06 Dezember 2021

Nordosten: Bogenhausen zeigt klare Kante

Dem vom Planungsreferat ausgearbeiteten Beschlussentwurf für den Stadtrat zur Bebauung im Münchner Nordosten haben die Mitglieder des Bogenhauser Bezirksausschusses mit aus­führlich formulierten Einschränkungen zugestimmt.

Die wesentlichen Punkte aus der Vorlage der Behörde in Auszügen

• Das Planungsreferat wird beauftragt, den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbe­werbsentwurf des ersten Preisträgers rheinflügel severin mit bbz landschaftsarchitekten zur Grund­lage der weiteren Planung zu machen. Dabei ist allerdings eine andere Erschließung der weiteren Planung zu Grunde zu legen, als derzeit die Süd-West-Trasse aufzeigt.

• Der Stadtrat stimmt zu, dass die Nutzungsrechte des ersten Preisträgers angekauft werden.

• Der Stadtrat beschließt auf Grundlage des Entwurfs folgende Planungsziele:
1.) Der Nordosten soll klimaneutral und ökologisch, auto- und lärmarm, lebendig und sozial sein.

2.) Die Nutzungsdichte soll schrittweise von bis zu 30 000 Einwohner möglichst boden- und res­sourcenschonend erreicht werden.
3.) Das Gebiet dient vorrangig dem Wohnungsbau. Arbeitsplätze sind nur in der Größenordnung einzuplanen, die für die Aufrechterhaltung der sozialen Infrastruktur und Nahversorgung benötigt wird. Der Fokus soll bei Handwerk, Einzelhandel und Dienstleistungen liegen.
4.) Der Hüllgraben ist von jeglicher Bebauung freizuhalten und als renaturierte Naherholungsfläche zu planen. Eine Erschließungsstraße über den Hüllgraben ist keine Option.

5.) Das Gelände der Olympia-Reitanlage und der Polizeireiterstaffel ist in seiner bisherigen Nutzung und Umfang zu erhalten. Von einer Bebauung oder Erschließung des Baugebiets über das Gelände ist aus Gründen des Natur- und Artenschutzes abzusehen.
6.) Die im Entwurf freibleibenden Flächen sollen für die Zukunft so gesichert werden, dass eine spätere Nachverdichtung ausgeschlossen ist. Insbesondere sind Grünflächen und Naherho­lungsgebiete umfassend auszuweisen und zu sichern.

• Das Planungsreferat wird gebeten, die notwendigen Gutachten vorzubereiten: Verkehrs- und Mobilitäts, Landschafts- und Ausgleichsflächenkonzept, Klimaneutralität, stadtklimatisches Gutach­ten, agrarstrukturelle Untersuchungen, hydrogeologische und hydrologische Untersuchungen zum Grundwasser und zum Hüllgraben, soziales Nutzungs- und Versorgungskonzept, Machbarkeits­studie Badesee und Immissionsschutz. Für die jeweiligen Gutachten ist bei der Ausschreibung der Bezirksausschuss zu beteiligen, sodass dieser Anregungen mit einbringen kann.

• Das Planungsreferat wird gebeten, mit dem Mobilitätsreferat Alternativen zur verkehrlichen Er­schließung der Quartiere zu entwickeln und dem Stadtrat / den ´Bezirksausschüssen vorzulegen.

• Das Mobilitätsreferat wird gebeten, bei der nächsten Aktualisierung des Nahverkehrsplans der Stadt die Verlängerung der U4 bis zur Messestadt oder alternativ Richtung Osten sowie der Trambahnlinie 17 ab Johanneskirchen in die Kategorie >in Untersuchung< aufzunehmen.

• Das Baureferat wird gebeten, sobald die erforderlichen Ressourcen geschaffen sind, die Vorplanung für eine Verlängerung der U4 Arabellapark über Englschalking mit einem weiteren Halt im Münchner Nordosten zu erstellen und dem Stadtrat über das Ergebnis zu berichten.

•Das Planungsreferat wird beauftragt, mit dem Kommunalreferat, den entwicklungsunbeeinflussten Anfangswert aller im Untersuchungsumgriff gelegener Grundstücke ermitteln zu lassen.

• Liegen die Ergebnisse der Gutachten vor, ist eine Bürgerbeteiligung durchzuführen, bei der the­menspezifisch an mehreren Tagen Bürger in Arbeitsgruppen Fragen stellen sowie Anrengungen und Kritik einbringen können. Die Bezirksausschüsse sind bei der Vorbereitung einzubeziehen, es müssen sowohl Termine für eine Online- als auch für eine Präsenzteilnahme stattfinden.

• Die angrenzenden Gemeinden Aschheim, Kirchheim und Unterföhring sind frühzeitig mit einzu­beziehen, damit eine Abstimmung stattfinden kann.

Die Bogenhauser Stellungnahme

Der Bezirksausschuss spricht sich grundsätzlich dafür aus, den Siegerentwurf des Wettbewerbs anzukaufen. Allerdings haben die Workshops mit dem Planungsreferat sowie den anderen Refe­raten gezeigt, dass noch viele Punkte vor einer weitergehenden Planung zu klären sind. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Planung macht erst dann Sinn, wenn nachfolgende Aspekte berücksichtigt bzw. umgesetzt wurden.

