Versinkt das anno 2008 per Vorbereitungsbeschluss im Stadtrat eingeleitete Mammutprojekt
Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Nordosten im Wasser, genauer im
Grundwasser? Dort sollen auf einem mehr als 600 Hektar großen Areal entlang der S-Bahnlinie
zum Flughafen, entlang von Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen, eingerahmt von den
Grenzen zu den Landkreis-München-Gemeinden Unterföhring und Aschheim sowie dem
Lebermoosweg (ehemalige Gütergleis-Trasse) und der Riemer Straße auf der grünen Wiese Wohn-
und Gewerberaum für 30 000 Bewohner (rund 10 600 Einheiten) und 10 000 Arbeitsplätze
entstehen soll,
Dass das Grundwasser im Großraum der SEM – unlängst von Architekt Michael Bacherl (46),
seit August Leiter der Hauptabteilung II (Stadtplanung) im Referat für Stadtplanung und
Bauordnung, zuvor Abteilungsleiter für Projektentwicklungen wie den Münchner Nordosten, als
MNO, als Münchner NordOsten, abgewiegelt bezeichnet – und darüber hinaus ein Problem
darstellt, das ist seit Jahren, ja seit Jahrzehnten bekannt. Aber wie groß ist das Problem
wirklich?
Bei der Vorstellung „Sachstand Untersuchungsgebiet Münchner Nordosten“ durch das
Referat im Untergremium Planung des Bezirksausschusses Bogenhausen, wurde jetzt klar, dass
das Problem weitaus größer ist als bisher angenommen, dass das Problem bislang verharmlost
worden ist. Daher stellt sich die Frage: Säuft die SEM ab?
Landwirt Johann Oberfranz, organisiert und engagiert in der Bürgerinitiative Heimatboden, zur
Grundwasser-Aussage von Philine Stadtmüller, jetzt für den Nordosten planerisch zuständig,
„Gutachter sind vor Ort und prüfen“: „In Johanneskirchen ist das Grundwasser an der Oberfläche, in
Daglfinger Häuser steht es in den Kellern.“ Seine Nachfrage „Ist somit eine Bebauung überhaupt
möglich?“ blieb – kaum verwunderlich – unbeantwortet.
An dieser Stelle hakte Tagungsbesucher Werner Hoffmann, in den frühen >Achtzigern< 16 Jahre
Mitglied im Bezirksausschuss und davon zehn Jahre CSU-Fraktionssprecher, als Architekt vormals
in der Obersten Baubehörde des Freistaats tätig und somit Kenner von Bauplanungen: „Den
Grundwasserstrom auf der gesamten Fläche, im südöstlichen Oberbayern, gibt es gemäß
geologischen Karten seit jeher, da braucht man keine Gutachten.“
Ist dann eine Bebauung zum Scheitern verurteilt? Hoffmann: „Für Geld, viel Geld, ist alles möglich,
für viel Geld machen Firmen alles. Zum Beispiel Venedig. Die Stadt steht im Wasser. Aber es geht.
Es geht mit viel Geld. Es ist halt alles wahnsinnig teuer.“ Dies bezogen auf die SEM meinte er:
„Sozialverträglichen Wohnungsbau kann man dann vergessen.“
Für (wahnsinnig) viel Geld kann man den viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke in einen etwa 20
Meter tiefen Tunnel – im Rathaus beschlossene Voraussetzung für angrenzende Wohngebäude –
verlegen. Notwendig dafür ist ein irrer langer und dicker Düker. Machbar. Aber eben kostspielig.
Kleine Häuser sind ohne Wannen, ohne Keller, denkbar. Mit Wannen wird’s wesentlich teurer. Und

vier-, fünf-, sechsgeschossige Gebäude? Machbar mit unzähligen Betonpfählen. Gleichwohl: Das
Ergebnis, Wohnungen, ist wohl unbezahlbar.
Wie auch immer: das Problem Grundwasser bleibt. Genauer: wird sogar verstärkt durch die
Verdrängung per Düker, per Wannen, per Rammen. Komplette Verdrängung des Wassers in den
geplanten Badesee? Ein Experte dazu: „Eine irrwitzige Annahme!“

