Denkwürdiger Tag im Bezirksausschuss (BA): Zum Tagesordnungspunkt „Containerunterkünfte im 13. Stadtbezirk; Anliegen aus der Bürgerschaft“ waren geschätzt mehr als 150 Menschen gekommen – soviel wie noch nie zuvor bei einer Tagung der Stadtteilvertretung. Alle Stühle waren belegt, die Besucher standen in zweiter und dritter Reihe hinter den Sitzplätzen, viele verfolgten die Tagung im Flur vor dem Saaleingang, einige gar an den offenen Schiebetüren zur Freifläche im Gehörlosenzentrum.

Die Diskussionsbeiträge: Allesamt waren sie hart formuliert, es wurde alles äußerst engagiert, aber dennoch sachlich erörtert. Gleichwohl kam es zu einem Eklat: Christiane Hacker (SPD), Ex-Vorsitzende des Kommunalparlaments, Ex-Stadträtin und BA-Flüchtlingsbeauftragte sprach vom „Zeichen einer Ausländerfeindlichkeit“. Die Stimmung kippte, ja sie eskalierte unter den Bürgern, von denen – unter Gebrüll, Pfiffen sowie Rufe wie „Frechheit“, „Sauerei“, „Sie vertreten nicht unsere Interessen“, „Hoid dei Mäu“ und Beschimpfungen – stande pete fast alle aus dem Saal stürmten. Kurzum: Drei Wörter lösten die Explosion aus!

Der Hintergrund: Neue Unterkünfte – davon drei in Bogenhausen / Johanneskirchen (mit mehr als 600 Bettplätzen; zwei weitere gibt’s bereits in der Burgauer- und in der Musenbergstraße) plus zwei am Rand von Daglfing zum Stadtbezirk 15 Trudering-Riem – mit Platz in Containern für 1945 Geflüchtete aus der Ukraine entstehen in München. Das hat der Stadtrat auf Vorschlag des Sozialreferats beschlossen. Damit sei, so Referentin Dorothee Schiwy, die Unterbringung der Ge­flüchteten in Leichtbau- und Turnhallen sowie Zelten künftig nicht erforderlich.

Der Bürgerantrag (in Auszügen; bearbeitet): Wir bitten, die geplanten Containerunterkünfte im BA 13 und 15 nochmals zu überdenken und eine gerechte Verteilung auf das gesamte Stadtgebiet zu realisieren. Wir fordern eine bessere und bürgernahe Informationspolitik der Stadt; eine Entschei­dung über die Köpfe der Bürger hinweg bringt Unruhe und Unsicherheiten mit sich.

Drei Unterkünfte in Johanneskirchen sollen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft liegen. Mirabel­lenweg (270 bis 320 Plätze), Glücksburger Straße (190 bis 300 Plätze; Anm. d. Red.: laut Stadt­angaben maximal 300 Plätze), Brodersenstraße (130 Plätze) sowie bereits in Nutzung Burgau­erstraße (200 Plätze) und Ankerzentrum Musenbergstraße (400 Plätze). Dazu im Bereich Trude­ring-Riem Frobenstraße (circa 300 Plätze; Anm. d. Red.: laut Stadtangaben 280 bis 209, maximal 300 Plätze) und Schatzbogen (circa 220 Plätze).

Somit würden von derzeit für München geplanten 1945 Bettenplätze bis zu 750 zusätzliche neue Plätze auf Johanneskirchen (1150 inklusive bestehender Plätze in der Musenbergstraße) entfallen – bei einer Einwohnerzahl von circa 2500 in Alt-Johanneskirchen. Wir bitten, die geplanten Container­bauten, insbesondere die Standorte Mirabellenweg und Glücksburger Straße, zurückzunehmen.

Die Begründung: Es ist klar, dass Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Daher gab es auch keinen Aufschrei der Bürger, als das Ankerzentrum errichtet wurde.Leider ist nicht erkennbar, dass eine gleichmäßige Verteilung von Unterkünften über das Stadtgebiet gibt. Das Verhältnis der Ein­wohnerzahl gegenüber der Dichte an Flüchtlingen ist bei Planung für Johanneskirchen hinsichtlich der Gleichbehandlung von Standorten / Auswahl von Flächen nicht ausreichend bedacht worden.

Dies hat Folgen für die in Johanneskirchen kaum vorhandene Infrastruktur und vor allem für die Schulen und Kindertageseinrichtungen. Bereits mit dem Ankerzentrum sind unsere Schulen am Li­mit angekommen. Die Grundschule an der Regina-Ullmann- und in der Ostpreußenstraße unter­richten schon heute in Containern. Die Mittelschule (Knappertsbuschstraße) hat keine Kapazitäten mehr. Die Helen-Keller-Realschule ist für die nächsten Jahre wegen des Neubaus ausgelagert.