1.  Für die Erschließung ist eine Alternative zu der derzeitigen vorgesehenen Erschließung Süd-West aufzuzeigen. Die angedachte und im Plan niedergelegte Erschließung beruht nicht auf dem Stadtratsbeschluss. Vielmehr hat die Verwaltung selbstständig eine Überplanung vorgenommen. Die jetzige Planung mit einer Erschließungsstraße von Ost nach West stellt entgegen des Eckda­tenbeschlusses eine Durchgangsstraße dar und generiert zu dem Schleichverkehr für Fahrzeuge, die auf der A94 nicht im Stau stehen wollen bzw. den Stau in angrenzenden Straßen (Richard-Strauss- / Prinzregentenstraße) umgehen wollen. Durch die derzeit vorgesehene Erschließung wür­de der externe Verkehr nicht aus dem Quartier herausgehalten werden.
Die Lösung kann nicht in etwaigen nachträglichen Tempobeschränkungen oder Sperrungen von einzelnen Straßenabschnitten liegen. Es gilt die Zahl von Fahrzeugbewegungen, die nicht unmittel­bar dem Quartier zuzuordnen sind, möglichst gering zu halten.
Zudem muss sichergestellt werden, dass die Quartiere und die vorhandene Bebauung verkehrlich aneinander angeschlossen sind und ein Queren untereinander möglich ist; ohne Anbindung an die M3. Weitere Details sind im Rahmen des Verkehrsgutachtens näher zu untersuchen.

Der Nordosten Münchens auf Bogenhauser Flur: eine grüne Idylle, die nach dem Willen der meisten Bürger erhalten bleiben soll.   Foto: hgb

2.  Sofern Gewerbetriebe / Gewerbeeinheiten vorgesehen sind, bedarf es für die weitere Planung einer Konkretisierung mit folgender Regelung:‘
a) Gewerbegebiete werden ausschließlich im nordöstlichen Teilbereich (Johanneskirchen) ausge-wiesen.

b) Bei der Gestaltung der Gewerbegebiete ist darauf zu achten, dass aufgrund klarer Vorgaben zur Höhe der Baumasse und der Volumen es ausgeschlossen ist, dass sich größere Betriebe (wie Amazon) dort ansiedeln können. Die Errichtung großer Bürokomplexe wird abgelehnt.

c) Bei der Verteilung der Gewerbeeinheiten ist darauf zu achten, dass diese ausschließlich der Ver­sorgung des örtlichen Wohnquartiers dienen sollen. Denkbar wäre eine Gewerbehof und Ateliers für Kunst und Kultur. Externe Gewerbeeinheiten sollen nicht geschaffen werden.

d) Die Regelung für den Gewerbetrieb gilt ebenfalls für Industriegebiete. Also lediglich kleinteilige, örtlich notwendige Gewerbeeinheiten sind zulässig.

3. Hinsichtlich der Gutachten, die im weiteren Verfahren zu beauftragen sind, müssen alle Gutachten auf einmal und in Abstimmung zueinander beauftragt werden. Es ist aus Sicht des Bezirksaus­schusses gänzlich verfehlt aus Kostengründen die Gutachten zu splitten und im Jahr 2022 einen Teil der Gutachten und im Jahr 2023 den zweiten Teil der Gutachten zu beauftragen. Wie gerade die Machbarkeitsstudie zur SEM gezeigt hat, ist es unausweichlich und dringend notwendig, die Gutachten gleichzeitig und aufeinander abgestimmt zu beauftragen.

4.  Im Rahmen der Workshops wurde deutlich, dass bisher keine klare Aussage bzw. Übersicht dar­über existiert, wie viel Ausgleichsfläche, wie viel allgemeine Grünfläche, wie viel private Grünfläche bzw. wie viele Doppelungen in Bezug auf die Flächen vorliegen. Daher möge die Stadt unverzüglich dem Bezirksausschuss den Flächenverbrauch darstellen inklusive einer vorläufigen Schätzung der durch Bebauung zu erwartenden Versiegelungsfläche.
Dabei ist es für die weitere Planung unabdingbar, dass die Ausgleichsflächen im Gebiet Bogenhau­sen selbst liegen und nicht an anderen, entfernten Orten nachgewiesen werden.
Das Gelände der Olympia-Reitanlage / Polizeireiterstaffel sowie der Hüllgraben haben einen hohen Wert für den Natur- und Artenschutz. Der Bezirksausschuss lehnt daher in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der bisherigen Bürgerbeteiligung dort jedwede Bebauung kategorisch ab.
Es muss sichergestellt werden, dass eine Erweiterung der Bauflächen über die aktuellen Planungen hinaus konsequent ausgeschlossen ist.

5.  Es ist sicher zu stellen, dass hinreichend bezahlbarer Wohnraum entsteht.

6.  Für ein klimaneutrales Stadtquartier ist neben Kalt- und Frischluftschneisen, genügend Grün- und Freiflächen und eine klimaneutrale Energieversorgung von zentraler Bedeutung. PV-Anlagen auf den Dächern und eine Sicherstellung von erneuerbarer Wärmeversorgung sind wesentlich. Dazu sollten Untersuchungen eingeleitet werden, insbesondere ob eine Geothermieanlage möglich ist.

7.  In der Planung muss von Beginn an neben der üblichen sozialen Infrastruktur wie Schulen, Kin­dertagesstätten, Altenheime, Bürgerhaus etc. auch ein kommunales Gesundheitszentrum berück­sichtigt werden. Eine medizinische Unterversorgung wie in Riem ist unbedingt zu vermeiden.