Harte, ja harsche Kritik verbunden mit Unmut, teils Wut der Anwohner der Johanneskirchner Straße am dritten Abschnitt der geplanten Tram-Nordtangente (ab Neuhausen durch Schwabing), der von der Ecke Cosima- / Johanneskirchner Straße knapp einen Kilometer zum S-Bahnhof Johanneskirchen verläuft. Das ist das Fazit einer Informationsrunde zum Trassierungsbeschluss.
Beanstandungen • Sie waren / sind durchaus berechtigt – es bestehen (zumindest bis dato noch) zu viele Unwägbarkeiten, „berechtigte Zweifel und offene Fragen“, was Bezirksausschuss-Vorsitzender Florian Ring (CSU) eingangs so bestätigte („das Ganze kostet ja eine Stange Geld“) und grundsätzlich den Ablauf des Verfahrens monierte. Auffallend: Kein einziger Teilnehmer in Präsenz plädierte für das Straßenbahnstück! Und nur ein Lokalpolitiker war dabei, der im Kommunalparlament unlängst die Stellungnahme befürwortet hatte.
Teilnehmer • Mehr als fünf Dutzend Bürger waren zu einer Präsentation mit Vertretern der Stadtwerke (SWM), der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und dem Mobilitätsreferat gekommen, weitere rund 120 Personen verfolgten / beteiligten sich in einem Chat. Rede und Antwort standen Ulrich Osthöver (Bereichsleitung Planung SWM / MVG), Lukas Borowski (Projektleiter Abschnitt Johanneskirchen), Karin Schöniger (Teilprojektleiterin Angebotsplanung) und Linda Augustin (Bezirksmanagement und Projektentwicklung im Mobilitätsreferat) – nicht aber, wie in der Einladung angekündigt, Arne Petersen, Leiter SWM-Verkehrsinfrastruktur. Schon ein wenig verwunderlich. Passt aber zum bisherigen Verlauf des Projekts – zumindest auf Bogenhauser Boden. Nun denn!
Vergangenheit • Im Januar 2018 war im Stadtrat die Wiederaufnahme der Planungen zur Tram Nordtangente verabschiedet worden. Es folgten eine Machbarkeitsstudie und der Beginn der Vorplanung auf dieser Basis. Im März 2021 war der Tram Abschnitt Johanneskirchen in die Planung aufgenommen worden, dann folgte der Stadtratsbeschluss „Erstes ÖPNV-Bauprogramm 2021.“
Zukunft • Am 20. Juli wird der Trassierungsbeschluss im Mobilitätgremium im Rathaus erörtert, am 27. Juli steht der Beschluss des Stadtrats an. Danach werden die Unterlagen bei der Regierung von Oberbayern zur „Einleitung des Baugenehmigungsverfahrens“ eingereicht. Im vierten Quartal 2024 ist der Baubeginn geplant, das vierte Quartal 2025 wurde für die mögliche Inbetriebnahme angegeben.
Ziele • „Attraktive Tram-Anbindung des S-Bahnhofs; ganztägige Taktverdichtung zwischen dem Effnerplatz und der Regina-Ullmann-Straße sowie Regina-Ullmann-Straße und Johanneskirchen (S-Bahn); „Feinerschließung durch eine neue Haltestelle am Ringofenweg; zentrale Umsteigeanlage Tram / Bus westlich der S-Bahntrasse sowie die langfristige Option auf Verlängerung in Richtung SEM Nordost und Anschluss an den Tram Nordring“, so die Ausführungen.
Parkplätze • Die offiziellen Angaben: „Es entfallen 134 Pkw-Stellplätze am Fahrbahnrand und drei Pkw-Stellplätze im Kreuzungsbereich Johanneskirchner- / Freischützstraße. In allen anderen Straßen gibt es durch die Neubauplanung keine nennenswerten Änderungen. Der Wegfall der Stellplätze kann durch verstärkte Nutzung der vorhandenen Tiefgaragen und Reserven bei der Auslastung der angrenzenden Straßenabschnitte kompensiert werden. Alle Gewerbebetriebe besitzen eigene Anlieferbereiche und Kundenparkplätze. Stellplätze für den Hol- und Bringverkehr der Kindertagesstätte an der Johanneskirchner Straße 81 stehen künftig auf Privatgrund zur Verfügung.
Autoverkehr • „An der Kreuzung Cosima- / Johanneskirchner Straße entfällt in Richtung Westen eine von zwei Fahrspuren (geradeaus), die Rechtsabbiegespur bleibt erhalten. An der Kreuzung Freischütz- / Johanneskirchner Straße bleiben die Fahrspuren wie im Bestand. In den Morgenstunden verringert sich die Leistungsfähigkeit durch einen starken Linksabbiegestrom aus Süden kommend.“
Bäume • „Es müssen etwa 145 Bäume entfernt werden, 85 davon fallen unter die Münchner Baumschutzverordnung. Wir sehen die Neupflanzung von 120 Bäumen vor. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wird eine Umweltverträglichkeitsstudie erstellt“. Zu all dem ein Vermerk auf einer Kartenseite: „Baumstandorte noch in Prüfung“.