Am Mirabellenweg, eine Abzweigung an der Aaröstraße in Johanneskirchen, sollen zwischen 270 und 320 Bettplätze für Geflüchtete aus der Ukraine entstehen.   Foto: hgb

Die Fragen: Warum wurden Einwohner und Schulen nicht unterrichtet? Warum bekommen wir von den Verantwortlichen keine Antworten auf unsere Fragen? Die Unterbringung von Flüchtlingen in einem reinen Wohngebiet mit zumeist kleinen Häusern und Wohneinheiten ist auch deshalb sehr ungünstig, da es kaum Einkaufsmöglichkeiten (nur einen Bonus-Markt), Gaststätten und soziale Einrichtungen gibt. Eine Fläche ist in Bezug auf Wasser / Strom nicht erschlossen. Ferner liegen wegen Stromoberleitungen über den Grundstücken und der Straße Einschränkungen vor.

Der Beschluss des Bezirksausschusses: Das Sozialreferat wird aufgefordert, den im März ge­fassten Entscheid umzusetzen. Nach einer umfassenden Informationsveranstaltung für Anwohner und vor weiteren Planungen muss geprüft werden, ob eine bessere Verteilung der Geflüchteten aufs Stadtgebiet möglich ist. Die Referate werden aufgefordert, mit dem BA alternative Standorte auf städtischen Flächen in Bogenhausen zu suchen. Dies ist umgehend mit den BA-Ausschüssen mit detaillierten Unterlagen in einer Präsenzsitzung zu besprechen und danach zu entscheiden.

Gerhard Mayer, Leiter des Amts für Wohnen und Migration: Es wurden seit Anfang 2022 mehr als 160 Standorte geprüft. Die Regierung von Oberbayern hat der Stadt auferlegt, 5625 Bettplätze zu schaffen – rund 4500 davon für eine langfristige Unterbringung. Dafür seien rund 20 zusätzliche Standorte notwendig. „In Bogenhausen und Freimann gibt’s freie Flächen – natürlich mehr als in der Innenstadt. Es werden keine Container aufgestellt, die Unterkünfte sind Modulbauten, die am Mira­bellenweg in etwa zwei Jahren bezugsfertig sein sollen. Die Situation ist jetzt erst mal so wie sie ist.

Robert Brannekämper, CSU-Landtagsabgeordneter und Fraktionssprecher (Zitate): Danke für die sachliche Diskussion. Die freie Fläche kann nicht der Maßstab für die Verteilung sein. Es gibt keine nachbarschaftliche Rücksichtnahme und kein Vertrauen. Es wurden drei Standorte einfach so ge­nommen, das ist keine Planung. So wie’s gemacht wurde, ist es ein Wunder, dass es so ruhig hier ist bei der BA-Versammlung (Anm. d. Red: Hacker sprach erst später). Es müssen Alternativen ge­funden werden.

Mehr als 150 Bürger protestierten gegen die Massierung von Unterkünften für Geflüchtete in Bogenhausen bei der Mai-Tagung des Bezirksausschusses.     Foto: hgb

Angelika Pilz-Strasser, Grünen-Stadträtin, Ex-BA-Vorsitzende: Die Situation in Johanneskirchen ist uns nicht wurscht. Es wird nicht leicht werden, aber wir schaffen das.

Christiane Hacker, SPD: Man muss keine Angst haben vor den Menschen, die zu uns kommen (Antwort auf Mayers Angabe, in der Glückburger Straße würden nur Einzelpersonen einziehen, so­wie Antwort auf die Aussage eines Mannes bezüglich nächtlicher Fahrten seiner Tochter mit dem Bus). Darauf fiel das besagte >Zeichen einer Ausländerfeindlichkeit<.

Mira Schreiber, Stellvertretende Leiterin der Polizeiinspektion 22: Mit den Geflüchteten funktioniert es bislang gut, wir sind mit zwei Kontaktbeamten unterwegs, bisher wurden keine Sexualdelikte ver­zeichnet.

Marko Poggenpohl, SPD: Die meisten Konflikte passieren in den Unterkünften.

Bürgerstimmen: Die Verteilung in München gegenüber Johanneskirchen – das ist eine arglistige Täuschung • Die Politik, nicht wir, muss andere Lösungen finden • Die Integration bei so vielen Leu­ten kann nicht funktionieren, die Flüchtlinge werden zusammengepfercht, es entsteht ein Ghetto, wie sollen die dann die Sprache lernen? • Suchen Sie (Anm. d. Red.: Mayer) doch mal Flächen im Süden und bei den Großkopferten in der Mauerkircher Straße.