Der Kreistag-Ausschuss für Energiewende und Umweltfragen des Landkreises München fordert die Landeshauptstadt und die Stadtwerke München (SWM) auf, den Schadstoffausstoß durch Kohle­verbrennung im Block II des Heizkraftwerks (HKW) München Nord in Unterföhring „so schnell und so weit wie möglich zum Schutz der Bevölkerung zu reduzieren.“ Die Resolution bedarf noch der Zustimmung der Kreistags-Mitglieder.

In dem Statement heißt es: Statt Kohle zur Strom- und Wärmeerzeugung im HKW Nord soll vorran­gig das mit Erdgas betriebene HKW Süd bis zur Kapazitätsgrenze genutzt werden. Auch die geo­thermische Erschließung zur Wärmeversorgung soll nach dem Willen der Kreispolitiker beschleunigt werden. Verbunden damit ist die Aufforderung, die Quecksilber-Emissionen, die binnen kurzer Zeit von rund 70 auf acht Kilogramm pro Jahr gesenkt werden konnten, „künftig nicht mehr zu erhöhen.“

Rund 2,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2), so erläutert Landratsamt-Pressesprecherin Franzis­ka Herr, pustet der Block II des HKW Nord derzeit jährlich nebst zahlreichen weiteren Schadstoffen wie Feinstaub, Kohlenmonoxid und das angeführte Quecksilber aus. Bezogen auf ganz München entfallen im Jahr knapp 20 Prozent aller CO2-Ausstöße auf die Unterföhringer Anlage.

Oder, wie es Robert Brannekämper, Vize-Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Land­tagsabgeordneter, anschaulich im Bogenhauser Kommunalparlament vor Jahresfrist dargestellt hat­te: „Das sind mehr Gase als der gesamte Verlehr auf dem Mittleren Ring in einem Jahr ausstößt.“

Brannekämper war es denn auch, der im vergangenen Dezember im Stadtteilgremium namens der CSU-Fraktion von der Stadt „umgehend die Umstellung von Steinkohle- auf Erdgasbefeuerung“ gefordert hatte. Der Antrag war von den Lokalpolitikern unisono unterstützt worden. Brannekämper hatte seinerzeit empört erklärt:

Das HKW Nord, am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring gelegen, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens.   Foto: SWM
Das HKW Nord, am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Flur der benachbarten Gemeinde Unterföhring gelegen, ist mit seinen Emissionen einer der größten Luftverpester Münchens. Foto: SWM

„Die Umstellung wollen die um Marketing- und Imagekampagnen sonst nicht verlegenen SWM erst in 25 Jahren vornehmen. Der Ausstieg aus der Kohleverbrennung kann aber nicht 25 Jahre warten, er muss sofort angegangen werden. Es ist doch absurd, dass die SWM in Spanien und Großbritan­nien klimafreundliche Kraftwerke baut, aber in ihrer Heimatstadt weiter auf den Klimakiller Kohle setzt.“

Unverständlich für den Politiker war und ist zudem, dass bei der Stadtverwaltung verkehrs­reduzierende Maßnahmen für Personenwagen zur CO2-Einsparung „auf der Tagesordnung sind, während im HKW Nord tagtäglich munter Kohle weiter verheizt wird.“

Der Hintergrund zu all dem: Das HKW Nord, das am Rand des Bogenhauser Stadtteils Oberföhring auf Unterföhringer Flur liegt, besteht aus drei Blöcken, die von den SWM in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden. Dabei wird neben Elektrizität auch Fernwärme zur Versorgung von etwa 150 000 Haushalten produziert. In den Böcken I und III wird seit 1992 bzw. 1983 Restmüll verbrannt – jähr­lich mehr als 700 000 Tonnen.

Der Block II, der seit 1991 am Netz hängt, wird pro Jahr mit rund 800 000 Tonnen Steinkohle – über wiegend in den USA (!) gefördert und täglich von zwei bis drei Güterzügen geliefert – befeuert. Diese irre Menge Brennstoff umgerechnet noch klarer dargestellt: 2400 Tonnen Kohle am Tag oder 100 Tonnen Kohle pro Stunde

Doch das HKW bleibt am Netz, und zwar noch 20 Jahre, bis 2035. Diese Festschreibung hat der Stadtrat im Sommer mehrheitlich beschlossen. Denn für die SWM ist das HWK quasi die Geld­druckmaschine, die auch den Ausbau erneuerbaren Energien beispielsweise in zwei Windparks in der Nordssee vor den Insel Sylt finanziell absichert und vorantreibt. Aber eben zu Lasten der im Umkreis des HKW lebenden Menschen.

Ausgerechnet das Öko-Institut hatte Anfang des Jahres im Auftrag der Stadt und der SWM unter­sucht, wie sich ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung auswirken würde. In dem Gutachten wurde grundsätzlich davon abgeraten, den Block II (vorzeitig) stillzulegen, weil das „weder energie- und umweltpolitisch noch wirtschaftlich zielführend“ sei, „deutliche betriebswirtschaftliche Nachteile“ habe und zudem „unverhältnismäßig teuer“ sei.

Die nackten Zahlen hinter diesen gewundenen Erklärungskonstruktionen: Würde das HKW 2020 vom Netz genommen, büßten die Stadtwerke 340 bis 600 Millionen Euro Einnahmen ein. Bei einer Stilllegung in zehn Jahren, also 2025, wären’s zwischen 180 und 380 Millionen Euro, und im Jahr 2030 läge der finanzielle Verzicht zwischen 55 und 170 Millionen Euro.

Fazit: Ob Reduzierung der Emissionen oder HKW-Nord-Stilllegung, die Zeche zahlt nicht nur der Wähler, sondern jeder, ob Baby, Kind, Jugendlicher oder Erwachsener – mit seiner Gesundheit.