4. September 2018

2012 im Rathaus entschieden, im Sommer 2016 vom Stadtrat bestätigt: Ohne Verlegung der S-Bahn und der Gütergleise zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen, also vom und zum Flughafen, in einen Tunnel kann der Nordosten jenseits der Gleistrasse nicht erschlossen werden. Das war und ist die Grundlage für die Städtebauliche Maßnahme (SEM), im Prinzip für jedwede Art der Bebauung, für einen neuen  Stadtteil auf einer Fläche von 600 Hektar mit 30 000 Einwohnern und 10 000 Arbeitsplätzen. Jetzt bröselt, bröckelt das Fundament – klarer: es hat breite Risse! Auslöser der Erschütterung, wie könnte es anders sein, sind die Kosten.

Gemäß dem Entwurf des Planungsausschusses für den Stadtrat, datiert vom 20. Mai 2016, kalku­lierten die Fachleute seinerzeit mit 1,5 bis 2,5 Jahren Planungszeit, einer Genehmigungsphase von ein bis zwei Jahren und einer Bauzeit von sechs bis acht Jahren. Folglich wäre der Tunnel frühes­tens in rund neun Jahren, spätestens in etwa zwölf Jahren fertig gestellt. Also 2025 beziehungs­weise 2028. Diese Daten haben die Experten der Deutschen Bahn (DB) inzwischen längst kassiert, sie gehen von einer Inbetriebnahme nicht vor dem Jahr 2037 aus.

Stand 2011 belief sich die Kostenkalkulation für den Tunnelbau auf rund 670 Millionen Euro, der Anteil Münchens war etwa 550 Millionen Euro. Diese Zahlen waren nicht nur optimistisch, sie waren von vornherein schlicht und einfach Augenwischerei.

Der S-Bahnhof Daglfing wie auch jene in Englschalking und Johanneskirchen sind wahrlich keine Visitenkarten für die Deutsche Bahn und die Millionenmetropole München. Eine Untertunnelung der knapp sechs Kilometer langen Strecke würde nach jüngsten Bahnangaben etwa 2,3 Milliarden Euro kosten. Das dürfte in den kommenden fast 20 Jahren aber noch wesentlich teurer werden. Foto: hgb

Stand 2016 errechneten die Fachleute „Kosten inkl. mögl. Steigerung Baukostenindex“ bis zur Inbetriebnahme von 970 Millionen Euro; der Anteil der Stadt lag bei etwa 800 Millionen Euro. Kurzum: nun war’s  ein Milliarden-Projekt. Doch schon vor zwei Jahren wurden überdies zusätzliche Kosten erwartet, weil unter anderem „erhöhte Auflagen zum Brandschutz zu beachten sind“. Stand 2018, August: Die DB taxiert – lies schätzt – das Projekt gemäß Unterlagen im städtischen Planungsausschuss auf nunmehr 2,3 Milliarden Euro. Geht man von einem 80-Prozent-Anteil Münchens aus, wären das mehr als 1,8 Milliarden Euro.

Ausblick 2037, wenn laut Bahn alles fertig sein soll, besser sein könnte, unter Berücksichtigung einer jährlichen Steigerung der Kosten von fünf Prozent, was Experten durchaus für wahrscheinlich erachten: 4,7 Milliarden Euro; der 80-Prozent-Brocken für die Landeshauptstadt betrüge in etwa 3,8 Milliarden Euro. Hamburg und die Elbphilharmonie lässt schön grüßen …

Was soll eigentlich gebaut werden? An Stelle von zwei sollen vier, knapp sechs Kilometer lange Gleisstrecken entstehen, um die Schienenstränge von S-Bahnen und Güterzügen – hierbei kommt es immer wieder zu >Störungen< – zu entflechten, was eine sehr breite Schneise bedeutet. Aus technischer Sicht sind’s aber eigentlich drei Tunnel: In der Mitte zwei S-Bahngleise und die Bahnhöfe, seitlich davon jeweils eine Röhre in jede Richtung für die Güterzüge. Auf diesen Gleisen könnten dann auch die Express-S-Bahnen von und zum Airport durchfahren.

Jedwede andere Lösung als ein Tunnel wie oberirdischer Ausbau oder Versenkung der Gleise in einen offenen Trog lehnen die Mehrheit im Rathaus und die Mitglieder des Bezirksausschusses Bogenhausen strikt ab. Die Idee, „provisorische Brücken“ über die Bahngleise vor dem Hintergrund vermutliche Fertigstellung 2037 zu bauen, kanzelte unlängst CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller im Kommunalparlament ab: „Ein Hirngespinst.“