden.“

„Wie soll ich mein Kind für die Kita anmelden, wenn ich im Prinz-Eugen-Park noch keine Melde­adresse habe?“ fragte eine besorgte Mutter in die Runde. Denn ummelden könne sie sich ja erst, wenn sie – vermutlich im September – umziehe. „Und dann brauche ich den Platz.“ Und ein Vater, der mit seiner Familie auch im September den Einzug plant, möchte, ja muss, seine Tochter für die Schule anmelden. „Doch wie geht das?“

Die derzeit größte Baustelle in Bogenhausen: die Wohngebäude m Prinz-Eugen-Park an der Cosimastraße. Foto: hgb

Brannekämper entsetzt: „ Es ist der Wahnsinn. Wir stehen vor dem Scherbenhaufen der Planung. Wie soll so etwas eigentlich bei der Städtischen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten auf einem 600-Hektar-Gebiet funktionieren, wenn es nicht mal bei 30 Hektar Fläche im Prinz-Eugen-Park klappt?“

Ein Schreiben des Bildungsreferats hatte im vergangenen Herbst die Sachlage „aufgedeckt“ und den Ärger ausgelöst: „Im Prinz-Eugen-Park müssen zur Bedarfsdeckung an Kindertageseinrichtun­gen“ Pavillons für vier Krippen- und vier Kindergartengruppen aufgestellt werden.

Die verschnörkelt formulierte Begründung der Behörde: „Auf Grund einer verzögerten Fertigstellung der ersten beiden baulich integrierten Kindertageseinrichtungen sowie der Errichtung von mehr familiengerechten Wohnungen gegenüber den bisherigen Festlegungen und der Kumulierung von Wohnungsfertigstellungen im Jahr 2019, ergibt sich sowohl langfristig ein höherer Bedarf als auch ein hoher Spitzen- und ein kurzfristig zu deckender Sozialbedarf.“

Ergo: Die Beamten haben sich verrechnet. Wieder einmal.

Es sei, so das RBS, zur Abdeckung des Spitzen- und kurzfristigen Sofortbedarfs zwingend erforder­lich, eine achtgruppige Kindertageseinrichtung in Pavillonbauweise zu erreichten. „Diese Pavillon­anlage muss bis September 2018 fertig gestellt und betriebsbereit sein“, so die Schlussfolgerung. Als Standort wurde ohne Abstimmung mit dem Bezirksausschuss – aber mit nachträglicher Infor­mation – eine Fläche gegenüber einem GWG-Trakt an der Jörg-Hube-Straße bestimmt. Überdies müsste zur Containerinstallation ein dicker Baum gefällt werden.

Der Protest der Lokalpolitiker folgte prompt, ein Standort direkt bei der Schule wurde gefordert. Und jetzt stellte sich heraus, dass der vom Referat gewählte Platz „sich unmittelbar an der größten Baustelle des Viertels befindet, die Kinder würden also hohem Baulärm ausgesetzt und zudem sei der Weg zur und von der Kita gefährlich“, schimpfte Cockrell. Und: „Ich will mir nicht einen Standort aufnötigen lassen.“

Der Innenhof der modernen Ruth-Drexel-Schule im Prinz-Eugen-Park, wo Kinder aus der momen-tan zu sanierenden Knappertsbusch-Schule unterrichtet werden. Foto: hgb

Per Beschluss fordert der Bezirksausschuss das Referat daher auf, dem Gremium „zeitnah weitere Standortvorschläge für die geplante Pavillonanlage zu unterbreiten und es in die Entscheidung mit einzubinden.“ Zudem bittet das Gremium aktuelle Zahlen über die benötigten Kinderbetreuungsplät­ze vorzulegen. Der Bezirksausschuss erklärte grundsätzlich seine Zustimmung zu einer Pavillon­anlage als vorübergehende Lösung.

Er betonte aber ausdrücklich, dass er mit „dem vorgeschlage­nen Standort nicht einverstanden ist, insbesondere wegen der Gefahrenlage, da an dieser Stelle massiver Baustellenverkehr herrscht und keine Möglichkeiten vorhanden sind, die Kinder sicher dort hinzubringen, geschweige denn Parkmöglichkeiten für die Beschäftigten etc. vorhanden sind.“

Offen ist zu allem Überfluss auch noch der Starttermin für die zugesagte Ganztangsbetreuung der Schulkinder. Kommt sie erst, wenn 181 Kinder die Schule besuchen? fragte Cockrell. Daher wurde ihr Dringlichkeitsantrag gebilligt: „Der Bezirksausschuss fordert das Referat auf eine städtische Ganztagsbetreuung einschließlich Ferienbetreuung ab dem Schuljahr 2018/19 an der Ruth-Drexel-

Schule bzw. den Betrieb des Tagesheims einzurichten.“

Denn die Eltern gehen, so wird argumentiert, von einem Angebot ab Schuljahresbeginn 2018/19 aus. Und das insbesondere, wenn das Kind bereits am aktuellen Wohnort eine Grundschule mit Tagesheim besucht. Zudem verfügen die umliegenden Horte definitiv nicht über ausreichende Kapazitäten. Außerdem besteht seitens der Eltern der nachvollziehbare Wunsch, die Kinder direkt in der eigens gebauten, wohnortnahen Grundschule einzuschulen und betreuen zu lassen.