Das höchste Gebäude der Welt ist mit 828 Metern das Burj Khalifa in Dubai. Unter den Top 75 der Rangliste ist kein einziger Tower in Westeuropa. In München misst das höchste Haus 146 Meter – das Uptown in Moosach, Kennzeichen das O2 an der Fassade. Vor fast 20 Jahren wurde via Bür­gerbegehren die maximale Höhe auf 100 Meter festgesetzt; sie ist bis dato eingefroren wurde. Nun sind zwei 155-Meter-Türme an der Paketposthalle in Neuhausen / Nymphenburg geplant. Dar­über ist (wieder) eine Debatte, ja ein heftiger Streit entbrannt.

Was darf’s sein – Gebäude mit Charme, gut gestylt, gemütlich wirkend oder supermodern, glän­zend, Türme, die an den Wolken kratzen, Türme, die verschandeln? Braucht die bayerische Metro­pole solche Hochhäuser? Eine Podiumsdiskussion der Abendzeitung mit:

Robert Brannekämper (CSU-Landtagsabgeordneter und Initiator des zweiten Bürgerbegehrens, sammelt Unterschriften dafür, Architekt, vor dessen Bogenhauser Büro sich unweit der 114-Meter-HVB-Turm befindet, der erste Bau mit mehr als 100 Meter Höhe in München; neben dem Bankge­bäude entsteht derzeit der 100-Meter-Bürosilo der Bayerischen Versorgungskammer / BVK),

Christian Köning (SPD-Chef München, der Stadtrat soll entscheiden; seine Partei lehnt das Bür­gerbegehren ab, sie ist für ein Bürgerentscheid durch einen Ratsbegehren, man will „Zonen“ für bauliche Hochpunkte; Köning vertrat den an Corona erkrankten Alt-OB  Christian Ude),

Katrin Habenschaden (Grüne, zweite Bürgermeisterin, Auszug aus ihrer Internet-Seite: „Wenn wir aufhören, unsere Stadt mutig zu gestalten, bekommt München einen musealen Charakter) und

Fabian Ochs (Architekt und Hochhaus-Fan – „mehr Höhe wagen“).

Das Fazit • Drei – wie nicht anders zu erwarten – mit wenigen Ausnahmen gegen Brannekämper. Die als „spannendstes Debatte Münchens“ angekündigte Diskussion – moderiert von AZ-Chefre­dakteur Michael Schilling und Lokalchefin Sophie Anfang – entwickelte sich während 90 Minuten zu einer Gesprächsrunde. Feuer unterm Dach? Fehlanzeige! Zu oberflächlich. Die Tiefe fehlte. Dafür war die Höhe vorgegeben: Saal im 14. Stock des Adina, 86 Meter hoch und somit das höchste Ho­tel der City, integriert ist der einstige Kartoffelsilo, im Werksviertel zu Berg am Laim. Nomen est omen?! Für verbale Würze hätte wohl Alt-OB Christian Ude gesorgt. Ging aber nicht. Krank. Oder OB Dieter Reiter. Hatte laut Schilling abgesagt. Terminliche Gründe … Und Fragen von den Besu­chern? Fragen sollten / mussten vor Beginn schriftlich „eingereicht“ werden. Nun denn.

Werden sich in diesem Leben wohl nicht mehr grün: Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden von den Grünen und Robert Brannekämper, CSU-Landtagsabgeordneter für Bogenhausen.   Foto: hgb

Statements Robert Brannekämper

• Ab 60 Meter ist ein Hochhaus nicht mehr darstellbar. Hochhäuser sind Parasiten.“ Sie nutzen also einseitig. „Heute ist der Klimaaspekt vorrangig.“ Beifall.

• Am Schluss des Tages ist doch die Frage, wie soll sich die Stadt entwickeln? Wir wollen eine le­bendige und ökologisch ausgerichtete Stadt haben. Aber wir können in München nicht alles ma­chen, sonst machen wir die Stadt kaputt. Klimaaspekte in (Holz-)Hochhäusern erfordern einen enor­men Aufwand. Erdgeschoss plus fünf Stockwerke plus Dachgeschoss – das ist das Modell der Zu­kunft. Wie zum Beispiel in Schwabing. Auf dem Areal der Paketposthalle hat nie ein Hochhaus ge­standen. Hier wurde das Verfahren auf den Kopf gestellt. Beifall. Nicht die Stadt hat planerische Vorgaben gemacht, der Investor hat nach seinen Vorstellungen geplant.

• Die Mär von Sozialwohnungen in Hochhäusern glaube ich nicht. Hochhäuser – was soll das? Tou­risten kommen doch nicht nach München wegen der Hochhäuser, sondern wegen der schönen Stadt, beispielsweise wegen Schloss Nymphenburg. Nicht aber wegen der Wolkenkratzer. Den O2-Tower hätte man nicht genehmigen dürfen, das ist ein Sündenfall.

• Für das Paketpostgelände gibt es keine Studie. Das Planungsreferat macht nicht die notwendigen Vorgaben. Zwischenruf: Das ist doch ein Verplanungsreferat. Es kann nicht sein, dass ein Investor kommt und einfach sagt >wir machen jetzt…< Jeder muss in der Stadt gleichbehandelt werden. Für das Gelände an der Paketpost – wir wollen zuerst einen Wettbewerb – heißt es für den Investor >zurück auf Los<.

