Ausgelöst durch einen Brief des „Integrationsbündnisses Johanneskirchen“ zu den Flücht­lingsunterkünften am Mirabellenweg und in der Glücksburger Straße erörterten die Mitglieder des Bezirksausschusses intensiv und kontrovers die Sachlage. Das Kommunalparlament verab­schiedete einstimmig einen interfraktionelle Prüfantrag „Ersatzstandort an der Savitsstraße und Verzicht auf die Standorte, Mirabellenweg und Glücksburger Straße“ samt einem Fragenkata­log an die Stadt. Die Ausführungen des Integrationsbündnisses (Zitate, Auszüge, bearbeitet):

Nachdem nun schon Pflöcke auf den für die Container vorgesehenen Grundstücke eingeschlagen wurden und kein wirklicher Wille zu erkennen ist, Alternativen außerhalb von Alt-Johanneskirchen zu finden, sehen wir als einzige Möglichkeit, noch vor den Wahlen den Weg in die Öffentlichkeit zu gehen. Warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist keine Option.

Wir sind noch immer davon überzeugt, dass die Stadt den für alle Beteiligten falschen Weg be­schreitet, der zudem zutiefst den Grundsätzen aller Parteien widerspricht.

Um Missverständnissen vorzubeugen, informieren wir die politischen Parteien, die Stadt und das zuständige Referat über die zentralen Punkte. Sollten sich in unseren Punkten Fehler eingeschli­chen haben, klären Sie uns gegebenenfalls auf. Sollte keine Antwort folgen, gehen wir davon aus, dass dies einer Zustimmung / Bestätigung der untenstehenden Punkte gleichkommt.

• Die Bürger wurden vor dem Stadtratsbeschluss nicht informiert und auch danach gab es nur für manche Bewohner Infoschreiben, für den Großteil aber keine.

• Zentraler Punkt ist, dass zu 3152 in Alt-Johanneskirchen lebenden Bürgern in einem komplett ungeeigneten Gebiet (ein kleiner subventionierter Einkaufsladen, eine Gaststätte, Bushaltestellen, eine S-Bahnstation) mehr als 1000 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Derzeit werden mehr als 400 Plätze im Ankerzentrum (Anm. d. Red.: an der Musenbergstraße) bereitgestellt und größ­tenteils belegt. Dies ist eine Anzahl an Flüchtlingen, die ansonsten für einen kompletten Landkreis vorgesehen ist. Für uns ist dies in Ordnung, denn irgendwo müssen die Menschen hin.

• Weitere Standorte lehnen wir in Johanneskirchen ab. Wir haben alle dasselbe Ziel der gleichmäßi­gen Verteilung über das Land und die Stadt. Der Unterschied ist, dass wir dieses Ziel, das sich der Stadtrat, die Parteien und das Sozialreferat gesetzt haben, für erreichbar halten. Entweder meinen wir es mit einer sozialverträglichen Unterbringung und Integration ernst, oder eben nicht. Sollte es für die Stadt andere Prioritäten geben (wie Schaffung von Wohnraum und dessen >sinnvollere Nutzung<), sollte die Bevölkerung darüber informiert werden.

• Der Bund verteilt die Flüchtlinge gleichmäßig auf die Länder, die Länder auf die Landkreise. Mün­chen verteilt nicht (warum?) und schafft somit Brennpunkte. Das mag bei einem Landkreis mit 100 000 Einwohnern (und somit 400 bis 500 Flüchtlingen) gehen, nicht jedoch bei einer Millionen-Stadt.

• Bei der Suche nach Alternativen zu den zwei zusätzlich in Alt-Johanneskirchen geplanten Flücht­lingsunterkünften wurde nur einer (ein weiterer wurde sofort wieder verworfen) gefunden und der war wieder in Alt-Johanneskirchen. Das lässt an einer ernsthaften Suche Zweifel aufkommen. In der Innenstadt sehen die Verantwortlichen der Stadt und der handelnden Parteien wegen der dichten Bebauung keine Möglichkeit einer weiteren Unterbringung. Stichwort: >Das Boot ist voll< versus >Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg<. Insofern muss zwingend davon ausgegangen werden, dass weitere Container wieder nach Johanneskirchen gesetzt werden. Wäre dies nicht so, wären Alterna­tivstandorte genannt und genutzt worden.

• Eine kleinteiligere und somit für die Integration unzweifelhaft vorteilhaftere Verteilung über die Stadt hinweg liegt nicht in deren wirtschaftlichem Interesse. Zu teuer, zu wenig Förderung. Dabei gibt es zu bedenken: Gelungene Integration schafft Akzeptanz in der Bevölkerung, Ghettos sorgen für negative Schlagzeilen, sollte nicht alles reibungslos ablaufen.

• Die für Flüchtlinge vorgesehenen Unterkünfte werden grundsätzlich von der Bundesregierung da­für vorgesehen, für Notfälle kurzfristig genutzt zu werden und ansonsten frei zu stehen (Flüchtlinge dürfen nicht auf Dauer hier unterkommen – nur so lange, bis ihr Status festgestellt wurde). Die Stadt plant jedoch von vornherein eine dauerhafte Vollbelegung, auch für sogenannte >Fehlbelegungen<.

• Eine Fehlbelegung liegt vor, wenn über den Status des Flüchtlings entschieden wurde und er in der Unterkunft bleibt, weil er keinen sonstigen Wohnraum findet. Dies ist in der Regel in München der Fall. Es handelt sich insofern um bewusste, geplante und sogar unterstützte Fehlbelegung, die der Vorgabe widerspricht, denn wenn – wegen einer Krise – viele neue Flüchtlinge kommen, fehlt dieser Platz in den dafür vorgesehenen Unterkünften. Zum Schaden von tatsächlichen Flüchtlingen.

• In der Kronstädter Straße (und in vielen anderen Unterkünften) geht dies sogar so weit, dass dort aktuell keine Flüchtlinge untergebracht werden, sondern verurteilte Straftäter, die vor Ort von der Polizei betreut werden. Es stellt sich hier die Frage, ob die Stadt überhaupt Unterkünfte in Johan­neskirchen braucht, würden alle bestehenden Unterkünfte ihrem Zweck entsprechend verwendet.

• Wegen dieser üblichen Handhabe ist nicht auszuschließen, sondern muss sogar davon ausgegan­gen werden, dass diese Praxis auch in Johanneskirchen Anwendung findet.

• Muss zwingend ausgetestet werden, wie weit man gehen kann, bis ein Ghetto am Stadtrand ent­steht, mit all seinen Problemen, gerade für Flüchtlinge? Oder ist eine Verteilung über die ganze Stadt hinweg – gerade auch in der Innenstadt y- nicht der sinnvolle Schlüssel. Ursprünglich war dies der Weg der Parteien und der Stadt und bis heute wird behauptet, daran festzuhalten!“

Einrichtungen für Flüchtlinge und Wohnungslose in München, Bestand und Planungen, Stand Dezember 2022.
Karte Sozialreferat / Screen: hg
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