6. September 2018

Jahrelang gab’s in München erbittert geführte Diskussionen, wie den Opfern des NS-Terrors gedacht werden soll. Die Stadt und auch die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hatten im Gegensatz zu an­deren deutschen Metropolen so genannte Stolpersteine – auf Gehwegen angebrachte Tafeln, über die die Menschen trampeln – abgelehnt. Jetzt ermöglichen Erinnerungstafeln an 1,86 Meter hohen Stelen vor und an ehemaligen Wohn- oder Arbeitsorten ein Gedenken auf Augenhöhe – nicht auf dem Boden – an die Ermordeten.

Eines der ersten Gedenkzeichen wurde in Bogenhausen, am Gebäude Mauerkircherstraße 13, aufgestellt. Es erinnert an das Ehepaar Jordan. Paula Jordan (geb. 17.5.1889) hatte im Ersten Weltkrieg eine Ausbildung zur Krankenpflegerin gemacht, ihr Mann Fritz Siegfried (geb. 18.7.1889) hatte von 1915 bis 1918 an der Front gekämpft.

Das jüdische Paar – sie aus Unterfranken, er gebürtiger Münchner – hatte nach dem Krieg eine Kunstgalerie in München betrieben. Die Nationalsozialisten hatten sie 1937 zur Aufgabe ihres Geschäfts gezwungen. Siegfried Jordan wurde nach der Pogromnacht im November 1938 im KZ Dachau interniert. Ein Jahr später war das Ehepaar nach Kaunas in Litauen deportiert worden, wo sie von SS-Einsatzgruppen am 25. November 1941 erschossen wurden.

Mauerkircherstraße 13: Eine Stele mit zwei zwölf mal 17 Zentimeter großen Tafeln aus vergoldetem Edelstahlblech mit gerasterten Portraitbildern und Personenangaben erinnert an das 1941 ermordete Ehepaar Paula und Fritz Siegfried Jordan. Fotos: hgb

Die Jordans, die ab 1925 im Haus 13 der Mauerkircherstraße (im Haus 13/II wohnte einst Thomas Mann) gelebt hatten, waren lange Zeit unentschlossen, ob sie Deutschland wegen des Nazi-Regimes wie einige ihrer Geschwister verlassen sollten.

Zu sehr waren sie in München verwurzelt, sie liebten Bayern und die Berge. Kurz vor ihrer Verhaftung war es den Eheleuten noch gelungen, ihren einzigen, damals 16-jährigen Sohn nach Großbritannien zu schicken.

Zu all dem muss man wissen: Zwischen 1933 und 1945 wurden in München tausende Frauen, Männer und Kinder aus politischen und rassistischen Motiven, wegen ihres Glaubens, ihrer unange­passten Lebensweise und auf Grund ihrer psychischen Erkrankungen oder Behinderungen verfolgt und ermordet. Die meisten dieser Menschen waren in den Jahrzehnten nach dem Kriegsende in Vergessenheit geraten. An ihren ehemaligen Wohn- oder Arbeitsorten werden nun auf Wunsch von Angehörigen oder auf Anregung von Bürgern Stelen mit Erinnerungstafeln installiert. Dafür hat die Stadt 150 000 Euro bereitgestellt.