14. Juni 2019

Wie geht es mit dem Freischützgarten weiter? Die „6B47 Germany“ aus Düsseldorf, Werbeslogan „Die etwas andere Art Immobilien zu entwickeln“, will den Komplex an der Ecke Johanneskirchner Straße 98-100 / Freischützstraße 75-81 abreißen und gemäß Entwurf 140 bis 160 Wohnungen, auch in einem achtstöckigen Turm, nebst etwa 15 Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss bauen. Die 150 Eigentümer im abschließenden, westlichen Teil des Trakts bestehen auf einer Bestandssanie­rung. Ein Patt also – mit verhärteten Fronten. Kommt es noch zu einem Dialog der beiden Seiten?

Klar ist: Der Bezirksausschuss kann zu dem Vorhaben wie auch immer geartete Beschlüsse fassen, die aber letztendlich lediglich  empfehlenden Charakter für die Verwaltung im Rathaus haben. Denn die letzte Entscheidung liegt bei der Stadt, bei der Lokalbaukommission (LBK) im Planungsreferat – vorausgesetzt es wird überhaupt ein Bauantrag gestellt, wobei (natürlich) mehrere Varianten mög­lich sind. CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller erklärte: „Die LBK wird sich über unser Votum hinwegsetzen, sie wird den Teufel tun, ihrem Vorbescheid zu widersprechen.“

Was können nun die Nachbarn machen? Sie plädieren wie erwähnt fast einhellig für den Bestand der Häuser, sie sind gegen Neubauten, vor allem gegen den Wohnturm als Pendant zum gegen­überliegenden Tower, sie wollen die Sanierung der Bestandsgebäude. Was aber aus Sicht von Fachleuten ein Unterfangen ist – vor allem im Innenbereich bezüglich Fluren, Treppenhäusern und Aufzugsanlagen. Denn der mehr als 30 Jahre alte, graue Komplex – die Gebäudezugänge sind nunmehr abgesichert – wirkt mangels Investitionen der Vorbesitzer in der Vergangenheit ziemlich verwahrlost.

Den Anwohnern / dem Verwaltungsbeirat der benachbarten Eigentümer bleiben letztendlich zwei Möglichkeiten. Zum einen mit dem Bauherrn reden, Ideen zum Neubau einbringen und so einen eventuellen Kompromiss zu vereinbaren. Und zum anderen der rechtliche, aber finanziell aufwen­dige, vermutlich lange Weg. Wobei sich in erster Linie die Frage eines möglichen Erfolgs stellt. Denn „6B47“ ist nun mal Eigentümer der Anlage auf rund 10 000 Quadratmeter Fläche in Johan­neskirchen – im Mai 2018 erworben von der Munich Residential GmbH (MR).

Modell der Bestandsgebäude /hinten) und der geplanten Neubauten an der Ecke Johanneskirchner – / Freischützstraße. Wie auf der gegenüberliegenden Seite soll vor der bestehenden Baumgruppe ein achtstöckiger Turm entstehen. Foto: hgb

Bei der Tagung des Untergremiums Planung erklärte Finkenzeller, der die Sitzung des terminlich verhinderten Planungschefs Robert Brannekämper (Vize-Vorsitzender des Kommunalparlaments und CSU-Landtagsabgeordneter) leitete: „Der von der LBK erlassene Vorbescheid zur Aufstoc­kung um eine Etage eines gemischt genutzten Gebäudes mit Nutzungsänderung des ersten und zweiten Obergeschosses als Wohnfläche ist keine Baugenehmigung.

Der Vorbescheid ist aber bindend dafür. Wir wollen zu dem Vorhaben ihre Bedenken und Einwände (Anm. d. Red: rund vier Dutzend Interessierte verfolgten die Erörterung) für unsere Beschlussgrundlage hören. Das ist aber keine Entscheidung für beziehungsweise gegen einen Neubau oder eine Sanierung. Das ist Sache des Bauträgers. Da mischen wir uns nicht ein.“

Und: „Die Mitglieder des Bezirksausschusses wollen wissen, was baulich vertretbar ist, wie hoch gebaut werden kann, wie die Freiflächengestaltung ausschaut. Die präsentierten Umbaupläne – es ist äußerst selten der Fall, dass ein Bauträger nach unseren Einwänden und Anregungen neue Ent­würfe macht – sind aus unserer Sicht nicht per Befreiung realisierbar, dazu braucht’s ein Bebau­ungsplanverfahren. Wir wollen ein für beide Parteien gangbaren Weg, einen Konsens finden.“ In Folge stimmten die Lokalpolitiker einhellig gegen die Verlängerung des Vorbescheids. Sie sahen eine „Mehrung der Baumasse“.

Der leerstehende Gebäudekomplex Freischützgarten mit Vorplatz. Foto: hgb

Bezirksausschuss-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser – sie ist auch Mitglied des Stadtrats – meinte: „Unsere Ablehnung einer Befreiung wird bei der LBK nichts bewirken. Wir wünschen uns Gesprä­che zwischen Investor und Nachbarn zu einer gemeinsamen Planung. Man sollte erörtern, was ver­ändert werden kann, wo beispielsweise der Hochpunkt stehen könnte, wie hoch der Turm gebaut werden könnte.“

Denn: Der Konzern ist nicht an die im Entwurf präsentierten acht Etagen des Hochhauses gebun­den. Er könnte im Bauantrag auch verschiedene Pläne mit zehn oder zwölf, aber auch „nur“ sechs Stockwerken einreichen. Angesichts der Wohnraumnot in München und aus wirtschaftlichen Aspek­ten wird letzteres aber wohl kaum der Fall sein.

„Gibt es Personen, die sich einen Kompromiss vorstellen können?“ fragte Pilz-Strasser in die Runde. Gerade mal zwei Arme wurden in die Höhe gereckt. Die Miene der Vorsitzenden verfinsterte sich mit einem Schlag. Keine gute Aussicht!

Das Kommunalparlament selbst fasste einen Drei-Punkte-Beschluss. Zum einen lehnte man ein­stimmig die Verlängerung des Vorbescheids zum Bau aus dem Jahr 2016 ab.

Zweitens: „Beim Bauherrn wird nachgefragt, ob er weiterhin bereit ist, den abgesprochenen Weg zu gehen und mit den betroffenen Nachbarn eine >Zukunftswerkstatt< abzuhalten, die nicht lediglich die Freiflächen, sondern auch Höhe und Kubatur zum Gegenstand hat. Im Fall der Ablehnung wird der Bezirksausschuss auf der Durchführung eines Bauleitplanverfahrens bestehen.“ Dazu sei angemerkt: Über ein Bauleitplanverfahren entscheidet die LBK.

Und drittens bitten die Mitglieder des Stadtteilparlaments den Konzern um Vorlage des Protokolls zum durchgeführten Workshop. Dieses Papier wollen – nach eigenen Angaben – auch die Anwoh­ner anfordern und dann ihr weiteres Verhalten und Vorgehen erklären.

Beantwortet die „6B47“ die Anfrage und präsentiert das Protokoll, „dann kommt es zur finalen Entscheidung des Bezirksausschusses“, so Finkenzeller abschließend.