*

Hintergründe zum Grundwasser: Die Münchner Schotterebene bildet ein rund 1500
Quadratkilometer großes Dreieck. Die ungefähren Eckpunkte sind Weyarn (zwischen Miesbach und
Holzkirchen) im Südosten, Moosburg an der Isar im Nordosten und Maisach im Westen.
Die Schotterebene flacht sich gen München stark ab, das Grundwasser liegt im nördlichen Bereich
der Stadt nur etwa zwei Meter unter der Oberfläche. Ein natürlich hoher Grundwasserstand. Das
Wasser kam zuletzt wochenlang von oben – jetzt kommt es von unten. Mit Folgen. Besonders
betroffen sind Aubing, Teilbereiche von Ludwigsfeld, Lochhausen, Langwied, Feldmoching,
Moosach, Freimann, Schwabing, Johanneskirchen, Englschalking und Trudering. Ein Experte ist
entsetzt: „Der Grundwasserpegel noch nie so hoch in den vergangenen 40 Jahren.“
Wer „Grundwasserspiegel Johanneskirchen“ googelt, kann an der „Station Johanneskirchen KPA
222 – Grundwasserstände der letzten zwölf Monate“ auf einer Karte einsehen. Weitere
Informationen (es gibt 2000 Messstellen) unter stadt.muenchen.de/infos/grundwasserdaten.html

*

Hintergründe zur SEM: Die Grundstücksfragen sind nach wie vor ungeklärt. Dazu muss man, so
die Angaben der Stadt, wissen: besagte 600 Hektar bestehen aus 600 Flurstücken. In Privatbesitz
befinden sich 450 Hektar (350 Flurstücke), die sich unter 525 Eigentümern aufteilen. Der Stadt
gehören 150 Hektar (250 Flurstücke einschließlich Straßengrundstücken). Für die Umsetzung der
Planung auf 75 Prozent der Grundstücke fehlt also die Grundlage. Verantwortlich ist dafür der erste
Mann Münchens, SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter.
Unlängst hatte das Planungsreferat Ideen präsentiert, wie es sich das (die) Quartier (e) vorstellt. Es
sollen – basierend auf dem Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs – in acht Siedlungsarealen
jeweils 2000 bis 2500 Wohneinheiten geben. Ausgehend vom Mittelwert 2250 Wohnungen mal
acht Areale mal durchschnittlich 2,2 Personen pro Haushalt (Statistikwert 2022) ergibt das
unglaubliche 39 600 Personen. Fast 40 000! Von wegen 30 000 Menschen.
Nach 16 Jahren Hickhack forderte im April die CSU- / FW-Fraktion im Rathaus: „Die Stadt
beendet sofort alle Planungen, Beteiligungen und Vergaben zu den beiden Städtebaulichen
Entwicklungsmaßnahmen im Norden und im Nordosten. Die Entwicklung der jeweiligen Gebiete
wird stattdessen mit kleineren örtlichen Bebauungsplänen, unter Einbeziehung der Grundbesitzer
und aller Betroffenen vor Ort, schneller und effektiver vorangetrieben. Analog den Regelungen der
Sozialgerechten Bodennutzung 2017 (SoBoN) sollen 40 Prozent der zu Wohnungen preisgedämpft
errichtet werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die notwendige verkehrliche, schulische, und
soziale Infrastruktur zur Fertigstellung der Wohnbebauung entsprechend entwickelt ist.“

Im Gebiet der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM), speziell in Johanneskirchen, steigt das Grundwasser kontinuierlich, ist laut Anliegern bereits an der Oberfläche. Kann da noch gebaut werden? Säuft das städtische Mammutprojekt ab? Fotos / Montage: hgb