9. Juli 2018

Paukenschlag im Untergremium Planung des Bezirksausschusses: Die Bayerische Versorgungs­kammer (BVK) plant an der Richard-Strauss-Straße 76 auf dem einstigen, 20 400 Quadratmeter großen Siemens-Gelände drei Bürotürme – 40, 60 und 115 Meter hoch, mit 11, 16 und 30 Geschossen! Die Lokalpolitiker waren entsetzt, massiver Widerstand zeichnet sich ab. CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller donner­te empört: „Wir müssen die Bremse reinhauen!“

Vier Ansatzpunkte dazu kristallisierten sich bei der Erörterung der Stadtteilpolitiker zur Empfehlung für die Tagung des Kommunalparlaments am Dienstag, 10. Juli, 19.30 Uhr, Gehörlosenzentrum an der Lohengrinstraße, heraus: Die Höhe der Betonsilos samt Baudichte, die ausschließlich gewerb­liche Nutzung, die zusätzlichen Verkehrsbelastungen sowie vor allem die künftige Verwendung und „Verwandlung“ der drei bestehenden Gebäude der BVK-Zentrale beziehungsweise der Grundstücke an der Denninger- und Arabellastraße.

Zu letzteren Kernfrage erklärte ein BVK-Vertreter: „Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“ Da platzte Robert Brannekämper, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter, fast der Kragen: „Ihr Vorstandsvorsitzender Daniel Just hat mir in den Vorgesprächen zugesagt, dass nach dem Umzug in die neue am Denninger Anger Wohnungen entstehen. Wenn die BVK das nicht einlöst, halte ich den Bebauungsplan an. Ein April, April, wir machen was wir wollen – das geht gar nicht. Ich erwarte bis zum Dienstag, bis zur Sitzung des Bezirksausschusses, einen >Letter of Intent<, was die BVK-Geschäftsführung mit den Flächen machen will.“ Was Brannekämper erwartet, stellte er eindeutig klar: „Wohnungen im Anger sind die Grundvoraussetzung für alles Weitere!“

Wünsche zum und Spekulationen um das Areal des leerstehenden Siemens-Komplexes – ein (teures) Filetgrundstück in Bogenhausen – gab es in der Vergangenheit zuhauf. Neubau des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums (WHG) statt am Salzsenderweg, Wohnblock à la Pharao-Trakt in Oberföhring oder das Konzerthaus für München wurden unter anderen „geflüstert“. Jetzt ist klar: Die BVK baut dort ihre neue Zentrale. 2021 soll mit den Arbeiten begonnen werden.

Über das Vorhaben wurden am 19. Juni laut BVK-Presssprecherin Maike Kolbeck „direkte Anlieger“ informiert, ein Bürgerworkshop soll im Herbst folgen. Welche >Form< die neue Zentrale, der gesamte Komplex, einmal haben wird, war lange Zeit unklar.

Der leerstehende Siemens-Komplex an der Richard-Strauss-Straße 76 in Nachbarschaft zum Hypo-Tower wird abgerissen. Die Bayerische Versorgungskammer (BVK) hat das Premiumgrundstück erworben, plant dort den Bau ihrer neuen Zentrale. Foto: hgb

Indes kochte es – nachdem unser-bogenhausen.de über den BVK-Kauf des Areals berichtet hatte – in der Gerüchteküche erneut. Mehrfach wurde von verschiedenen Seiten kolportiert, an der Richard-Strauss-Straße seien drei abgestufte Hochhäuser geplant – 100, 80 und 60 Meter hoch.

