Winter = Schnee + Matsch + Minustemperaturen + Regen + Sulze + Vereisungen. Eine neue Formel? Offensichtlich – zumindest ganz offensichtlich für die Verantwortlichen bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), zuständig für U- und Straßenbahnen sowie Busse. Und für die Stadt. Genauer: für das Baureferat, zuständig für Räum- und Streudienste auf Straßen, Geh- / Radwegen, Fußgängerüberwegen und – Achtung, kaum zu glauben – für die Haltestellen(-bereiche).

Die Formel sollte bei der MVG und der betreffenden Abteilung im Baureferat am Ende, nach Vereisung, ergänzt werden mit = Chaos. Wird das verinnerlicht und konsequent verarbeitet, sollte sich unlängst Erlebtes nicht wiederholen. Klar, dazu bedarf es Investitionen, das kostet Geld. Das ist aber allemal besser angelegt als beispielsweise in die umstrittene, ja überflüssige 60-Millionen-Euro-Tram-Trasse Johanneskirchen.

Nachbetrachtung, Nörgelei, Nachkarteln? Überflüssig. Ist Schnee von gestern. Denn die Fakten aus dem Acht-Tage-Chaos sind glasklar, liegen auf dem Tisch, die meisten Münchnerinnen und Münchner können sie bestätigen, da sie sie hautnah erlebt und empfunden haben. Auf dem Tisch liegt auch eine „PM“, eine Pressemitteilung, der MVG, vom 8. Dezember, Überschrift „Nach Winter-einbruch: MVG am Freitag wieder im Regelbetrieb“.

Just diese PM ist bis auf ein paar Zeilen eine Nachbetrachtung, verschlägt einem die Spra-che. Denn die Verantwortung wird indirekt der Feuerwehr zugeschanzt. Und den Autofah-rern. Und dem Räumdienst der Stadt. Geht’s noch?

Wörtlicher Auszug I unter dem Zwischentitel >Warum wurde der Betrieb eingestellt?< (Anm. d. Red. mit Bezug auf die Straßenbahnen) – „Durch die hohe Last des schnell und in großen Mengen gefallenen Schnees sind Bäume und Äste auf die Oberleitungen gefallen. Dazu mussten auf eini-gen Streckenabschnitten der Strom abgeschaltet werden, damit die Feuerwehr die Oberleitung wieder freimachen konnte. Andere Streckenabschnitte hat die Feuerwehr aus Sicherheitsgründen vorsorglich gesperrt.

Ein Großteil der Weichen ließ sich nicht mehr stellen und war gestört, da der Autoverkehr Schnee, Matsch und Eis in die Rillen gedrückt hat. Zu diesem Zeitpunkt war kein sicherer Betrieb mehr mög-lich. Das gilt auch für die Fahrzeuge, die teilweise noch ohne Fahrgäste unterwegs waren, um die Strecke freizuhalten.

Auch der Busverkehr musste nach mehreren Unfällen aus Sicherheitsgründen vollständig einge-stellt werden, weil die Straßen und die Haltestellen nicht geräumt und damit nicht befahr- und be-gehbar waren.“

Wörtlicher Auszug II unter dem Zwischentitel >Warum hat es so lange gedauert, bis die Trams wieder fuhren?< – „Das größte Problem war das Eis, das sich durch die unumgängliche Einstel-lung des Betriebs in den Rillenschienen gebildet hat. Verstärkt haben das Problem Räumarbeiten mit kleineren Räumfahrzeugen, die zusätzlich Schnee, Matsch und Eis in die Rillen gedrückt haben, wo es umgehend gefror.

Der gleiche Effekt zeigte sich noch viel intensiver an den Übergängen, an denen Autos die Schie-nen kreuzen. Diese haben sich zu einem dauerhaften Problem entwickelt. Auch dort wurden Schnee, Matsch und Eis von den Autos in die Rillengedrückt, wo alles gefror und eine Gefahr zu entgleisen verursachte: Ein Sonderfahrzeug und eine Trambahn sind bei den Räumarbeiten ent-gleist. Aus diesem Grund konnte das Eis nur manuell mit Salz, Kratzeisen und Bohrhämmern gelöst werden. Das ist auch der Unterschied zum Winter 2006, bei dem nach dem Schneefall unmittelbar Tauwetter eintrat, das nicht zu Vereisungen führte.

Neben der Entfernung von Eis aus den Rillen, mussten auch die Oberleitungen von Schnee und Eis befreit werden. Ein zusätzliches Problem: Bei Schneeräumarbeiten im Bereich der Straßen wurden immer wieder Schneemengen auf das Gleis geräumt.“

Wörtlicher Auszug III (gekürzt) unter dem Zwischentitel >Herausfordernde Räumarbeiten< – „50 Mitarbeiter pro Schicht – darunter Tramfahrer, die keinen Fahrdienst machen konnten, und Mitarbei-ter anderer Abteilungen – haben die Rillen enteist, damit die Räumfahrzeuge vorankommen und nicht entgleisen. Das Eis saß an vielen Stellen so fest, dass es nur per Handarbeit mit Salz, Kratzei-sen oder Bohrhämmern gelöst werden konnte und die Trupps nur meterweise vorankamen. Von drei Räumfahrzeugen für die Schiene haben zwei während ihres Einsatzes einen Schaden davon-getragen, ein Zwei-Wege-Unimog bekam einen Kupplungsschaden, der zweite einen Gestänge-bruch durch eine Entgleisung auf vereisten Rillen. Damit war kurzfristig nur der Fahrdrahtkontroll-wagen einsatzbereit. Wegen eines Oberleitungsschadens trug auch dieser einen Schaden am Stromabnehmer davon, konnte über Nacht aber repariert werden und war dann wieder im Einsatz. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hat mit einem Zwei-Wege-Räumer unterstützt.“

Wörtlicher Auszug IV, Statement MVG-Chef Ingo Wortmann (gekürzt): „Natürlich haben wir Not-konzepte. Das haben wir währen Corona auch unter Beweis gestellt. In der jetzigen Situation war aber unter keinen Umständen ein sicherer Betrieb möglich – nicht mit und auch nicht ohne Fahrgäs-te…. Danke auch an die Fahrgäste, die zum Teil mit viel Geduld und Verständnis reagiert haben und sich auf allen Kanälen bedankt haben, teilweise auch direkt bei den Räumtrupps und Fahrern.“

Wörtlicher Auszug V, unter dem Zwischentitel >Aufarbeitung und kritische Betrachtung< von Wortmann – „Jetzt, wo der Betrieb wieder läuft, werden wir mit der Verwaltung der Stadt selbstkri-tisch in die Manöverkritik gehen. Entscheidend für die Zukunft ist, dass wir ein Verfahren finden, um die Rillenvereisungen zu vermeiden. Außerdem müssen wir die Koordination der Räumdienste ver-bessern sowie ein frühzeitiges Räumen der Kreuzungsbereiche und Haltestellen erreichen.“

Nun denn, MVG: Winter, Schnee, Eis – das gab’s in München noch nie …

Mit einfachen Stangen, sogenannten Kratzeisen, und auch Bohrhämmern, mussten MVG- Mitarbeiter die Schienenrillen vom Eis befreien.
Pressefoto: MVG / SWM