• Neue Quartiere – wo ist die Architektur, siehe Riem, geblieben? Wir haben es dort nicht geschafft, wie sollen wir es dann mit diesen Hochhäusern schaffen? Beim Projekt Paketposthalle ist nichts ge­klärt. Man lässt sich vom Investor treiben. Ich glaube nicht, dass das Konzept von Investor Büschl am Ende aufgeht.

Podiumsdiskussion zur Hochhaus-Frage in München (v. l.): Christian Köning (SPD-Chef München), Moderator AZ-Chefredakteur Michael Schilling, Katrin Habenschaden (Grüne, zweite Bürgermeisterin), Robert Brannekämper (CSU-Landtagsabgeordneter und Initiator des zweiten Bürgerbegehrens), AZ-Lokalchefin Sophie Anfang und Fabian Ochs (Architekt und Hochhaus-Fan).    Foto: hgb

Statements Katrin Habenschaden

• Wir sind dabei eine Hochhausstudie zu formulieren. Es darf keine starren Grenzen geben. Wo sind gute Orte? Wo passt es? Die Frage im Bürgerbegehren 2004 und auch jetzt ist falsch gestellt. Die Bürger sollten wieder befragt werden. Aha, die Meinung hat sich geändert!  Dazu Schilling: Zur Bürgerbefragung gab ja heute erste Vorgespräche von Grünen, SPD und CSU.

• Lieber in die Höhe gehen, um Flächen am Boden zu schützen. Wir müssen Grünflächen sparen, die wir immer mehr brauchen. Wir alle wollen doch in lebenswerten Vierteln wohnen.

• Die Stadt lebt von Veränderungen. Wir brauchen einen guten Plan für eine wachsende Stadt. An Brannekämper gewandt: Das Nein – das ist so ein bisschen ihr Markenzeichen.

• Hochhäuser – es geht ja gar nicht anders. Die Frage polarisiert. Wir sind die Stauhauptstadt. Es fehlt Wohnraum. Wir sind und wollen eine prosperierende Stadt bleiben. Die Zukunft ist die Verdich­tung der Städte!

• Dass der Paketposthalle-Investor an der Bürgerbeteiligung beteiligt war – das würden wir heute nicht mehr so machen. Man muss jetzt ins Gespräch kommen, wir sind ja immer noch in der Pla­nung und können noch einiges ändern.

Zur Frage des Moderators nach Verschattung durch Hochhäuser: Erst langes Schweigen, dann: Da muss ich Herrn Ochs fragen (siehe Statement Ochs).

• Von Hochhäuser-Hotspots à la Frankfurt ist München Jahrzehnte entfernt. Wir wollen kein Man­hattan in klein.

Statements Christian Köning

• Die Frage ist doch dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie gehen wir mit dem öffentli­chen Raum um? Das ist entscheidend. Ich bin skeptisch gegenüber einem Ratsentscheid. Wir müs­sen jeden Fall gesondert entscheiden. Warum soll das Votum von 2004 noch 2022 bindend sein? Raunen im Saal.

• Für sozialen Wohnraum in Hochhäusern muss man die Investoren in die Pflicht nehmen. Man muss ihnen etwas abringen. Die Frage ist, wie kann man den Investor so abschöpfen, dass es für die Allgemeinheit gut ist.

Schilling: Steht Reiter hinter dem SPD-Beschluss (Anm. d. Red.: das Bürgerbegehren ablehnen und sich gezielt bei Einzelprojekten für hohe Neubauten einsetzen)? Ja, er ist ja so etwas wie ein Krisenmanager. Aha!

• Wir wollen eine moderne Stadt haben. Das Problem ist, dass die Fläche in München endlich ist. Wir machen sonst eine Absage ans Wachstum.

• Schön wäre es, wenn wir selbst planen könnten. Mit dieser Aussage stimmte er Brannekämper zu! Mit Hochhäusern können mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden.

Frage aus dem Publikum: Neue Büros erst bauen, wenn alle vorhandenen Büroräume vermietet sind – warum kann die Stadt das nicht auferlegen? Das ist eine Frage des Eigentumsrechts.

Statements Fabian Ochs

• Ein Hochhaus kann viel mehr leisten als Sie denken. Bis 200 Meter gibt es keine technischen Pro­bleme, Hochhäuser zu bauen, auch aus Holz. Die Welt hat sich auf links gedreht. Wir können heute nicht mehr in Beton denken. In Zürich und Wien gibt es soziale Wohnbauten aus Holz bis 200 Me­ter. Prädestinierte Standorte in München sind nördlich des Mittleren Rings. Was spricht dagegen?

• Sieben Geschosse wie in Schwabing – das ist nachhaltig. Er bestätigt also die Auffassung von Brannekämper. Nachhaltige Strukturen bei Hochhäusern – das ist eine Frage der Planung. Mit 60-Meter-Hochhäusern rund um München geht’s gegen den Flächenfraß, denn jeden Tag werden etwa 25 Fußballfelder an Fläche verbraucht.

• Eine Verschattung durch Hochhäuser macht Wohnungen nicht dunkel, das hat mit der Größe der Fensterflächen zu tun und ist auch abhängig von den Jahreszeiten