Zwei Drittel von befragten Bürgerinnen und Bürgern sind laut einer aktuellen städtischen Umfrage dafür, ein Drittel ist dagegen – der Stadtrat hat mit großer Mehrheit einen Beschluss gefasst: München bewirbt sich als Austragungsort für die Olympische Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 – wenn denn sich die bayerische Metropole gegen die deutsche Konkurrenz Hamburg, Berlin und Ruhrgebiet durchsetzt. Am 26. Oktober gibt’s in München einen Bürgerentscheid über die Bewerbung. Im Fokus für das sportliche Spektakel unter den fünf farbigen Ringen: Bogenhausen!
• Zur Umfrage von Ende Mai: Mit rund 80 Prozent überdurchschnittlich hoch ist die Zustimmung in der Gruppe 18 bis 34-Jährigen und mit rund 71 Prozent in der Altersgruppe von 35 bis 49 Jahren. Bei den 50 bis 64-Jährigen erreicht die Zustimmung noch 59 Prozent, in der Gruppe 66 plus liegt sie bei 48 Prozent.
• Die meistgenannten Gründe für eine Bewerbung: Gut für die Wirtschaft und den Tourismus (32 Prozent), würde einen Imagegewinn als weltoffene Stadt bringen (22 Prozent). Die Aussicht auf eine Verbesserung der Infrastruktur und einen Ausbau des ÖPNV bewerteten 14 Prozent positiv, neun Prozent würden sich auf Attraktionen in der Stadt freuen, acht Prozent werteten die Tatsache positiv, dass schon erforderliche Olympia-Infrastruktur vorhanden sei.
• Die wesentlichen Gründe gegen eine Bewerbung: Sehr hohe Kosten (31 Prozent), die Menschenmassen (17 Prozent) und eine Überlastung der Verkehrsinfrastruktur (14 Prozent).
• Das Herzstück im Bewerbungskonzept: Der weltweit einzigartige Olympiapark von 1972. Nahezu die Hälfte aller Sportarten würden hier ausgetragen. Zahlreiche Wettkampfstätten von damals aus dem Umland wurden ins Konzept eingebunden – wie die Olympische Ruderregattastrecke Oberschleißheim, dieOlympia-Reitanlage Riem oder die Olympia-Schießanlage in Garching. Im weiteren Umland sind unter anderem noch der Eiskanal Augsburg für den Kanusport, Bad Wiessee für Mountainbike und Freiwasserschwimmen im Starnberger Seegeplant.
• Knackpunkt: Das Olympische (und Paralympische) Dorf sowie das Mediendorf.
• Standortansatz Olympisches Dorf: „Ein Teilgebiet des bestehenden Stadtentwicklungsgebiets im Münchner Nordosten, das ausreichend Platz für etwa 18 900 Athleten / Betreuer und Athletinnen / Betreuerinnen bietet,“ so Stadtangaben. Also Bogenhausen! Gebaut werden soll vor allem rund um Daglfing!
• Achtung: „Durch die anschließende Nachnutzung würde dort ein neues klimaneutrales und barrierefreies Stadtquartier mit rund 4000 Wohnungen für etwa 10 000 Bürgerinnen und Bürgerentstehen,“ heißt es weiter.
• Zahlensalat I: Für die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) auf rund 600 Hektar Fläche im Nordosten zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen kalkuliert die Stadt mit 30 000 Einwohnern. Hochgerechnet vom Olympischen Dorf mit rund 4000 Wohnungen für etwa 10 000 Menschen wären’sbei einer SEM-Umsetzung mit 30 000 Personen das Dreifache an Wohnungen, also 12 000! In den SEM-Plänen sind maximal10 600 Wohneinheiten verankert.
• Zahlensalat II: Die besagten 600 Hektar bestehen aus 600 Flurstücken. In Privatbesitz befinden sich 450 Hektar (350 Flurstücke etwa 525 Eigentümer). Der Stadt gehören rund 150 Hektar (250 Flurstücke einschließlich Straßengrundstücken). Alles Angaben aus der Verwaltung.
Stadtbaurätin Elisabeth Merk antwortete vor einigen Tagen auf eine Anfrage im Rathaus: Die zu überplanende Fläche beschränkt sich auf circa 330 Hektar. Weitere Flächen sind als Ausgleichsflächen für die geplante Entwicklung erforderlich. Von den rund 330 Hektar befinden sich etwa 120 Hektar im Eigentum der Stadt. Daraus ergibt sich eine Differenz von ungefähr 210 Hektar.
Ups, plötzlich gehören der Stadt also 30 Hektar weniger – ein Areal so groß wie das junge Bogenhauser Wohnquartier Prinz-Eugen-Park! Das verstehe wer will!
• Infrastruktur: Um zum und vom Olympischen Dorf zu kommen, sollen umfangreiche Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr fließen: für die Verlängerung der U4 ab Arabellapark, die Realisierung der U9 und den S-Bahn-Ringschluss im Münchner Norden.
• Kosten: Für die Bewerbung und für Informationskampagnen kalkuliert die Stadt mit sieben Millionen Euro. Für Neubauten, „Auffrischung“ bestehender und Errichtung temporärer Sportanlagen sowie aller weiteren Maßnahmen kursiert – Stand heute – der Betrag von sieben Milliarden Euro (wohl ohne den Kostenanteil Münchens für den vierspurigen Ausbau der Bahnstrecke vom und zum Flughafen in einem Tunnel). Allein bei einer unwahrscheinlich geringen zehnprozentigen Kostensteigerung pro Jahr bis 2036 käme man auf rund 20 Milliarden Euro.
Nebenbei: Die städtischen Finanzexperten rechnen für München bis 2028 mit etwa zwölf Milliarden Euro Schulden.
Manuel Pretzl, CSU-Fraktionsvorsitzender im Rathaus: „Wir unterstützen mit großer Freude und Leidenschaft die Olympia-Bewerbung der Landeshauptstadt. Olympische und paralympische Sommerspiele bieten die historische Chance, den Geist von 1972 wieder nach München zu holen – den Geist von Aufbruch, Fortschritt und gemeinschaftlicher Lebensfreude. Diesen Geist brauchen wir heute dringender denn je. Ich bin außerdem überzeugt: Nur mit Olympia erhalten wir das notwendige Geld von Bund und Land, um die Münchner Infrastruktur – von der U-Bahn bis zum Wohnungsbau – entscheidend voranzubringen.“

Der SEM-Siegerentwurf für die Variante mit 20 000 Bewohner (etwa 7100 Wohnungen). Realisiert werden soll gemäß Stadt die Variante mit 30 000 Bewohnern (etwa 10 600 Wohnungen). Eine Visualisierung oder gar ein Modell dazu gibt es nicht … Plan: Rheinflügel Severin / Grafik: hgb