Finden Sie nicht auch: In den vergangenen Monaten ist es doch sehr still geworden, um die Städte­bauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten, wo auf dem mehr als 600 Hektar großen Areal jenseits der Bahnlinie, entlang von Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen, eingerahmt von den Grenzen von Unterföhring und Aschheim. Demnächst steht ein „Jubiläum“ zur Vision an.

Zu diesem Stichwort ein (gekürzter) Auszug der Rathaus Umschau vom 28.11.2013, Entwicklung Münchner Nordosten: „Der Stadtrat hat am gestrigen Mittwoch für die Städtebauliche Entwicklungs­maßnahme die Inhalte festgelegt, zu denen in den >Vorbereitenden Untersuchungen< vertiefende Gutachten erstellt werden. Um die Entwicklungen steuern zu können, hat der Stadtrat bereits 2011 (Anm. d. Rd.: Einleitungsbeschluss) beschlossen, vorbereitende Untersuchungen einzuleiten. Es sollen neue Siedlungsflächen erschlossen und bisher nicht realisierte Wohnbaupotenziale aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden.“ Wohlgemerkt: aus dem Flächennutzungsplan!

Stand heute sollen nach den Plänen der Stadt Wohnraum für 30 000 Menschen und 10 000 Arbeitsplätze entstehen. Dazu muss man wissen: Besagte mehr als 600 Hektar bestehen aus 600 Flurstücken. In Privatbesitz befinden sich rund 450 Hektar (350 Flurstücke), die sich unter 525 Eigentümern aufteilen. Der Stadt gehören gerade einmal 150 Hektar (250 Flurstücke einschließ­lich Straßengrundstücken). Angesichts dieser Fakten fehlt für die Umsetzung jeglicher Planung also die Grundlage. Auch wenn’s die Behörden immer wieder dementieren: Grundenteignungen sind möglich, sie drohen, sie sind als „Damoklesschwert“ einer SEM ansetzbar.

Anfang 2014 gab‘s die erste Informationsrunde – knapp 100 Bogenhauser waren dabei – zum Ablauf der vorbereitenden Untersuchungen auf Initiative des Bezirksausschusses. Michael Hardi vom Planungsreferat, heute als Stadtdirektor Leiter der Stadtplanung, versicherte: „Die Tieferle­gung der S8, der Ausbau in einem Tunnel, ist ein Beschluss des Stadtrats, ist unser Ausgangspunkt für die Entwicklungsmaßnahme.“ Die damalige Bezirksausschuss-Vorsitzende Angelika Pilz-Stras­ser: „Das Vorhaben ist ausschließlich mit einem Tunnel machbar. Sonst wird Bogenhausen zerteilt“.

Denn: Den viergleisigen Ausbau der zweispurigen Strecke für S-Bahn und Güterzüge in einer etwa vier Kilometer langen Röhre sowie Abriss der vergammelten Bahnhöfe in Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen samt Verlegung der Stationen unter die Erde hat der Stadtrat bereits am 29. Februar 2012 befürwortet.

Eingegrenzt ist das „zerklüftete Areal“, so damals Hardi, von den Gleisen der S-Bahn zum Airport im Westen und dem Lebermoosweg im Osten sowie der Bahntrasse nach Mühldorf und der Stadt­grenze. Vorgesehen sind laut Flächennutzungsplan (FNP) 10 000 Wohnungen und 2000 Ar­beitsplätze. Auf die Frage „ob nur 5000 Wohnungen nicht sinnvoller wären?“ antwortete er: „Die Zahl ist grundsätzlich offen, sie muss geprüft werden in den Gutachten für ein Konzept, um Ihnen und dem Stadtrat Antworten geben zu können. Weniger als im FNP vorgesehen würde uns aber unglaubwürdig machen. Es könnten durchaus auch 15 000 Wohnungen werden“.

Bei letzterer Zahl war ein Bürger zusammengezuckt, befürchtete Riemer Dimensionen, hatte unter dem Beifall der Besucher: geurteilt: „Eine so dichte Bebauung wollen wir nicht. Riem ist grauen­voll“. Eine derart dichte Bebauung sei, so Hardi, nicht zu befürchten, denn wegen des zer­klüfteten Areals könne keine kompakte Großsiedlung geschaffen werden.

Und weiter: „Wir wollen nicht nur Wohnungen auf Teufel komm’ raus schaffen, nicht alle Flä­chen kommen für Wohnbau in Frage, die Menschen brauchen auch Freiräume und Grünflächen“. Der Erhalt des Gebiets als „wesentliche Grünversorgung“ ist nämlich vom Stadtrat verankert wor­den. Zur besseren Vorstellung der Flächengrößen nannte der Planungsfachmann Beispiele: „Das Areal ist mit Riem samt Park, dort sind’s rund 560 Hektar, vergleichbar. In Freiham Süd und Nord sind’s rund 350 Hektar“. Und: „Anfang der 2020-Jahre könnten dann vielleicht die ersten Bagger anrücken.“

Im Dezember 2021 dann Michael Bacherl, Architekt im Planungsreferat, beim >Digitalen Bürgerdia­log zum Münchner Osten<: „Im März steht der Beschluss des Stadtrats an zu unserem Vorschlag Wohnraum für 30 000 Einwohner und 10 000 Arbeitsplätze zu schaffen. 2026 ist der Beginn der Bauleitplanung vorgesehen; erfahrungsgemäß dauert es circa fünf Jahre bis der Bebauungsplan steht. Ab 2030 / 31 könnten die ersten Baumaßnahmen erfolgen, ab 2035 wären dann die ersten Einzüge möglich.“

Den Ausbau der Bahntrasse – in welcher Form auch immer – wollte die Deutsche Bahn (DB) in diesem Frühjahr präsentieren. Tage, Wochen, Monate sind inzwischen vergangen. Wird es noch ein Jahr dauern? Oder gar Jahre? Gesetzt den Fall, dass 2024 eine DB-Entscheidung steht, die Maßnahme vor der SEM umgesetzt wird, dürfte vor 2050 keine Wohnung bezugsfertig sein …

Anfang 2014: Michael Hardi, heute Stadtdirektor Leiter der Stadtplanung, erläutert die Anschlussmöglichkeiten per U-Bahn oder Straßenbahn des künftigen Wohnviertels östlich der S-Bahnlinie. Archivfoto: hgb
Ausschnitt des Siegerentwurfs für die SEM Nordost für die Variante mit 20 000 Bewohnern (etwa 7100 Wohnungen). Realisiert werden soll nach Vorgaben des Planungsreferats die Variante mit 30 000 Bewohnern (etwa 10 600 Wohnungen) plus 10 000 Arbeitsplätze. Eine Zeichnung dazu gibt es nicht. Wie die wohl ausschauen würde?  
Plan: Büro Rheinflügel Severin