Engagierte Diskussionen mit Pro-und-Kontra-Argumenten, ja verbale Wortschlachten – im Bezirks­ausschuss bei fast bei jeder Tagung gang und gäbe. Doch selten war die Kluft zwischen den Parteien so tief. Einerseits die CSU-Fraktion mit anwesenden elf Mitgliedern plus dem FDP-Duo und dem Freie-Wähler-Vertreter (zusammen 14 Stimmen) und andererseits den Grünen (neun Anwesende) plus SPD (fünf) plus ÖDP (zwei) plus dem Linke-Mann (zusammen 17 Stimmen). Folglich wurde der von der CSU eingereichte Dringlichkeitsantrag zur geplanten Lesung von Drag-Künstlern in der Stadtbibliothek Bogenhausen mit 17 gegen 14 abgelehnt.

In der Initiative von Robert Brannekämper, Landtagsabgeordneter und CSU-Fraktionssprecher, und Sabine Geißler, heißt es: „Der Bezirksausschuss fordert den Oberbürgermeister auf, dafür zu sor­gen, dass die geplante Veranstaltung für Kinder ab vier Jahren in der Stadtteilbibliothek so durchgeführt wird, dass sie allen Vorgaben des Jugendschutzgesetzes entspricht. Darüber hin­aus ist auf eine kindgerechte Präsentation sowie Inhalt und Format zu achten.“ Und: „Der Bezirks­ausschuss nimmt die Gelegenheit gerne wahr, sich kurzfristig über den Ablauf und die Inhalte der Veranstaltung durch den Direktor der Münchner Stadtbibliothek informieren zu lassen.“

In der Begründung wird ausgeführt: „Wie auf der Internetseite der Münchner Stadtbibliothek zu lesen, ist in der Filiale Bogenhausen am Dienstag, 13. Juni, 16 Uhr eine „Drag-Lesung für Kinder ab vier Jahren“ geplant, in deren Rahmen die Drag-Künstler >Vicky Voyage< und >Eric BigClit< (deutsch: große Klitoris) „unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben bereit hält“.

Die am 13. Juni geplante Lesung von Drag-Künstlern in der Stadtbibliothek am Rosenkavalierplatz für Kinder ab vier Jahren polarisierte bei einer Debatte im Bezirksausschuss.    Foto: hgb

Weiter wir argumentiert: Wenn auch die Vermittlung von Toleranz ein nachvollziehbares Anliegen ist, so hat dies stets in altersgerechter Weise zu erfolgen. Insbesondere sollten keine Künstler mit sexuell expliziten Pseudonymen vor Kindern auftreten. Der Schutz der Schwächsten der Gesell­schaft hat für den Bezirksauschuss einen großen Stellenwert. Nachdem diese Altersgruppe selbst noch nicht in der Lage ist, eigenständig zu entscheiden, an welchen Veranstaltungen sie teilnimmt, hat die Stadt hier besondere Verantwortung.“

Geißler erklärte: „Klar, jeder kann entscheiden, ob er hingehen will oder nicht. In der CSU hat nie­mand etwas gegen Drag-Queens. Ich möchte Kindern das aber nicht zumuten, weil sie es nicht verstehen. Ich habe das Gefühl, dass hier Kinder instrumentalisiert werden. Kleine Kinder haben Angst vor verkleideten Personen, ich habe es selbst als Kind beim Nikolaus erlebt. Die Veranstal­tung passt nicht für kleine Kinder, für vierjährige Kinder!

Samuel Moser, Sprecher der Grünen: „Ich finde den Antrag von der Intention her fatal. Die Politik sollte sich nicht in eine solche Veranstaltung einmischen. Das ist wirklich absurd. Die Leitung der Bibliothek ist sich sicher der Verantwortung bezüglich des Jugendschutzes bewusst. Es geht hier nicht um Schutz für Kinder; das Problem ist der Umgang mit gesellschaftlichen Abweichungen. Bei diesem populistischen Kulturkampf machen wir nicht mit. Sein Kollege Andreas Voßeler meinte: „Es geht nicht um Sexualität, sondern um Identität. Ich finde diese Veranstaltung klasse.“ Und Miriam Grottenthaler: „Es ist wichtig, Kinder zu sensibilisieren, dass jeder Mensch anders ist.“

Karin Vetterle, Sprecherin der SPD: „Das ist ein sinnbefreiter Antrag. Eltern sind verantwortungs­bewusst genug, ob sie mit ihren Kindern hingehen oder nicht. Das Ganze ist. lächerlich, lächerlicher geht’s nicht.“ Und ihr Kollege Marko Poggenpohl: „Den Besuch dieser Veranstaltung sollte man den Eltern überlassen. Die Bibliothek in den Jugendschutz ein.“

Peter Reinhardt verteidigte den Standpunkt der CSU-Fraktion: „Es geht bei einer solchen Ver­anstaltung ums Publikum, das angesprochen wird. Hier sind kleine Kinder explizit die Zielgruppe. Von der Bibliothek könnte man diesbezüglich eine gewisse Sensibilität erwarten.“

Eine Bürgerin, Mutter, zweier erwachsener Söhne, kritisierte Moser scharf: „Ich fand ihre Rede zynisch, ja abwertend. Ja, ich war selbst schon mal in einer Drag-Queen-Show – da war ich aber 20!“ Klarer geht’s kaum!