Unterirdisch oder oberirdisch – diese Frage bezüglich des viergleisigen Ausbaus (zwei Gleise für Güterzüge, zwei für die S-Bahn) der Trasse von und zum Flughafen zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen beschäftigt und bewegt seit Jahren Bürger, Lokal-, Stadt- und Landespolitiker. Jetzt hat Michael Hatzel, Architekt von der Bahn-Tochter DB InfraGO, die beiden Entwürfe – die >Feinvariantenuntersuchungen<, von der Stadt, die ebenso wie der Bezirksausschuss auf einer Tunnellösung beharrt, mit rund sechs Millionen Euro finanziert – im Untergremium Planung des Kommunalparlaments vorgestellt.

Die Entscheidung liegt nun beim Bundesverkehrsministerium unter Federführung von Volker Wissing (FDP). Hatzel erklärte: „Die Planungen sind abgeschlossen, wir warten auf den Auftrag.“ Beide Varianten seien technisch umsetzbar und genehmigungsfähig.

Der Koordinator für den Bahnausbau im Münchner Osten machte klar, dass Planungsgrundlagen die Zahlenprognosen für 2030 waren. „Werte für 2040 und weiter stehen noch nicht fest, kommen laut Internet-Seite des Ministeriums im Lauf des Jahres.“ Auf Nachfrage sagte er: „Wir gehen davon aus, dass die Zugzahlen steigen.“ Verbunden damit seien neue (!) Entwürfe und Ausarbeitungen. „Und bei neuen Zahlen neun Meter hohe Wände?“ argwöhnte Stadträtin Angelika Pilz-Strasser – „Geht nicht, materialmäßig nicht machbar.“

Die ebenerdige Variante – etwa 4,5 Kilometer klang, auf freier Strecke rund 28 Meter und an den drei Bahnhöfen knapp 34 Meter breit – ist eingerahmt von sechs Meter hohen, perforierten Schallschutzwänden aus Stahl – laut den DB-Planern die „Maximalhöhe, mehr ist baulich nicht möglich.“ Gleichwohl wäre entlang der Stegmühlstraße wegen der rund vier Meter hohen Böschung der >Schutz< etwa zehn (!) Meter hoch. Übrigens: Es sind vier (!) Wände – je eine an den Außenseiten und zwei im „Innenbereich“ für die Güterzüge.

Robert Brannekämper, Landtagsabgeordneter und CSU-Fraktionssprecher, donnerte: „Auf drei Kilometer Länge sechs Meter hohe Lärmschutzwände – das ist Wahnsinn, das ist eine bauliche Katastrophe. Die DDR-Mauer war >nur< 3,60 Meter hoch. Bei Rosenheim wird ein Tunnel gebaut. Das muss auch am höchsten belasteten Bereich, dem Münchner Osten, möglich sein.“

Der Tunnel – auf dem „Deckel“ entstünden etwa acht Hektar (Grün-)Fläche – wäre ungefähr 2,6 Kilometer lang; an der Ein- und Ausfahrt würden „lange Lärmschutzwände“ installiert. Laut städtischem Planungsreferat in einer „Gesamtlänge von etwa 1,7 Kilometer.“ Die Bürgerinitiative Bahntunnel greift das zu kurz, denn mehr als 8000 Anwohner im Raum Johanneskirchen, die unter anderem in einem 15stöckigen Hochhaus und in zwei Wohnquartieren leben, müssten starken Lärm ertragen.

Stadtrat Jens Luther (CSU) machte klar: „Der Tunnel ist die Grundlage für die SEM (Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, vom Planungsreferat neuerdings als MNO = Münchner Nordosten bezeichnet). Dazu gibt es einen Stadtratsbeschluss!“

Samuel Moser (Grüne) aufgebracht: „Der Tunnel kommt nicht, dann die SEM einstampfen – darauf lassen wir uns nicht ein!“ Seine Parteikollegin Pilz-Strasser versuchte zu glätten: „Wir brauchen ein starkes Votum gegen den ebenerdigen Ausbau.“

Bei den Kostenangaben kann es einem den Kopf verdrehen. Laut aktuellen städtischen Unterlagen (aus dem Jahr 2022) sind für den ebenerdigen Ausbau 740 Millionen Euro angesetzt, für die Röhre 1,8 Milliarden Euro (ohne Risikozuschlag). In der Vergangenheit wurden von der Bahn 900 Millionen bzw. 2,4 Milliarden Euro genannt.