Kolbeck erklärte am 28. Mai diesbezüglich per Mail auf Anfrage: „Derzeit laufen noch die Gespräche mit der Stadt. Im Oktober rechnen wir mit einem Aufstellungsbeschluss. Entsprechend vage sind noch die Pläne. Auch Visualisierungen gibt es noch keine.“

Nun ja, vage Pläne … Der Tagesordnungspunkt im Kommunalparlament lautet nämlich: „Richard-Strauss-Str.: Entwurf Eckdatenbeschluss, Anhörung des Referates für Stadtplanung und Bauord­nung vom 20.06.2018.“ Checkt man besagten, 16-seitigen Entwurf Eckdatenbeschluss steht in den Zeilen für eine Datumsangabe keine einzige Zahl, es heißt „Beschluss … vom <DATUM> (VB).“

Die BVK hatte sich übrigens bereits im April 2016 – was erst später bekannt geworden ist – mit einer Objektgesellschaft, an der neun Altersversorgungseinrichtungen des Konzerns beteiligt sind, bei den Kaufverhandlungen über das riesige Premiumgrundstück angeblich gegen mehr als zehn andere Interessenten durchgesetzt. Was letztendlich sicherlich eine Frage des Preises war. Im vergangenen Herbst wurde dann die Strabag Real Estate GmbH (SRE) mit der Projektentwicklung beauftragt; die Objektgesellschaft firmiert unter der Zeichnung „RS 76“.

Zur Entwicklung Pressesprecherin Kolbeck: „Vorgabe der Projektentwicklung ist, dass der moderne Dienstleistungsansatz der Versorgungsgruppe in der künftigen Immobilie Ausdruck findet. Außerdem soll sie ausreichend Platz bieten, alle Versorgungswerke der BVK unter einem Dach zu vereinen. Voraussichtlich 2023 wird die BVK ihre neue Zentrale beziehen.“

In einer BVK-Pressemitteilung vom 3. Juli heißt es weiter: „Unterschiedliche Studien von SRE befinden sich seit April in Abstimmung mit der Stadt. Mit Hilfe dieser Vorlagen werden zentrale Planungsparameter wie Bauvolumen, Geschosshöhen, städtebauliche Integration, Verkehrsanbin­dung sowie Begrünung in verschiedenen Varianten durchgespielt. Der Entwurf zum Eckdaten­beschluss liegt bereits vor. Die Verabschiedung des Beschlusses im Planungsausschuss und in der Vollversammlung des Stadtrats ist für Oktober geplant. Bleibt es beim aktuellen Zeitplan, wird im Herbst ein Architekten- und Städtebauwettbewerb ausgelobt. Dessen Ergebnis wird im Frühjahr 2019 erwartet, der Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2021.“

Der Abriss der alten Siemens-Bürogebäude ist laut BVK nachhaltiger ist als ihre Sanierung. Das habe eine Analyse von Standort und Bausubstanz ergeben: „Das neue Bürogebäude soll modern­ste Standards und Flexibilitätsansprüche erfüllen. Diese Anforderungen lassen sich auf den aktuel­len Grundrissen nicht wirtschaftlich realisieren. Zieht man weiterhin in Betracht, dass ein Neubau ökologisch nachhaltiger ist und sich besser in das bauliche Umfeld einfügen lässt, wäre die Sanie­rung in jeder Hinsicht die schlechtere Alternative“, so SRE-Projektleiter Christian Kaspar.

Auch BVK-Chef Just, Herr über mehr als 72 Milliarden Euro Anlagen – sieht die Chance zur Stand­ortaufwertung: „Ein Grundstück von dieser Größe und Zentralität in München neu zu bebauen, ist ein seltener Glücksfall. Als nachhaltig agierender Dienstleister wollen wir den neuen Bürostandort nicht nur optimal auf unseren Arbeitsbedarf abstimmen, sondern auch auf den städtebaulichen Kontext.“

Die BVK hatte laut Internetangaben Ende vergangenen Dezember 1274 Beschäftige. „Wir wollen und werden weiter wachsen, wir rechnen mit etwa 500 neuen Mitarbeitern,“ so ein BVK-Vertreter im Unterausschuss Planung. Wo werden diese Menschen wohnen? „Die Zentrale in der Richard-Strauss-Straße hat den Wohnungsbau in den Hintergrund gedrängt, es gibt ausschließlich Büroräume“, erklärte der Mann ohne zu erröten. Christiane Hacker (SPD), in seltener Einigkeit mit Brannekämper: „Wo Jobs entstehen, müssen Firmen auch Wohnungen entstehen lassen.“ Vorstandboss Daniel Fust ist gefragt!