Die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordostauf dem rund 600 Hektar großen Areal – einschließlich der Pferdesportanlagen; überwiegend landwirtschaftlich genutztes Areal – jenseits der Bahntrasse entlang von Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen, vor 16 Jahren mit einem Vorbereitungsbeschluss im Rathaus eingeleitet, sorgt weiter für Furore, Ärger und Auseinandersetzungen. Aktuelle Aspekte.

Beim jüngst im Bezirksausschuss erörterten Erschließungskonzept prallten die Meinungen erneut aufeinander. Daniela Vogt, Vorsitzende „Bündnis Nordost“, forderte wiederholt: „Erst die Verlegung der viergleisig auszubauenden Bahntrasse in einen Tunnel, dann Verhandlungen der Stadt mit den Grundstückseigentümern und dann planen.“ Karin Vetterle, Vize-Vorsitzende des Kommunalparlaments, dagegen: „Man muss alles parallel planen. Sonst wird’s nie etwas.“

Gleichwohl: Wie kann man planen, über Grundstücke verfügen, die einem nicht gehören? Fakt ist nämlich: Von den 600 Hektar sind 450 Hektar in Privatbesitz (350 Flurstücke, 525 Eigentümer), der Stadt und dem Freistaat Bayern gehören gerade einmal rund 150 Hektar (250 Flurstücke). Dieser Stand besteht seit 2019! In etwa die Hälfte der Fläche soll Baugrund werden– inklusive Badesee, Infrastruktur sowie U- und Straßenbahn. Rund 300 Hektar sollen weiterhin für Landwirtschaft, als ökologische Ausgleichsfläche und für den Pferdesport (wie jetzt circa 60 Hektar) zur Verfügung stehen.

Zur „Klärung“, lies um an die notwendigen Flächen zu kommen,hat das Planungsreferat Mitte April eine externe „Ombudsstelle für Grundstückseigentümer“ im Münchner Nordosten eingerichtet. Eine Kanzlei soll demnach „neutral, sachkundig sowie insbesondere vermittelnd tätig werden und einen produktiven Ablauf der Verhandlungen zwischen der Stadt und den Eigentümern fördern.“ 

Zum besseren Verständnis: Eine Ombudsperson nimmt laut Duden „die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Behörden wahr“. Ziel ist Schlichtung und außergerichtliche Streitbeilegung. Klappt das nicht, ist der Grundeigentümer nicht zum Verkauf befreit, droht die Enteignung.

Die „Ombudsstelle“ veranlasste nun CSU-Stadtrat Fabian Ewald(Berg am Laim) zusammen mit Jens Luther (Bogenhausen) und Heike Kainz (Allach) zu einer Anfrage an Oberbürgermeister Dieter Reiter:

„Mit der Aufgabe beauftragt wurde nach Mitteilung des Planungsreferats die Anwaltskanzlei Tandler & Partner. Aus den Reihen der von der SEM Nordost betroffenen Eigentümer ist zu vernehmen, dass dies auf deutliche Kritik stößt. Insbesondere aufgrund der langjährigen, engen Kontakte des beauftragten Rechtsanwalts zum Oberbürgermeister, seinem Amtsvorgänger und führenden Personen der Sozialdemokratie wird vor Ort massiv bezweifelt, dass die Kanzlei für die Aufgabe einer neutralen und unabhängigen Beratung und Begleitung des Verfahrens im Sinne der Eigentümer wirklich geeignet ist. Dass inzwischen offenbar ein langjähriger Stadtdirektor des Planungsreferats mit demselben parteipolitischen Hintergrund für die Kanzlei tätig ist, verstärkt diesen Eindruck noch.“ Fragen vor diesem Hintergrund:

• Halten es der Oberbürgermeister und das Planungsreferat für realistisch, dass von der SEM Nordost betroffene Eigentümer ihre eigenen Interessen von einer von der Stadt beauftragten und bezahlten Kanzlei vertreten sehen und diese als neutrale Beratungsstelle wahrnehmen?

• Wie viele Eigentümer haben bisher das Angebot einer Erstberatung durch die beauftragte Kanzlei in Anspruch genommen, wie viele wurden darüber hinaus weitergehend beraten? Wie viele potenziell betroffene Flächeneigentümer gibt es im Umgriff des Entwicklungsgebiets insgesamt?

• Verfügt die Kanzlei über einschlägige Erfahrung mit derartigen Projekten, hat sie insbesondere schon einmal eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme mit einer Vielzahl an Eigentümern begleitet?

• Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der beauftragten Kanzlei? Aus welchem Grund wurde sich gerade für diese Kanzlei entschieden, hätte es Alternativen mit weniger Verflechtungen zur Stadtpolitik gegeben?

• Wie wird gewährleistet, dass die Kanzlei die Interessen der Eigentümer gegenüber der Stadt wirklich unabhängig und neutral vertritt?

• Bewertet das Planungsreferat das Vorgehen nach jetzigem Stand als Erfolg?

Planausschnitt der SEM Nordost: Die vom Planungsreferat beauftragte Ombudsstelle, die Anwaltskanzlei Tandler & Partner, stößt auf Skepsis betroffener Grundeigentümer. Die CSU richtete deswegen eine Anfrage an den OB.   Karte: Planungsreferat /Foto: hgb