3. Juli 2020
Der viergleisige Ausbau und die Verlegung der S8-Trasse von und zum Flughafen zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen wurden im Frühjahr 2010 vom Stadtrat beschlossen. Auch der Freistaat hatte zum Projekt sein Plazet gegeben. Im Rathaus wurde das Votum später nochmals bestätigt, die Voraussetzung Röhre für den Abschnitt erneut verankert. Was die Kosten angeht, kursieren seither Beträge, die einer Zahlen-Gaukelei gleichkommen.
Am Mittwoch, 8. Juli, befassen sich die Stadtvertreter auf Basis von Unterlagen der Deutschen Bahn (DB) erneut mit dem Thema. Beraten wird über die Varianten Tunnel, Trog und ebenerdiger Verlauf in Verbindung mit dem Münchner Kostenanteil. In diesen Tagen machten neue Summen die Runde. Am Dienstag, 7. Juli, steht das Mammutprojekt auf der Tagesordnung des Bezirksausschusses Bogenhausen (siehe Rubrik „Termine“), eine „Empfehlung“ für den Stadtrat wird wohl verabschiedet.
Die Zahlen: Laut mündlichen Angaben beziffert die BI Tunnel, die Bürgerinitiative für einen Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen e. V., nach einem Gespräch mit Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr (BMVI) und der DB die zusätzlichen Aufwendungen für eine Röhre mit 250 Millionen Euro pro Kilometer; ergo für die etwa vier Kilometer lange Strecke eine Milliarde Euro, die die Stadt tragen soll. Ein oberirdischer Ausbau – offensichtlich DB-Favorit – wird den Aussagen zu Folge mit bis zu 800 Millionen Euro veranschlagt. Einfach mal addiert wären’s rund 1,8 Milliarden Euro Kosten. Gesamtkosten?
Gesamtkosten: Es ist stets von Streckenausbau, wie auch immer geartet, die Rede. Und die drei neuen Bahnhöfe in Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen? Keine Angaben! Gemäß Einschätzung eines Experten kostet einer mindestens 100 Millionen Euro, gesamt also etwa 300 Millionen Euro. Ist das in der „Kalkulation“ berücksichtigt?
Flächengewinn: Ein Tunnel schafft Fläche, exakter: Oberfläche. Bei einer Vier-Kilometer-Röhre mit einer Breite von etwa 80 Metern kommen da einige Hektar zusammen – in etwa die Fläche des Wohnquartiers Prinz-Eugen-Park! Das Gleis- samt Nebenareal beim bestehenden ebenerdigen S-Bahn-Verlauf ist Bahn-Grund! Und künftig: Grünfläche? Teilweise Baugrund?
Der Zeitablauf: CSU-Landtagsabgeordneter und Mitglied des Bezirksausschusses Bogenhausen Robert Brannekämper hatte im vergangenen November erläutert: „Wenn der Bau der zweiten Stammstrecke 2030 abgeschlossen ist, kann der viergleisige S-Bahnausbau beginnen. Bei einer Bauzeit von etwa zehn Jahren könnte der Tunnel im Jahr 2040 fertig sein.“ Wohlgemerkt: könnte – in 20 Jahren!
Stand 2011 belief sich die Kalkulation für den Tunnelbau auf rund 670 Millionen Euro. Diese Zahl war nicht nur optimistisch, sie war von vornherein schlicht und einfach Augenwischerei.
Stand 2016 errechneten die Fachleute Kosten bis zur Inbetriebnahme von 970 Millionen Euro. Nun war’s also ein Milliarden-Projekt.
Stand 2018, August: Die DB taxiert – lies schätzt – das Projekt gemäß Unterlagen im städtischen Planungsausschuss auf nunmehr 2,4 Milliarden Euro.
Stand 2020, Juni: Eine neue, verlässliche Gesamtsumme für einen Tunnelbau liegt nicht vor. Wohl aber der Anteil Münchens – siehe oben: eine Milliarde Euro.
Ausblick 2040: Nimmt man die (im Vergleich zur jüngsten 1,8-Milliarden-Euro-Angabe) eher realistischere 2018er-Bahn-Schätzung 2,4 Milliarden Euro als Grundlage und berücksichtigt eine wahrscheinliche, jährliche Steigerung der Baukosten von fünf Prozent bei einer Bauzeit von zehn Jahren ab 2030, dann sind’s schlussendlich etwa fünf Milliarden Euro.
Im November 2019 betonte Brannekämper : „Ohne Tunnel – es sind ja vier Röhren, zwei jeweils seitlich für Güterzüge, zwei in der Mitte für die S-Bahn – kann man kein neues Wohnquartier im Nordosten entwickeln. Wir müssen jetzt, nach mehr als 30 Jahren, weiterkommen, der gordische Knoten muss endlich durchschlagen werden. Die Bahn muss mit offenen Karten spielen, wir dulden keine Tricksereien, wir wollen kein Stuttgart 21. Mit mir gibt’s keine Billiglösung, keine Mauer links und rechts der Gleise. Der Tunnel ist kein Luxusprojekt!“
Das Fazit von Brannekämper: „Es wird teuer, sehr teuer. Es ist ein europäisches Projekt – die EU muss Geld locker machen!“ Ob’s in (Nach-)Pandemiezeiten dazu kommt?