Fachleute rechnen für den Tunnel indes mit mindestens vier Milliarden Euro, die bis auf sieben Milliarden steigen könnten – je nach Baubeginn und Fertigstellung.

Auszug einer Stellungnahme der DB vom Februar 2023: bei beiden Varianten Baubeginn 2031; Dauer ebenerdig etwa sechs Jahre, Dauer Tunnelbau zwölf Jahre.

Also I: Baubeginn Variante oberirdisch 2031, Bauzeit sechs Jahre, Fertigstellung folglich 2037. Plus Verzögerungen!

Also II: Baubeginn Variante Bahn im Tunnel 2031, Bauzeit zwölf Jahre, Fertigstellung folglich 2043. Plus Verzögerungen!

Aktuelle Angaben: Kein Hinweis auf den Baubeginn. Dauer ebenerdig etwa sechs Jahre. Dauer Tunnelbau 13,5 Jahre – binnen eines Jahres um 1,5 Jahre verkalkuliert … Wohl Fachkräftemangel.

Statement der Lokalpolitiker zur DB InfraGO-Präsentation (Auszüge): Der Bezirksausschuss nimmt die Ergebnisse der Feinplanung zur Kenntnis und schließt sich den Ausführungen des Planungsreferats vollumfänglich an. Der Bezirksausschuss bekräftigt vehement seine Haltung, dass der viergleisige Ausbau ausschließlich in der Tunnelvariante für die Menschen im Stadtbezirk und die Städtebauliche Entwicklung im Münchner Nordosten verträglich ist.

Der Immissionsschutz sowie eine gute Vernetzung der Stadtgebiete westlich und östlich der Bahntrasse können durch einen ebenerdigen Ausbau nicht ausreichend sichergestellt werden, vielmehr untergräbt er sämtliche Perspektiven der nachhaltigen Stadtentwicklung und verstetigt die räumliche und soziale Trennung der Siedlungsstrukturen.

Das Planungsreferat wird gebeten, eine Visualisierung der geplanten Bebauung in Trassennähe voranzubringen, um die realen Entscheidungsgrundlagen für die Varianten und deren Auswirkungen darzustellen. Die DB InfraGO wird aufgefordert, die Visualisierungen und Animationen auf der Website des Vorhabens auf den neuen Planungsstand anzupassen und auch die zukünftige Bebauung entlang der Strecke abzubilden.

Sobald die Verkehrsprognose für 2040 durch das Bundesverkehrsministerium abgeschlossen ist, sind die Planungen insbesondere mit Bezug auf den Immissionsschutz auf Grundlage dieser neuen Zahlen anzupassen und erneut mit den verschiedenen politischen Ebenen abzustimmen. Die Entwurfsplanung soll bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt bleiben. Eine parlamentarische Befassung des deutschen Bundestags mit dem Ausbauprojekt sieht der Bezirksausschuss als rechtlich und politisch notwendig an.“

Visualisierungen der viergleisigen Bahn-Trasse an der Stegmühlstraße: ebenerdig (oben), Tunnel (unten).    Visualisierungen: DB InfraGO aus www.daglfing-johanneskirchen.de ; Screenshots / Bearb.: hgb

Visualisierungen der viergleisigen Bahn-Trasse an der Brodersenstraße: ebenerdig (oben), Tunnel (unten).

Visualisierungen der viergleisigen Bahn-Trasse im Bereich Daglfinger Straße: ebenerdig (oben), Tunnel (unten).