28. April 2020
Mit Bestürzung reagierten Landtagsabgeordneter Robert Brannekämper und die neu gewählten Stadträte Fabian Ewald und Jens Luther (alle CSU) als Mandatsträger aus dem Münchner Nordosten auf die Angaben in der Koalitionsvereinbarung zwischen Grünen und SPD im Rathaus zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM). Das Trio kündigte sogleich „maximalen Widerstand“ an.
Laut Vereinbarung zwischen Grünen und SPD „ist die SEM ein unverzichtbares Instrument der Stadtplanung“, welches wir im Nordosten und Norden der Stadt nutzen wollen. Unser Ziel ist es hier, bezahlbaren Wohnraum für 30 000 Einwohner*innen zu schaffen“.
Und, kaum zu glauben: „Die Fertigstellung der S8-Trasse sehen wir (Anm. d. Red.: Grüne und SPD) „nicht als Bedingung für die Realisierung der SEM an sich.“ Die Überschrift der Vereinbarung der Stadtratsfraktion Die Grünen – Rosa Liste und der Fraktionsgemeinschaft SPD / Volt – „Mit Mut, Visionen und Zuversicht: Ganz München im Blick“ – wird so geradezu mit voller Wucht, mit beiden Füßen in die Tonne gestampft. Die wortwörtlichen Passagen aus dem 42-seitigen Papier sind am Ende dieses Berichts angehängt.
Brannekämper erklärte empört: „Noch im März hatte die amtierende Bezirksausschussvorsitzende und Stadträtin Angelika Pilz-Strasser von den Grünen vor Ort in einem Flyer damit geworben, dass die >Tieferlegung der Bahntrasse als verbindlich vorausgesetzt< sei. Auch hatte man den Bürgern wörtlich versprochen: >Wir Grüne stehen für respektvolle und wirksame Bürgerbeteiligung<. Das genaue Gegenteil dessen ist nun der Fall. Laut Vereinbarung möchten Grüne und SPD allen Protesten der Bürger zum Trotz die bisherigen Vorarbeiten zur Entwicklung des Gebiets >beschleunigt weiterverfolgen“<.
Brannekämper, Ewald und Luther unisono: „Was wir schon befürchtet hatten, droht in den nächsten Jahren bittere Realität zu werden. Statt den wertvollen Kultur- und Landschaftsraum im Münchner Nordosten vor der Zerstörung zu bewahren, wollen Grüne und SPD diesen städtebaulichen Wahnsinn in seiner Maximalform sogar noch beschleunigen.“
Und weiter: „Kein Wort mehr von Varianten mit verschiedenen Einwohnerzahlen von 10 000, 20 000 oder 30 000. Aber es kommt noch schlimmer: Sogar die Tieflage der S-Bahn soll nun überhaupt keine Voraussetzung für die weitere Siedlungsentwicklung mehr sein. Damit wird der Münchner Nordosten nicht nur zur Betonplattenbauwüste, auch der totale Verkehrsinfarkt ist vorprogrammiert.“ Fazit von Ewald: „Leider bewahrheitet sich – Grüne und SPD haben die Bürger vor Ort jahrelang getäuscht.“
Der ebenfalls neu gewählte Stadtrat Jens Luther kritisiert: „Es ist ein blanker Hohn, dass Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag von der Förderung der regionalen und ökologischen Erzeuger sprechen, gleichzeitig aber die wirtschaftliche Existenz unserer seit Jahrhunderten produzierenden Landwirte im Münchner Grüngürtel durch die SEM zerstören. Der Widerspruch, wie die Lebensräume der Tiere bei einer mehr als 300 Hektar großen Bebauung geschützt werden sollen, ist völlig absurd.“
Brannekämper, amtierender Vize-Vorsitzender des Bezirksausschusses Bogenhausen, wettert: „Wir brauchen in München keine Stadtplanung vom hohen Ross. Der Nordosten braucht keinen Reiter, der unseren Jahrtausende alten Kulturraum unwiederbringlich zerstört!“
Auszüge aus der Koalitionsvereinbarung von Grünen und SPD im Rathaus:
I. Präambel – München versteht sich als europäische Metropole und ist eine der lebenswertesten und liebenswertesten Städte der Welt. Zusammenhalt und sozial-ökologische Verantwortung zeichnen sie aus, ebenso wirtschaftlicher Erfolg und kulturelle Vielfalt, eine hohe Sicherheit und eine zukunftsgewandte Offenheit. All das ist gleichzeitig unsere bisherige gemeinsame Errungenschaft wie auch in Zukunft unser Grundsatz und Ziel.
II. Stadtentwicklung, Wohnungsbau und Mieter*innenschutz – Wachstum sehen wir als Chance zur Gestaltung, immer mit dem Ziel, die Münchner Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Wir schaffen neuen, dringend benötigten, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum und stärken München als Vorbildkommune für Umwelt- und Klimaschutz und als lebenswerte, soziale und grüne Stadt. Wir wollen eine „Stadt für alle“, die auch kleinräumig im Gleichgewicht ist.
Die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) ist ein unverzichtbares Instrument der Stadtplanung, welches wir im Nordosten und Norden der Stadt nutzen wollen. Wichtigstes Ziel aus unserer Sicht ist dabei die Schaffung von dauerhaft bezahlbarem Wohnraum … Im Nordosten liegen inzwischen die Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs vor. Wir wollen ein attraktives, klimaneutrales, ökologisches, lebendiges und soziales Quartier, von dem auch die heute dort ansässige Bevölkerung profitiert. Wir wollen durch kompaktes Bauen möglichst viel Natur erhalten, Landwirtschaft ermöglichen und ein neues Naherholungsgebiet schaffen. Für eine gute Verkehrsanbindung und ein autoarmes Quartier setzen wir schwerpunktmäßig auf den ÖPNV. Unser Ziel ist es, hier bezahlbaren Wohnraum für 30.000 Einwohner*innen zu schaffen. Dazu ist das Wettbewerbsergebnis hinsichtlich der zu schützenden Flächen zu überarbeiten. Deshalb wollen wir das Projekt so schnell wie möglich realisieren, ohne eine qualitative Planung und den Dialog mit der Bevölkerung zu vernachlässigen. Die Fertigstellung der S8-Trasse sehen wir nicht als Bedingung für die Realisierung der SEM an sich.