Die Vorgehensweise des Mobilitätsreferats erscheint, ja sie ist methodisch: Am Anfang einer Strecke einen Abschnitt mit Tempo 30 begrenzen, dann ein Stück weiter, eventuell zeitlich begrenzt, dann am Ende und schließlich die ganze Strecke. Das konnte man nun (wieder) im Bezirksausschuss erfahren: „Novellierung der Straßenverkehrsordnung – Prüfung von potenziellen Tempo-30-Anordnungen; Anhörung des Mobilitätsreferats.“ Sechs 30er-Lücken sollen geschlossen werden.

So geht es seit Jahren Stück um Stück weiter. Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte schon Anfang 2021 im Rathaus erklärt, in der Stadt gelte bereits auf 85 Prozent aller Straßen Tempo 30. Aktuelle Zahlen? Fehlanzeige.

Der Lückenschluss Tempo 30 am Kufsteiner Platz wurde vom Kommunalparlament einhellig befürwortet. Fünf weitere Vorschläge des Referats wurden gegen die Stimmen der CSU-Fraktion durchgewunken und sollen „weiterverfolgt“ werden. Das grundsätzliche Gegenargument von Stadtrat Jens Luther: „Viele Autofahrer sind irgendwann vom >Ausbremsen< genervt und suchen sich deshalb Schleichwege. Die beschlossenen Vorschläge:

• Lückenschluss Tempo 30 in der Oberföhringer Straße;

• Tempo-30Anordnung am Fußgängerüberweg Nettelbeck- / Friedrich-Eckart-Straße;

• Tempo-30-Anordnung in der Bülowstraße zwischen Herkomerplatz und Gebelestraße (Nähe zu Schulgebäude und Spielplatz)Zusätzliche Gegenstimme von Freie-Wähler-Vertreter Martin Blasi: „Das macht an dieser Stelle keinen Sinn.“

• Tempo 30 Anordnung an den Überwegen in der Ostpreußenstraße und darauf aufbauend Prüfung des Lückenschlusses bis zur Englschalkinger Straße; und

• Lückenschluss Tempo 30 in der Scheinerstraße

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Für die Scheinerstraße hatte ein Anwohner bei der Bürgerversammlung 2023 auf der gesamten Länge Tempo 30 beantragt. Dazu antwortete jetzt das Mobilitätsreferat.

In der Analyse heißt es (Auszüge; bearbeitet): Die Scheinerstraße verbindet den Galileiplatz mit dem Herkomerplatz. Die Bebauung besteht aus Villen und Mehrfamilienhäusern. Ausreichend breite Gehwege sind beidseitig angelegt. Der Radverkehr findet auf der Fahrbahn statt. Zu Berufsverkehrszeiten herrscht ein stärkeres Verkehrsaufkommen. Abweichungen von 50 km / h nach unten sind nur möglich, wenn die gesetzlichenVoraussetzungen dafür erfüllt sind. Gemäß Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gibt es zwei Formen von Beschränkungen auf Tempo 30.

• Zonenregelung: Tempo-30-Zonen dürfen nur in Wohngebieten eingerichtet werden, wo mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie einem hohen Querungsbedarf zu rechnen ist. Das Aufkommen an Durchgangsverkehr darf dabei nur von geringer Bedeutung sein. Es darf sich nicht um eine Vorfahrtstraße handeln. Es gilt grundsätzlich die Vorfahrtregelung >Rechts-vor-Links<. Weiterhin ist es notwendig, dass alle Straßen innerhalb der Tempo-30-Zone ein einheitliches Erscheinungsbild aufweisen. Sie müssen den Eindruck einer besonders ruhigen Situation vermitteln.

Die Scheinerstraße erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie unterscheidet sich von den sie umgebenden Seitenstraßen. Sie ist keine reine Wohnstraße, sondern eine Sammelstraße in Nord-Süd-Verbindung. Sie übernimmt damit eine Sammel- oder Erschließungsfunktion mit dem Zweck, den Verkehr aus umliegenden Straßen auf die größeren Hauptstraßen zu leiten.Die Scheinerstraße wird von drei Buslinien des ÖPNV sowie zwei Nachlinien in dichter Taktung befahren. Sie ist in der Vorfahrt bevorrechtigt und besitzt Fahrbahnmarkierungen (Mittellinie).

• Beschränkung auf 30 km / h als Einzelmaßnahme: In Einzelfällen kann die Straßenverkehrsbehörde von der gesetzlichen Vorgabe der innerörtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km / h abweichen, wenn besondere, in der StVO definierte Gründe vorliegen.

Sie müssen beispielsweise in einer besonderen Unfalllage, einer außergewöhnlichen Eigenart des Straßenverlaufs oder solchen Tatsachen begründet sein, die der Kraftfahrer aus seiner Sichtnicht wahrzunehmen vermag. In der Scheinerstraße liegen dazu keine Anhaltspunkte vor. Der Straßenverlauf ist übersichtlich und die Fahrbahnbeschaffenheit unkritisch. Laut Polizei ist die Unfalllage unauffällig.

Nach der StVO besteht jedoch die Möglichkeit, im Bereich von >sensiblen Einrichtungen< (Schulen, Kitas) die Geschwindigkeit auf Tempo 30 abzusenken ohne besonderen Gefahrennachweis, um die sensiblen Personengruppen besser zu schützen. Mit derÄnderung der StVO wurde diese Möglichkeit auch auf Bereiche von Kinderspielplätzen und markierten Fußgängerüberwegenerweitert. Überdies ist es nun möglich, zwei Tempo-30-Einzelmaßnahmen, die im gleichen Straßenverlauf nicht weiter als 500 Meter voneinander entfernt liegen, zu einer durchgehenden Tempo-30-Strecke zusammenzufassen.

Daraus resultierende Möglichkeiten für die Scheinerstraße: In den Bereichen der beiden vorhandenen markierten Fußgängerüberwege auf Höhe der Hausnummern 12 und 35 ist die Einführung von Tempo 30 streckenbezogen möglich, da diesesehr häufig von Kindern auf dem Weg zum oder vom direkt angrenzenden Spielplatz / zur Schule genutzt werden.

Um ein sinnvolles, gleichbleibendes Tempo in der Scheinerstraßeohne häufige Bremsmanöver zu erreichen, kann eine Geschwindigkeitsverstetigung auf Tempo 30 erfolgen zwischen dem bereits mit Tempo 30 versehenen Galileiplatz, dem rund 250 Meter nördlich neu einzurichtenden streckenbezogenen Tempo-30-Bereich und dem daran direkt anschließenden, neu einzurichtenden streckenbezogenen Tempo-30-Bereich, der bis zum Herkomerplatz reichen wird.

In immer mehr Abschnitten in Bogenhausen wurde und wird Tempo 30 beschildert, um dann nach der Novellierung der Straßenverkehrsordnung die gesamte Strecke zu „verstetigen“, lies nurmehr durchgehend 30 zuzulassen.   Foto: hgb