Kosten • Osthöver kennt wohl die Zahlen, wollte sie auf Anfrage aber nicht preisgeben. Offiziell heißt es: „Aktuell erfolgt die Aufbereitung der Zahlen in Vorbereitung auf den Beschluss im Stadtrat. Ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis ist zu erwarten.“
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„Teil der Verkehrswende“, „weg vom Auto“, „Stück vom Nahverkehrsplan“, „Verbesserungen“, „Erwartungen und Prognosen“ (verbunden mit Gutachten und noch zu erstellenden Gutachten) – die Präsentation wurde von den Stadtvertretern mit wohlwollenden Worten garniert. Gleichwohl ließen sich die Bürger davon nicht blenden. „Mir scheint, es herrscht hier mehr Ideologie denn Sinnhaftigkeit. Kommt dieser Tram-Abschnitt, dann ist das Leben hier nicht mehr lebenswert“, so ein Mann.
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„Wir warten seit Jahren auf einen behindertengerechten Zugang zum S-Bahnhof „ärgerte sich eine Frau. Die Antwort darauf: „Der Bahnhof ist nicht unser Gewerk, der Zugäng nicht Teil des Projekts.“
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„Warum brauchen wir eine Tram, wenn der Bus 50 zum S-Bahnhof fährt. Das macht doch keinen Sinn. Warum setzt man stattdessen nicht E-Busse ein?“ Und: „Warum wartet man nicht fünf oder zehn Jahre bis der S-Bahnausbau und die Anbindung in den Nordosten geklärt ist?“ – „Es ist ein Auftrag vom Stadtrat“ (Osthöver). „Wir wollen den Bahnhof mit der Tram anschließen“ (Schöniger). „Aber wir wollen …“ (Anwohner)
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„Ich wohne an der Wendeschleife (Anm. d. Red.: etwa 60 Meter breit). Dorthin sind etwa 40 Schlafzimmerfenster ausgerichtet. Wir haben hier Tag und Nacht Lärm durch die Güterzüge, es scheppert und rattert durchgehend. Wir sind geplagt. Und zu alldem noch eine Straßenbahn, die ja auch Energie verbraucht? Dieser >Wurmfortsatz< muss nicht sein; er kommt zehn Jahre zu früh. Ich bin verärgert, ich bin wütend auf die Planer“, schimpfte ein Senior, der seit 30 Jahren eine MVV-Karte besitzt und dennoch „in sechs Minuten zur Tramhaltestelle in der Cosimastraße“ läuft.
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„Das ist rausgeworfenes Geld. Der Bedarf in medizinischen Bereichen ist größer. Sie sind unflexibel,“ so ein anderer Vorwurf.
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Ein Besucher: „Warum wurden wir nicht vorab informiert? Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Was passiert, wenn die U4 endlich verlängert wird? Kommt es dann zu einem Rückbau der Gleisanlagen? Lärm- und Schallschutz – wer übernimmt die Kosten?“ – Keine Antwort.
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„Was hat es mit dem neuen Tram-Gleisrichterwerk auf sich?“ (Anm. d. Red.: an der Kreuzung in der Johanneskirchner Straße Richtung Westen) wollte eine Frau wissen. „In einem Gutachten wurden die Strahlungen etc. gemessen, alle Werte sind unter der Norm“ (Borowski). „Es gibt keine Auswirkungen auf Menschen, verursacht keinen Lärm“ (Osthöfer).
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„Wer den Bus bis jetzt nicht genutzt hat, der wird auch die Tram nicht nutzen. Und die >Helikopter-Eltern< werden ihre Kinder weiter mit dem Auto zur Schule fahren,“ konstatierte eine Frau. Ein Mann ergänzte: „Der Bus ist oft leer. Es besteht kein Bedarf für eine Tram. Warum muss das denn sein?“
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Zur Visualisierung der Fürkhofstraße: „Glauben Sie wirklich, dass das so aussehen wird? Wo sind Parkplätze geplant? Alle Tiefgaragen in der Umgebung sind voll. Ich sehe da keine Lösung. Die Parkplatzsucherei – es stehen hier viele Wohnmobile und Werbeanhänger – haben wir doch heute schon, das wird sich dann verstärken. Das ist doch blauäugig. Kommen Sie doch einmal und schauen Sie es sich an. Warum muss das mit aller Gewalt gebaut werden? Wie es jetzt läuft, ist es doch optimal.“ Antwort Augustin mit Verweis auf ein Gutachten, das wie andere Untersuchungen kein Bürger kennt: „Alles ist verträglich.“ Und zum Verkehrsfluss: „Laut Untersuchungen ist der in einem annehmbaren Bereich.“
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Ein Senior bemerkte: „Hier wohnen viele Ältere, viele von ihnen sind pflegebedürftig. Wo sollen eigentlich die Mitarbeiterinnen der Pflegedienste ihre Fahrzeuge parken?“
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Zu den vielfach monierten Lärmbelastungen erklärte Borowski: „Ein Gutachter hat die per Simulation errechnet. Die Untersuchung liegt jetzt vor, sie wird gecheckt.“ Zur Frage, wer ein Anrecht auf Schutzmaßnahmen hat: „Im Prinzip alle Anwohner.“
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Nun heißt es warten auf den Beschluss des Stadtrats am Mittwoch, 27. Juli. Es ist kaum anzunehmen, dass es vor dem Hintergrund der bereits getroffenen Entscheidungen noch zu gravierenden Änderungen kommt. Geschweige denn, dass die Pläne für die Tram Johanneskirchen in der Schublade verschwinden!